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     Erfahrungsberichte von 1996 - 2009
     in chronologischer Reihenfolge

Christine Dolderer de Huaylinos

  1996 - 2001

Als ich im September 1994 nach Peru aufbrach, um dort im Kinderheim Tablada ein Praktikum für mein Studium abzuleisten, hätte ich es mir nicht träumen lassen, dass aus einem halben Jahr insgesamt fast sieben Jahre werden würden:

> sieben Jahre, in denen ich mich am “Puls des Lebens” gefühlt habe,

> sieben Jahre, die ich als die am intensivsten gelebten Jahre bezeichnen würde,

> sieben Jahre, die mich für mein Leben geprägt haben,

> sieben Jahre, in denen ich Dinge gelernt habe, die man in keiner Ausbildung und keinem Studium lernen kann,

> sieben Jahre, die auch mein persönliches, privates Leben verändert haben.

Es ist schwierig, diese Zeit in ein paar Sätzen zusammenzufassen. Doch ich möchte versuchen, einige wichtige Erfahrungen herauszustellen.

Einige Jahre vor Peru hatte ich schon ein soziales Jahr in einem Armenviertel der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires gemacht und hatte mir vorgestellt, mit den Erfahrungen aus dieser Zeit für Tablada eigentlich ganz gut gewappnet zu sein. Doch was ich dort antraf, war noch um einiges ärmer, trostloser und deprimierender - ich war zu Beginn sehr schockiert und traute mich kaum in die Umgebung des Heims.

Sprachprobleme hatte ich keine und das Einleben wurde mir von den Heimleitern und besonders den Kindern ziemlich leicht gemacht, so dass ich mich schon bald sehr wohl fühlte.

In diesem Praktikum bekam ich einen Einblick in die vielfältigen Arbeits- und Aufgabenbereiche des Heims. Es war vor allem eine Zeit

> des Zuhörens, Fragens und Kennenlernens,

> der Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur und sozialen Gegebenheiten,

> die täglichen Überlebenskämpfe unserer Familien zu begleiten und einen Einblick in deren Realität zu bekommen,

> in der mir klar wurde, dass hier ein Ort war, an dem ich mich gerne für eine längere Zeit engagieren möchte.

Zurück in Deutschland setzte ich mich mit Roland Lauber in Verbindung und schilderte ihm mein Vorhaben. Nach vielen Gesprächen, auch mit den Ordinariaten der Diözesen Rottenburg und Freiburg, sowie der AGEH, der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe in Köln kam ein 3-Jahresvertrag zustande, der dann nochmals um drei Jahre verlängert wurde.

Nach vier Monaten intensiver Vorbereitung in Köln, stand meine Ausreise nach Peru für Juli 1996 fest.

Als entsandte Fachkraft und Mitarbeiterin für das Heim war ich nun mit ganz anderen Aufgaben und Erwartungen von seiten des Vereins in Deutschland, des Vereins in Peru und natürlich auch von der Heimleitung und dem Personal konfrontiert. Mein Einsatz war vor allem für den pädagogischen Bereich geplant, was sich jedoch schon bald nach meiner Ankunft änderte.

Ein Wechsel in der Heimleitung, Anita übernahm im August 1996 die Leitung, löste verschiedene tiefgreifende Veränderungen aus. So war mein erstes Jahr ausgefüllt mit organisatorischen Aufgaben, bei denen es darum ging, innere Strukturen neu zu gestalten, neue Richtlinien zu erstellen, Unterstützung von staatlichen Institutionen zu suchen ... .

In diesem Jahr bekam ich bei vielen Behördengängen einen sehr guten Einblick in die peruanische Bürokratie. Ich lernte, dass man sich nicht so schnell unterkriegen, abwimmeln, vertrösten lassen darf, auch Gelassenheit und Geduld zu üben. Und irgendwann musste ich auch einsehen und vor allem akzeptieren, dass in Peru die Uhren einfach anders gehen als in Deutschland.

In den folgenden Jahren lag der Schwerpunkt meiner Arbeit in der Organisation der Heimwerkstätten, der Schreinerei, der Bäckerei und der Schneiderei. Es ging um ein großes Ziel - mit den Erträgen aus diesen Werkstätten, das Heim zu unterstützen, um die Autofinanzierung. Dieses Ziel ist sicher nie ganz zu erreichen, doch mit vielen kleinen Schritten bewegt sich das Heim in diese Richtung. Diese drei Jahre waren für mich die interessantesten und schönsten. Wir arbeiteten in einem sehr guten Team zusammen, vor allem die Arbeit mit den Jugendlichen machte mir sehr viel Spaß. Sie zu motivieren und ihre Begabungen soweit zu fördern, dass als Ergebnis der Anstrengungen zum Schluß ein Produkt entstand, das zum Verkauf angeboten werden konnte und Absatz fand, machte unsere “Bäcker” und “Schreiner” stolz und gab ihnen Mut und Selbstvertrauen.

