Hogar de
Tablada

 

 


Reisebericht von Familie Böske 2001

Auch in diesem Jahr waren Freunde und Bekannte aus Deutschland bei uns zu Besuch.

Wir freuen uns immer über Gäste und laden auch Sie herzlich ein, eine Zeit mit uns zu leben!

Sehr gefreut haben wir uns, dass uns einer der Mitbegründer des Heims, Heinz Böske mit seiner Familie zum ersten Mal nach seiner Rückkehr nach Deutschland besucht hat. Hier sein Rückblick.

Nach 13 Jahren wieder im Heim

Der IBERIA-Jumbo taucht in die winterliche Dunstglocke über Lima und landet pünktlich am 30. Juni um 17.30 Uhr auf dem Flugplatz “Jorge Chavez”. Es ist aufregend, nach so vielen Jahren wieder in Peru zu sein. Als wir ohne Probleme die Kontrollen hinter uns haben, drängeln wir uns durch ein Meer von Menschen dem Ausgang zu. Und da wartete auch schon die Abordnung aus Tablada de Lurin, die uns zum Kinderheim brachte. Zunächst hielten wir die Luft an, als Stefan, ein Zivi im Heim, uns in peruanischer Manier durch das laut hupende Verkehrschaos schleuste. Unsere Kinder staunten über die Verkehrsverhältnisse, Irmhild und ich wunderten uns über die funktionierenden und den Verkehr regelnden Ampeln, die gut asphaltierten Straßen und die Grünanlagen zwischen den Fahrbahnen. Nur mühsam schlängelten wir uns durch den dichten Feierabendverkehr in die südlichen Stadtteile von Lima. Straßenlampen beleuchten auch in Tablada de Lurin asphaltierte oder zumindest befestigten Straßen. Endlich stehen wir vor dem großen Tor zum Kinderheim.

Anita, die Leiterin vom Heim, führte uns in einen wohnlich eingerichteten Großraum mit fünf Schlafplätzen und einer Sitzecke. Für die kommenden 5 Wochen richteten wir uns hier häuslich ein. Von hier aus starteten wir zu Reisen nach Cuzco, Nazca, über den Ticlio nach Tarma, Villa Rica und Oxapampa. Es war ein volles Programm, das uns aber genügend Gelegenheit bot, die Lebensumstände im Kinderheim und die Behausungen sehr armer Familien kennenzulernen.

Neugierig auf den Alltag im Heim musste ich, ungewohnt für einen Urlauber, frühzeitig aufstehen, um etwa 40 Kinder im Esssaal zu erleben. Einige von ihnen haben bereits einen längeren Fußmarsch von bis zu 4 Kilometern hinter sich, andere wohnen in der Umgebung des Heims. Alle sitzen ruhig an ihren Plätzen und warten auf das Frühstück.: Haferflocken, Brötchen und Obst. Anschließend holen sich die Kleineren bei Patricia, ihrer Erzieherin, ihre Zahnbürsten und putzen sich im Hof ihre Zähne. Ein Teil von ihnen eilt nun zur Schule. Einige haben erst am Nachmittag Unterricht und erledigen die täglich anfallenden Arbeiten wie Fegen, Abwaschen, Aufräumen etc. Ansonsten machen sie ihre Schulaufgaben und werden dabei von älteren Schülern oder einer Mitarbeiterin betreut. Neu aufgenommenen Kindern fällt es zunächst schwer, sich an diesen vorgegebenen Rahmen zu halten. Sie bringen ja oft keinerlei Erfahrung in Sachen Hygiene mit, wie Händewaschen vor dem Essen, Zähneputzen, Toilettenbenutzung ... .Das wird ihnen in geduldiger und mühevoller Anleitung beigebracht.

Handwerkliche Fertigkeiten erlernen Jugendliche in der Schreinerei und der Bäckerei. An den Wochenenden übernimmt Stefan die Aufgabe des Bäckermeisters. Zusammen mit den größeren Jungs werden noch spät am Samstagabend Brote, Brötchen und Empanadas gebacken, die dann am Sonntagmorgen bei der deutschen Kirchengemeinde verkauft werden; ein kleiner Beitrag zum Unterhalt des Heims, bedeutsam aber auch, um in der deutschen Gemeinde als soziales Projekt präsent zu sein.

Deutlich wird diese Einbindung durch die “Junta directiva”, der Vereinsvorstand, der aus acht Gemeindemitgliedern besteht, die in den verschiedensten Berufen tätig sind. Bereits in der ersten Woche konnten wir in diesem Kreis zusammen mit Anita und Christine Dolderer die augenblickliche Situation analysieren und die Notwendigkeit unserer Arbeit hinterfragen. Bei den extremen Notfälle, von denen Anita berichten konnte, war dies eigentlich keine echte Frage. Trotz der äußerlich für uns sichtbaren Verbesserung der Wohn- und Lebensverhältnisse in Tablada gibt es eine ganze Anzahl von echt notleidenden Familien, meistens sind es alleinerziehende Mütter mit mehreren Kindern, für die es im peruanischen Sozialsystem keine Unterstützung gibt. Irmhild und ich freuten uns über die neuen Mitarbeiter, die Verantwortung für das Heim übernehmen und die Heimleitung in pädagogischer, aber vor allem auch in verwaltungstechnischer Hinsicht unterstützen - Bürokratie kann auch (oder besonders?) in Peru großen Ärger bereiten.