Die letzten zwei Jahre widmete ich mich dann mehr dem pädagogischen Bereich und konzentrierte mich dabei auf die Arbeit mit den Kindern zwischen 3 und 12 Jahren, stand den Erzieherinnen mit Rat und Tat zur Seite, den Müttern für Beratungsgespräche zur Verfügung.

Wenn ich diese Bereiche im nachhinein nun so beschreibe, kommen sie mir als Resultat meines Einsatzes ziemlich “armselig” vor. Doch hinter dem hier nur Angedeuteten steht eine Fülle aus Aktionen, Begeisterung, Einsatzfreude sämtlicher Mitarbeiter, viele Gespräche, nächtelange Diskussionen, Neues versuchen, Scheitern, verbissenes Arbeiten, mit dem Kopf durch die Wand, Enttäuschung, Tränen, Freude, Geselligkeit - es gab alles - Höhen und Tiefen und es war einfach nur SCHÖN!!!

Das Kinderheim und seine Umgebung waren nicht nur Arbeitsstelle für mich und meine Familie, all dies war auch für einige Jahre unser Leben. Eine ganz wichtige Erfahrung gewann ich aus den Einblicken in die Welt und das Leben unserer Kinder und ihrer Familien.

Der peruanische Befreiungstheologe Gustavo Gutierrez sagte einmal:” Um wirklich den Armen nahe sein zu können, muss man Freunde unter den Armen haben. Freunde unter den Armen zu haben bedeutet, die Armen beim Namen zu kennen, ihr Leben und ihren Lebensstil zu schätzen.”

Aufgrund meiner ganz anderen Ausgangssituation konnte ich auch nach all diesen Jahren in Tablada diese Realität nie ganz verstehen - ich hatte immer mein Rückflugticket in der Tasche und damit die Option auf ein einfaches, bequemes Leben.

Trotzdem habe ich Freunde unter den Armen, den Jose, die Ana, den Luis und die Melissa und die vielen anderen, die ich kennengelernt habe, denen ich mich verbunden und nahe fühle.

Seit zwei Monaten sind wir nun in Deutschland und versuchen hier Fuß zu fassen. Die Umstellung ist nicht leicht, das Heimweh ist groß, vieles muss verdaut und verarbeitet werden. Zwei Welten stoßen plötzlich aufeinander, die in krassem Gegensatz zueinander stehen. Immer wieder stelle ich Vergleiche an, urteile und ver-urteile, obwohl ich weiß, dass dies nicht sein darf und auch nicht kann. Die Realitäten Perus und Deutschlands sind zu verschieden, und jede hat ihre Berechtigung. Vielleicht ist es das Mitleben in einer anderen Kultur, das uns unsere eigene besser verstehen lässt.

Was für mich nach meiner Rückkehr das Wichtigste ist, mich nicht einfach von allem hier vereinnahmen zu lassen, die Realität Perus in mir wach zu halten und zu wissen, dass die Arbeit mit und für andere uns ganz besonders auch hier betrifft.

Genießen wir unsere Advents und Weihnachtszeit, sie ist doch eine ganz besondere Zeit im Jahr, und lassen wir die anderen an unserem Glück teilhaben.

Allen Spendern und Wohltätern danke ich ganz besonders für die Treue zum Kinderheim und die Unterstützung seiner Arbeit. Ich wünschte, jeder von Ihnen könnte die Kindergesichter einmal “live” sehen, wenn sie glücklich und ausgelassen im Heim spielen. Dies wäre der beste Dank für all Ihr Bemühen.

Ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest wünsche ich Ihnen -

“Feliz Navidad”

Christine Dolderer de Huaylinos

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Jürgen Kretz 

28. 11. 2001 - 28. 02. 2002 - Nr. 2

In den Wochen vor Weihnachten arbeitete ich weiter als Hausmeister und Gruppenbetreuer wie zuvor.

Mitte Dezember begannen für die Kinder, da sie unterschiedliche Schulen besuchen, nach und nach die Ferien, so dass immer mehr Kinder den ganzen Tag im Heim verbrachten, bis schließlich alle ganztags ins Heim kamen.

Das veränderte die Heimroutine vollständig. Nun war ständig die doppelte Anzahl Kinder da, außerdem fiel die Hausaufgabenbetreuung in der Gruppenarbeit weg, was mehr Vorbereitung nötig machte.

Am zweiten Dezemberwochenende nahmen wir mit Produkten der Heimschreinerei am Weihnachtsbazar der deutschen Gemeinde in Miraflores teil.

Am dritten Advent gingen wir mit allen Kindern des Heims zum Gottesdienst der deutschen Gemeinde. Nach der Messe wurde jedes einzelne Kind von einer Familie aus der Gemeinde eingeladen, mit ihnen zu Mittag zu essen, einkaufen zu gehen, etc. Um 16 Uhr holten wir die Kinder wieder an der Kirche ab. Alle waren glücklich über die Geschenke, die sie erhalten hatten, und den schönen Tag, den sie verbracht hatten.

Am Donnerstag vor Weihnachten war dann der letzte Tag im Heim mit einer kleinen Feier. Es wurden Sketche und Tänze von den Kindern und uns Betreuern aufgeführt. Zum Abschluss erhielten alle ein kleines Weihnachtsgeschenk.

Am Heiligabend kamen meine Freundin und zwei Freunde zu Besuch. Mit ihnen reiste ich für zwei Wochen nach Ayacucho, Cusco und Pisco.

Nach meiner Rückkehr begann auch für mich die alljährliche Heimrenovierung. Unter anderem strichen wir die Gruppenräume, den Speiseraum und die Bäckerei, brachten Strohmatten als Deckenisolierung an, lackierten die Türen und reparierten Bänke und Tische.

Während dessen begann über mehrere Wochen verteilt ein Kurs des Psychologen José Maria Machado zum Thema Werte und persönliche Entwicklung.

In der zweiten Februarwoche begannen die ersten Kinder ins Heim zu kommen, allerdings erst nur zum Essen.

Ab der dritten Woche kamen etwa 30 Kinder wieder regulär ins Heim. Allerdings bestanden noch keine Gruppen. Ständig kommen neue Kinder dazu, die Höchstzahl wird 60 sein.

Wir betreuten die Kinder zu fünft, Vinciane, Natalie, Anita, Gaston und ich.

Ursprünglich war geplant, mit zwei peruanischen hauptamtlichen und zwei ausländischen freiwilligen Erziehern die Kinder zu betreuen.

Ich sollte mit Javier die Schreinerei übernehmen.

Da Patti aber überraschend kündigte, und die Einstellung ihres Nachfolgers Luis sich um eine Woche verzögerte, war ich bei den Kindern und begann erst in den letzten Februartagen in der Schreinerei. Als weitere Neuerung bestehen nun zwei Gruppen, in denen Kinder aller Altersstufen gemischt sind. Es gibt keine Gruppen der Großen und Kleinen mehr. Dadurch soll erreicht werden, dass Ältere und Jüngere von einander lernen.

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Jürgen Kretz

29. 02. 2002 - 28. 05. 2002 - Nr. 3 

Seit Ende Februar arbeite ich in der Schreinerei unseres Heimes. Dort bin ich mit Javier, 18, der Im Heim wohnt, und Brian, 17, verantwortlich, mit einigen Kindern Holzspielzeuge zum Verkauf herzustellen. Unsere Produkte werden auf Festen oder Märkten, wie zum Beispiel in der deutschen Schule, oder der deutschen Gemeinde verkauft.

Nebenher bin ich weiterhin als Hausmeister tätig und mache viele Erledigungen für das Heim mit dem Auto. Außerdem verkaufen wir nach wie vor jeden Sonntag die Produkte unserer Bäckerei in der deutschen Gemeinde in Miraflores.

Mitte März fuhren wir mit allen Kindern an den Strand. Ein Bus fuhr uns an einen etwa eine Stunde südlich gelegenen Strand. Dort verbrachten wir mit den Kindern den ganzen Tag.

Am 1. April begann für die Kinder endlich wieder die Schule. Sie hatten über drei Monate Ferien gehabt. Für die regulären Gruppen bedeutet der Schulanfang, dass jetzt die Hälfte der Zeit für die Hausaufgaben vorgesehen ist, und wenig Zeit für Projekte usw. bleibt. In der Schreinerei sind die Kinder aus dem selben Grund nun weniger.

Mitte April reiste ich für eine Woche nach Bolivien auf das Seminar der AGEH für jugendliche Freiwillige. Das Seminar hat mir viele wichtige Denkanstöße gegeben und war eine gute Möglichkeit, andere Jugendliche in der gleichen Situation kennenzulernen.

Anfang Mai spendeten Mitglieder der Gemeinde in Miraflores eine Marienstatue, die mit einem Einweihungsgottesdienst im Heim aufgestellt werden sollte. Für die Statue sollte eine Grotte, ein Podest gebaut werden. Hierfür schlug ich eine entsprechende Niesche in eine Felswand auf der Terrasse im Hof und baute darin eine Grotte aus Natursteinen.

Eine Woche später schlug mir Anita vor, für die Familie zweier Heimkinder eine Holzhütte zu bauen.

Sie leben mit ihrer Mutter und ihrem kleineren Bruder in einer kleinen Hütte aus Schilfmatten und schlafen alle in einem Bett. In ihrer Nachbarschaft gibt es weder Strom noch Wasser.

Da das Heim solche Projekte nicht zahlt, verwendete ich private Spendengelder, die mir zur Verfügung standen.