Gern und dankbar denken wir an das morgendliche Frühstücken in Anita´s Wohnung zurück. In dieser freundlichen familiären Atmosphäre fühlten wir uns wie zuhause. Unsere Hauptthemen waren:

Notwendigkeit unserer Arbeit, Personalfragen, Finanzen und natürlich auch persönliche Angelegenheiten. Beeindruckt hat uns ihre Einstellung, vor allem der erzieherischen Aufgabe im Umgang mit den Kindern und ihren Müttern eine alles entscheidende Priorität einzuräumen. Den Erfolg sahen wir an den aufgeschlossenen, munteren und frohen Kinder im Heim - eine Freude sie beim Basteln, Backen oder Fußballspielen zu erleben. Ganz andere Eindrücke sind uns vor Augen seit wir mit Anita zu einigen Hütten gegangen waren, um das unmittelbare Umfeld der Kinder zu erfahren. Eine Mutter z.B. stand ganz hilflos da, weil sie ihren sieben Kindern an diesem Tag nichts zuessen geben konnte. Wegen des Nationalfeiertages war das Heim für ein verlängertes Wochenende von drei Tagen geschlossen, und somit mussten die Kinder zuhause bleiben. Es gibt also Familien, die auf die Mahlzeiten vom Heim angewiesen sind. Schaut man sich in der Hütte oder in dem kleinen Hof um, fragt man sich unwillkürlich: Womit sollen sich Jungen und Mädchen hier den Tag über beschäftigen? Es gibt keine Spielsachen, die Behausung der Familie besteht aus einem Raum, in dem sich alles abspielt: Kochen, Wäsche waschen, schlafen - oft nur ein Bett für mehrere Personen - Hausaufgaben machen usw. Ein gut begabter Junge, etwa vierzehn Jahre alt, macht bis abends 19.39 Uhr im Heim seine Aufgaben für die Schule oder liest Bücher, weil er in der eigenen Hütte nur bei Kerzenlicht lernen müsste. Er hat dann noch einen Nachhauseweg von 3-4 Kilometern, die er mit seiner kleinen Schwester früh am nächsten Morgen wieder wegen des Frühstücks zurücklegt.

Wir lernten eine Frau kennen, die seit Monaten an Krebs erkrankt ist und wegen einer Operation im Krankenhaus behandelt werden müsste. Wochenlang fuhr sie persönlich dorthin, aber immer wieder wurde sie vertröstet, weil kein Bett frei war. Mitarbeiter des Heims haben für sie Blut gespendet, eine Voraussetzung für eine Operation, die mit größeren Blutverlusten verbunden sein könnte.

Wir trafen auch eine ehemalige Heimbewohnerin, die so richtig strahlte, als sie Anita, ihre Heimmutter, wiedersah. Sie war so dankbar, dass sie für mehrere Jahre ein Zuhause haben durfte. Schön ,dass Anita auch den Kontakt zu den Ehemaligen pflegt. Diese junge Frau hat Friseuse gelernt und verdient sich somit ihren Lebensunterhalt.

Ein anderes Mal ließen wir uns mit einem Taxi in die Stadt bringen und kamen mit dem Fahrer ins Gespräch. Dabei stellte sich heraus , dass auch dieser Anita und Rafael kennt aus seiner Zeit in einem anderen Heim, das wir auch unterstützt hatten. Er schwärmte noch heute von dieser Zeit und war froh über die Hilfe, die er dort bekommen hatte.

Unvergesslich bleibt auch der Abschied vom Heim. Zunächst aßen wir mit den Kindern zusammen zu Mittag. Als wir unsere Koffer ins Auto einladen wollten, hatten sich alle Kinder im Hof aufgestellt und sangen, begleitet von Christine auf der Gitarre mehrer Abschiedslieder. Für uns ein bewegender Moment, als viele hinterher kamen und sich mit einer Umarmung von uns verabschiedeten.

Es wird sicher keine weiteren 13 Jahre dauern, bis wir das nächste Mal nach Peru fliegen.

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2002 Rückblick Besuch Christine Dolderer de Huaylinos

Nach einem Jahr in Deutschland machten wir uns wie der auf nach Peru - für einen Monat lang um Familie und Freunde wieder zu sehen, einen Monat lang um im Kinderheim mit zu leben, einen Monat um für uns als Familie etwas mehr Klarheit zu bekommen. Schon im Flugzeug kamen wir mit vielen Peruanern in Kontakt. Die Offenheit, die Kinderfreundlichkeit und die Kontaktfreudigkeit stimmten uns auf die lebensfrohe Art der Peruaner ein, das tat einfach gut.