In drei Tagen sägte ich die einzelnen Teile im Heim zurecht. Danach stellten wir die Hütte auf dem Grundstück der Familie auf.

Im Augenblick fehlen der etwa 13 qm großen Holzhütte mit Zementboden noch die Wandverkleidung und das Dach.

Diese Arbeit macht mir sehr viel Spass, da es genau das ist, was ich mir vorher, als ich noch in Deutschland war, vorgestellt hatte.

Nach neun Monaten fühle ich mich hier immer noch sehr wohl, allerdings ist mir in Vielem der Wille, Neues anzupacken, oder etwas umzukrempeln, verloren gegangen und ich denke schon wieder daran, wie mein Leben in Deutschland weitergehen wird.

Inzwischen ist die Hütte der Familie LLamoca fertig. Im Folgenden eine Dokumentation der verschiedenen Phasen ihrer Entstehung:


Zunächst sägen wir die Balken im Heim zu.


Die Kinder bringen die Balken zur vorbereiteten Baustelle.


Dort wird die Fachwerkkonstruktion aufgestellt.


Unsere Kinder bei der Arbeit


Walter (links) und Javier mit dem "Rohbau"


Luis - das jüngste Kind der Familie Llamoca


Eine wohlverdiente Pause im Inneren der neuen Hütte


Geschafft! Nach zwei Wochen Bauzeit ist die Hütte endlich fertig.

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Jürgen Kretz

29.05. - 28.08 2002 - Nr 4

Bis zum 1. Juni bauten wir weiter an der Hütte der Familie Llamoca. Die folgenden Wochen arbeitete ich wie gewöhnlich als Hausmeister

Mitte Juni kehrte Vinciane nach Belgien zurück. Deshalb begann ich wieder, wie im Jahr zuvor, morgens als Hausmeister und mittags als Gruppenbetreuer zu arbeiten, allerdings ohne geregelte Einteilung.

Da der Winter und damit der Regen angefangen hatte, stellte sich heraus, dass an vielen Stellen das Dach des Heimes undicht war. Das Problem ist, dass die Eternitplatten im ganzen Heim nur wenige Zentimeter übereinander lappen. An manchen Stellen waren bereits in den Jahren zuvor kleine Stücke eingefügt worden, was jedoch nicht ausreicht. Da die Büros am stärksten betroffen waren, reparierten wir dort das Dach, die restlichen Räume blieben jedoch wie zuvor.

Anfang Juli kündigte Gastón, einer der Erzieher. Deshalb arbeitete ich für eine Woche fest mit Natalie in einer der Kindergruppen, um ihn zu ersetzen.

Mitte Juli nahm seine Nachfolgerin Silvia die Arbeit im Heim auf und ich wechselte in die Schreinerei. Wir stellten Puzzles und Holzspielzeug auf Bestellung einer Urwaldschutzorganisation her.

Am 4.Juli feierte das Heim sein 17. Jubiläum. In Peru ist es üblich, in Institutionen jedes Jubiläum groß zu feiern. Deshalb fand bereits in der Woche vorher ein Sonderprogramm statt, zusätzlich hatten alle Kinder gerade Schulferien.

In drei Gruppen gemischt aus allen Altersschichten, Natalie und ich leiteten eine der Gruppen, nahmen die Kinder an zahlreichen Wettbewerben teil. Jeden Tag musste eine andere Disziplin, wie z.B. den Gruppenraum zu schmücken, ein Fußballturnier oder eine Schatzsuche gemeistert werden. Am letzten Tag gab es eine Feier mit den Kindern. Am Samstag fand ein Treffen der Ehemaligen des Heimes statt.

In der folgenden Woche unternahmen wir einen Tagesausflug mit den Kindern nach Sta. Eulalia, wo in dieser Jahreszeit im Gegensatz zu Lima immer die Sonne scheint. Die Kinder genossen es, für einen Tag aus dem Nebel zu kommen und in einem Fluss zu baden.

Am 20. August kam dann mein Nachfolger Stanislaus Teichmann an. Die letzte Woche verbrachte ich damit, ihn in die Arbeitsbereiche einzuführen und die letzten Arbeiten zu Ende zu bringen.
Ich bin sehr froh, die Möglichkeit gehabt zu haben, meinen Anderen Dienst im Ausland hier in Tablada zu leisten.

Ich habe viele wichtige Erfahrungen gemacht und einen kleinen Beitrag zur Arbeit des Heimes leisten können.

Ich bin Anita und dem ganzen Heim sehr dankbar, so freundschaftlich aufgenommen worden zu sein und hier ein schönes, wenn auch nicht immer leichtes Jahr verbracht zu haben.