Am Flughafen wurden wir von Anita und einigen früheren Arbeitskollegen abgeholt. Die Wiedersehensfreude war groß. Die Fahrt zum Kinderheim war wie immer mit viel Hupen, Bremsen und Geschrei verbunden. Es war wieder gewöhnungsbedürftig. In unserem Haus wurden wir von der Familie und unseren Freunden herzlich empfangen, natürlich mit Pisco sour. Nach einer langen Nacht versuchten wir am nächsten Morgen uns wieder etwas zu orientieren, im Haus, im Barrio (im Viertel) und im Kinderheim. Was wir sahen deprimierte uns ungemein. Alles kam uns so alt, so heruntergekommen, so sehr arm vor. Hatte sich in dem Jahr denn so viel zum Schlechten verändert? Oder sahen wir es aus einem anderen Blickwinkel? Ja, wir hatten uns in Deutschland inzwischen wieder eingelebt und uns an saubere Straßen, an tolle Autos, an schöne Häuser, an das satte Grün der Wiesen und Bäume, ein geordnetes Leben gewöhnt. Die ersten zwei Tage ging ich durchs Haus und durchs Kinderheim und der Geruch nach Feuchtigkeit ging mir nicht aus der Nase. Freunde erzählten uns vom vergangenen Winter in Lima, in dem es sehr viel geregnet hatte und alles sehr feucht war. Die Wände der Häuser und die Dächer sprechen Bände. Das feuchte Klima hinterließ schlimme Spuren und das nicht nur an Häusern sondern auch bei den Menschen. Nach vier Tagen Dauerniesel kam endlich die Sonne durch und die Temperaturen stiegen auf 28 Grad. Das schöne Wetter begleitete uns bis zum Schluss.

Im Heim wurden dieses Jahr 50 Kinder betreut, das Personal ist ein anderes. Trotzdem fühlten wir uns sofort wieder in die Heimfamilie integriert. Die Kinder, die uns noch kannten begrüßten uns stürmisch, auch ihre Mamas freuten sich mit uns. Mit Anita saßen wir Abende zusammen, um die Situation des Heims und die Pläne fürs kommende Jahr zu hören und zu diskutieren. Die Distanz, die wir nach einem Jahr zum Heim haben, gab uns die Möglichkeit, vieles mit anderen Augen zu sehen und zu hinterfragen. Auch das Treffen mit den Vorstands- und Vereinsmitgliedern in Lima war sehr interessant und ist wichtig für unsere Arbeit hier in Deutschland. In der letzten Woche vor Weihnachten durften wir an den Aktivitäten des Heims teilnehmen. Pater Klock hielt seinen traditionellen Weihnachtsgottesdienst. Anschließend gab es ein leckeres Weihnachtsessen, gegrilltes Hähnchen mit Pommes frites. Meine kleine Tischnachbarin sagte mir sie esse es zum ersten Mal. Nachmittags gab’s Geschenke. Jedes Kind vom Kindergarten in unserer Heimatgemeinde Bargau hatte uns ein kleines Geschenk für ein bestimmtes Kind im Heim mitgegeben. Mit großer Spannung wurden die Päckchen geöffnet. Viele gaben mir zum Dank ein selbstgemaltes Bild oder einen Brief mit für die Kinder in Deutschland. Der nächste Tag wurde von Kindern und Personal gestaltet - Tänze, Lieder und Theater standen auf dem Programm. Abschließend gab es eine heiße Schokolade und ein Panetton für alle. Die Heimbäckerei hatte fast 300 Panettones produziert und erfolgreich verkauft. Jede Familie bekam zum Abschluss einen Panetton mit nach Hause. Mit feuchten Augen verließen viele Kinder an diesem Tag das Heim.

Einen Monat wird das Heim nun geschlossen sein und das bedeutet für viele ungewisse Aussichten auf eine Mahlzeit jeden Tag. Ein Monat in Lima - es war einerseits eine Mischung aus lebendigen, offenen Begegnungen, frohen Festen, andererseits war aber auch immer die Konfrontation mit der harten Realität, die da heißt täglich ums Überleben zu kämpfen. Die Situation wurde für die Peruaner nicht einfacher, im Gegenteil. Kurz bevor wir durch die Schranke in die Abflughalle gingen, blickten wir in viele Gesichter die uns bis zum Flugplatz begleitet hatten. Wir ließen Familie, Freunde, Kinder und deren Mütter zurück, die uns alle am Herzen liegen. Lebensgeschichten und Lebensbedingungen, die uns hier in Deutschland nicht so einfach wieder zur Tagesordnung übergehen lassen werden.

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