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Nina Kestermann

Dezember 2002 - Nr. 1

Hallo an euch alle,

endlich komme ich dazu, euch ausführlicher von meinen Erlebnissen hier in Lima zu berichten. Ich habe in den eineinhalb Monaten schon so viel erlebt, dass mir der Ankunftstag schon ganz weit weg vorkommt. Aber damit werde ich jetzt trotzdem mal anfangen:
Wir wurden von Jürgen Huber aus der deutschen Gemeinde am Flughafen abgeholt und durften gleich erleben, wie der Verkehr auch ohne viele Vorfahrtsregeln, dafür aber mit umso mehr Hupen und schneller Reaktion funktionieren kann. Und ich muss sagen, ich hab mich bis jetzt noch nicht richtig daran gewöhnt.
Wir kamen aber alle vier heil in Surquillo (Stadtteil von Lima) an. Dort wurden wir von Padre Gildo und der Gemeinde herzlich empfangen, waren aber froh, als wir um ca. vier Uhr morgens ,nach deutscher Uhrzeit, endlich in unsere Betten liegen und schlafen konnten. In der “casa de retiro” hinter dem Pfarrhaus hatten wir jeder ein kleines Zimmer mit Bett und Regal, das ein bisschen an eine Gefängniszelle erinnerte.
Der nächste Morgen begann, mangels warmen Wassers, mit einer äußerst erfrischenden Dusche. Danach lernten wir Padre Gildo, der die folgenden drei Wochen für uns verantwortlich war, besser kennen und waren gleich begeistert von seiner offenen, lustigen Art. Ein wahrer Alleinunterhalter, genau das richtige für den Anfang!
Während Carola und Ute jeden Morgen drei Stunden Spanischunterricht hatten, begleiteten Christoph und ich Gildo von nun an immer bei seiner Arbeit. Dadurch lernten wir auch sehr bald die berühmt, berüchtigte “hora peruana” kennen, die peruanische Unpünktlichkeit. Wir besuchten Familien, Schulen, einen Kindergarten, ein Krankenhaus und vieles mehr.
Mittags gab es immer Programm für uns alle: Ausflüge ins Zentrum von Lima oder in andere Stadtteile, ein Besuch in einem Heim für behinderte Kinder oder das Erledigen von organisatorischen Dingen.
Das alles war sehr interessant, aber der Gegensatz zwischen arm und reich, und z.B. die Zustände in diesem Heim waren auch echt schockierend. Gleich am ersten Wochenende gab es eine Überraschung für uns: Angel, der Bruder von Gildo fuhr mit uns mit dem Bus die Panamericana hinunter nach Ica. Dort übernachteten wir in einer Pension (mit warmer Dusche, juhu!) und machten am Samstag einen Ausflug nach Pisco, von wo aus wir in einem kleinen Motorboot zu den Paracas-Inseln fuhren.
An diesem Wochenende waren wir auch das erste Mal in einer Karaokebar (die sind hier sehr beliebt), was ziemlich amüsant war…
Der Sonntag begann mit der Besichtigung einer Wein- und Piscobrennerei, anschließend fuhren wir zur Oase “Huacachina” und zu guter letzt schleppten wir uns noch eine steile Sanddüne hinauf zum Sandboarden(so ähnlich wie Snowboarden, oder wie ich es bevorzugte, im sitzen, wie Schlittenfahren. Nur eben im Sand). Echt cool!
Ich hab mich gefühlt wie im Urlaub. War’s ja auch ein bisschen.
Sowieso hatte ich die gesamten drei Wochen in Surquillo noch dieses Gefühl im Urlaub zu sein, das erst hier in Tablada aufgehört hat.
Mit der Zeit lernten wir auch die anderen Leute, die im Pfarrhaus arbeiteten, besser kennen und auch die waren super nett, ein echter Glücksgriff. Carola und ich besuchen sie auch jetzt noch total gerne.
Nach zwei Wochen, genau pünktlich zum Termin unseres Seminartages über die peruanische Geschichte und Realität, kam dann, was irgendwann kommen musste: der Durchfall! Zusammen mit Fieber und krampfartigen Schmerzen, so dass ich den ganzen Tag im Bett verbrachte. Dank Carolas Medizin und dem Oreganotee der Köchin Carmen, habe ich mich aber schnell wieder erholt.
Es gab eigentlich kaum einen Tag ohne Programm. Auch die Spanischlehrerin Adriana lud uns einmal ein, den Kindergarten anzuschauen, in dem ihre Schwester arbeitet. Doch die Methoden dort gefielen und nicht so gut. Die Kinder durften kaum frei spielen, stattdessen hatten auch die kleinen schon ziemlich viel Unterricht, in dem sie aber fast nur abschrieben oder wiederholten, was die Lehrer sagten.
Vor unserem Aufbruch zu den verschiedenen Arbeitsstellen, kochten wir noch ein typisch deutsches Essen als Dankeschön für alles, was unser “padrecito” und die anderen aus der Gemeinde für uns getan hatten.
Die Zeit in Surquillo war echt super, vor allem als Einstieg und ist für alle weiteren Voluntarios nur zu empfehlen!!!
Am Montag, den 23. 09. trennten sich dann unsere Wege: Christoph und Ute fuhren zu ihren Einsatzstellen in Churin und Chimbote und Carola und ich wurden von Gildo nach Tablada gebracht.
Tablada ist ein sehr armes Viertel. Hier in der Umgebung des Heimes haben die Menschen sich über die Jahre hinweg kleine Häuser aus Stein oder Holzbrettern gebaut, die meistens nur aus einem einzigen Raum bestehen. Viele Familien haben auch kein fließendes Wasser oder Licht und es gibt kaum geteerte Strassen.
Das Heim, in dem wir arbeiten, wurde vor 17 Jahren gegründet. Es wird hauptsächlich durch Spenden aus Deutschland finanziert. Außerdem verdienen wir uns durch den Verkauf von Produkten aus der eigenen Schreinerei und Bäckerei noch ein bisschen etwas dazu.
Momentan arbeiten hier Anita, die Direktorin, Luis und Silvia, die beiden Erzieher, außerdem Ines, die sich um den pädagogischen Bereich kümmert, Jorge und Pio, die früher selbst im Heim waren und sich jetzt um Bäckerei und Schreinerei kümmern, Señora Julia und Señora Zoila, unsere Köchinnen, der abuelito, der im Gemüsegarten arbeitet und hausmeisterliche Tätigkeiten erledigt und Carmen, die Buchhalterin. Außerdem gerade noch Stanislaus, Carola und ich, die Voluntarios. Wir wohnen auch im Heim, jeder hat ein eigenes Zimmer, Küche und Bad teilen wir uns.
Stanislaus wird viel als Taxi-Stani gebraucht, d.h. er fährt den VW-Bus des Heimes, macht ein Projekt, in dem er mit den Kindern zusammen einen neuen Gemüsegarten anlegt und kümmert sich ansonsten um hausmeisterliche Arbeiten und alles, was sonst noch so anfällt. Carola und ich arbeiten in den Gruppen mit den Kindern mit. Wir haben insgesamt 46 Kinder, wobei die, die morgens Schule haben nur mittags da sind und umgekehrt. Die Kinder sind in zwei Gruppen aufgeteilt: Luis hat die, mit den Grosseren, Silvia die mit den kleineren Kindern.
Wir kamen also hier im Heim an und brachten erst einmal, von einem Haufen neugieriger Kinder umringt, unser Gepäck in unsere Zimmer. Den restlichen Tag genoss ich es total mein Zimmer einzurichten (endlich nicht mehr aus dem Koffer leben und endlich meine ganzen Fotos aufhängen!) Am Nachmittag gab es noch eine kleine “Bienvenida” von den Erziehern und Kindern und nach einem Abendessen bei Anita gingen wir auch bald ins Bett. Ich habe die ersten drei Wochen in der Gruppe mit den Kleinen verbracht. Gerade bin ich bei den Grossen, die deutlich ruhiger und weniger anstrengend sind. Im Laufe dieser Woche werden Carola und ich entscheiden, wer endgültig, oder zumindest für das nächste halbe Jahr, in welcher Gruppe bleibt.
Damit ihr euch ungefähr vorstellen könnt was ich die ganze Zeit über so mache, hier ein kurzer Tagesablauf:

7.00 die Kinder kommen, Frühstück
7.30 colaboraciones (die Kinder müssen mitarbeiten z.B. fegen, Bad putzen...)
8.00 wir frühstücken, die Kinder spielen draußen
8.30 wir gehen mit den Gruppen in die Räume, malen, basteln, machen Hausaufgaben, einige größere helfen in der Bäckerei oder beim Gartenprojekt mit
10.00 es gibt ein kleines Vesper und anschließend freies Spielen draußen
10.30 wir gehen wieder in die Räume
11.30 Umziehen für die Schule
12.00 Mittagessen für die Kinder vom Morgen
13.30 Mittagessen für die Kinder vom Mittag, anschließend freies Spielen
14.30 wir gehen in die Räume
16.00 colaboraciones
16.30 kleiner Imbiss
17.00 die Kinder gehen

So in etwa sehen die Tage unter der Woche aus, freitags haben wir außerdem immer noch Teambesprechung und jeden Sonntag verkaufen wir Vollkornbrot und Empanadas in der deutschen Gemeinde.
Die Arbeit macht mir schon Spaß, aber sie ist auch oft schwierig und anstrengend. Einerseits verstehe ich mich gut mit den Kindern, viele kommen auf mich zu und reden mit mir, wir spielen zusammen und sogar noch die Größeren kommen und wollen in den Arm genommen werden. Andererseits testen sie mich aber auch total aus, versuchen mich zu provozieren, lügen oft und streiten untereinander viel, verpetzen sich gegenseitig, bewerfen sich mit Sand oder anderen Sachen…
Besonders am Anfang haben sie auch überhaupt nicht auf mich gehört. Das wird zum Glück langsam aber sicher ein bisschen besser. Aber mit den Kleinen ist es immer noch schwierig.
Schoen ist, dass ich die einzelnen Kinder von Tag zu Tag besser kennen lerne und sich auch eine persönlichere Beziehung zu manchen entwickelt.
Gestern waren Carola und ich das erste Mal bei einer Familie zu Hause eingeladen. Es war sehr interessant, aber auch erschreckend, die Lebensverhältnisse der Kinder zu sehen: zwei Betten für eine Mutter und vier Kinder, ein einziger Raum für alle, der nur durch eine Plastikplane unterteilt ist, kein Licht, Wände teilweise aus Holzbrettern, das Klo ein Hüttchen aus Wellblech mit Vorhang vorne dran. Die Mutter war sehr offen und hat uns von ihren Problemen erzählt. Dass der Vater, der sie verlassen hat, keine Alimente zahlt, sie sich aber noch nicht einmal die Fahrt zu einem Anwalt leisten kann, um ihn zu verklagen. Außerdem wie schwer es ist eine regelmäßige Arbeit zu finden.
In Deutschland habe ich mir zwar auch schon Gedanken gemacht über den Gegensatz zwischen arm und reich und über mein Konsumverhalten, aber hier beschäftigt mich dieses Thema natürlich noch viel mehr, dadurch, dass man die Armut so nah erlebt.
Ich habe den Drang, unbedingt etwas dagegen tun zu wollen, aber auf was in meinem Leben würde ich dafür verzichten? Und wo setze ich die Grenze, dass ich sage soviel gönne ich mir noch, aber mehr nicht??? Diese Frage stelle ich mir oft, in allen möglichen Situationen.
Hier im Heim leben wir schon etwas abgesondert, wie in einer kleinen Oase und ich kann mir den Alltag der Kinder außerhalb des Heimes bis jetzt noch kaum vorstellen. Das macht es für mich schon manchmal schwierig, das Verhalten der Kinder zu verstehen.
Außerdem haben Luis und Silvia schon ein etwas anderes Verständnis von Pädagogik, als ich das aus Deutschland gewohnt bin.
Die Kinder übernehmen meiner Meinung nach selbst noch zu wenig Verantwortung und dürfen auch ziemlich wenig mitbestimmen, was gemacht wird. Die Erzieher legen sehr viel Wert auf Sauberkeit, Hausaufgaben und die Erfüllung der colaboraciones (fegen…), die jedes Kind im Heim hat. Das ist ja auch gut, ich finde es nur schade, dass es relativ wenig Zeit gibt, in der man etwas mit den Kindern machen oder planen könnte, was ihnen richtig Spaß macht.
Im Vergleich zu anderen peruanischen Einrichtungen ist Tablada jedoch sehr fortschrittlich. Außer, dass die Kinder von Montag bis Freitag kommen können, gibt es auch ein Programm, das die Mütter oder Väter unterstützt z. B. organisieren die Eltern sich und helfen sich gegenseitig beim Bau oder der Reparatur ihrer Häuser und treffen sich regelmäßig mit Anita, um Probleme zu besprechen. Auch in Punkten wie z.B. dem Übernehmen von mehr Verantwortung durch die Kinder will Anita gerade einiges ändern. Wenn alles klappt können Carola und ich außerdem bald mit einem eigenen Projekt anfangen, wo wir dann mehr Freiheit haben als in der Arbeit mit den Gruppen.
Nach der Arbeit bin ich meistens ziemlich kaputt und gehe nicht mehr groß weg, sitze noch mit Carola, Stanislaus, Pio und Jorge in der Küche oder gehe ins Internet, schreibe Briefe, spiele ein bisschen Gitarre und kämpfe mit den Flöhen, Kakerlaken und Skorpionen in meinem Zimmer. Auch daran, dass ich keine freien Wochenenden habe muss ich mich erst noch gewöhnen, denn außer dem Verkauf sonntags fallen auch ab und zu samstags noch andere Sachen an.
Ja, ich glaube das reicht für`s erste. Natürlich gibt es eigentlich noch viel mehr zu erzählen, aber das kann ich niemals alles aufschreiben. Wenn ich noch irgendwas vergessen haben sollte, was euch interessieren würde, könnt ihr gerne nachfragen und auch sonst freue ich mich natürlich immer über Post.

Liebe Grüße aus der Ferne

Macht`s gut

Nina

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Nina Kestermann

Januar 2003   Nr. 2

Liebe Freunde, Bekannte und Verwandte,
zuerst einmal wünsche ich euch allen nachträglich noch ein FROHES NEUES JAHR und hoffe, dass ihr Weihnachten und Silvester schön verbracht habt.
Es tut mir leid, dass ich es bei einigen von euch nicht mehr geschafft habe, mich noch einmal vor den Feiertagen zu melden. Ich war krank und habe mich dann erst in letzter Sekunde dazu entschieden, doch mit Vicente und Carola über Weihnachten nach Puno zu fahren, so dass ich mich nicht mehr melden konnte.
Aber mehr dazu später. Jetzt fange ich lieber von Anfang an: mit unserem ersten Zwischenseminar in Churin.
Los ging`s am Freitag, dem 31.10. und wie Christoph schon Wochen vorher, hatten auch wir nun das Vergnügen einer abenteuerlichen und vor allem holprigen Busfahrt hinauf in die Sierra. Dort angekommen waren wir drei Voluntarias aus hässlichen Küstenstädten gleich ganz begeistert und beeindruckt von der wunderschönen Landschaft, der ungewohnten Ruhe, der Natur,... herrlich! Untergebracht wurden wir im Haus von Padre Wilfredo, was sehr gemütlich war und wo wir mit allerlei leckerem Essen verwöhnt wurden. Noch mal ein ganz herzliches Dankeschön dafür! An diesem Tag besuchten wir noch die Thermalbäder in Churin und machten uns einen gemütlichen Abend. Am nächsten Vormittag stand dann die Auswertung unseres bisherigen Peruaufenthaltes auf das Programm. Unter der Leitung von Jürgen und Vicente redeten wir darüber, wie zufrieden wir mit der Vorbereitung in Freiburg und Surquillo waren und wie es uns an unserem Einsatzort, mit den Menschen, der Arbeit usw. geht. Am Nachmittag begleiteten wir Padre Wilfredo bei einem Ausflug in ein kleines Dörfchen hoch in den Anden. Außer wenigen Häusern (die aus Lehm gebaut sind und aufgrund der Kälte keine Fenster haben), einer Kirche und dem Friedhof gab es dort nichts. Das Leben der Leute dort besteht aus harter Arbeit auf dem Feld und sie haben keinerlei Aussichten auf Verbesserungen. Deshalb wandern sehr viele Jüngere ab in die Städte. Padre Wilfredo feierte eine Messe zum Gedenken des einjährigen Todestages eines Mannes aus dem Dorf. Danach wurden wir von dessen Familie ins Haus zum Essen eingeladen. Frisch gestärkt ging es weiter nach Oyon, einem etwas Grosseren Städtchen. Wir machten einen kleinen Rundgang durch die Stadt, wobei uns besonders der Brauch erstaunte, dass die Leute die Nacht zum 1. November auf dem Friedhof bei ihren Verstorbenen verbringen, dort feiern, saufen und ihrer Angehörigen gedenken. Etwas, dass in Deutschland unvorstellbar wäre. Ich finde es aber einen sehr schönen Brauch. Nach einem weiteren Gottesdienst in Oyon, mit einer sehr lebendigen Gemeinde und super Musik, machten wir uns auf den Heimweg und wurden zu unserer Überraschung sogar noch vom oyoner Radiosender gegrüßt. Am Sonntag fuhren wir dann mit dem Kombi ins 17 km entfernte Chiuchin, das Dorf, in dem Christoph arbeitet. Aufgrund der schlechten Strasse brauchten wir für diese Fahrt fast eineinhalb Stunden. Da versteht man, warum in Peru Entfernungen in Stunden angegeben werden und nicht in Kilometern. Das Internat, in dem Christoph arbeitet, gefiel uns allen auf Anhieb total gut und das Dorf und die Landschaft waren noch schöner als in Churin. David, Christophs Freund, führte uns ein bisschen herum, wir badeten in einem Thermalbad im Freien, kühlten uns zwischendurch im kalten Fluss ab, aßen frittierte Forelle, und ich muss zugeben, dass ich diese Umgebung echt gern mit Christoph getauscht hätte. Nach einem netten Abend in der Disco in Churin ging’s dann am nächsten Morgen wieder zurück nach Lima. Insgesamt war es ein echt schönes Wochenende, mit vielen, interessanten, neuen Eindrücken und auch mit viel Austausch und Gesprächen unter uns Voluntarios, was richtig gut tat. Vielen lieben Dank an Juergen und Vicente!

Zurück in Tablada, gab es für Carola und mich eine große Veränderung. Silvia, die Erzieherin von den Kleinen, musste von einem auf den anderen Tag entlassen werden. Zusammen mit Anita und Luis, beschlossen wir, dass Carola und ich die Gruppe übernehmen würden, bis wir eine neue Erzieherin gefunden hätten. Das Projekt, das wir eigentlich in diesen Tagen anfangen wollten, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben und los ging die Arbeit. Die erste Woche blieb Anita noch mit uns in der Gruppe, um einige Dinge zu ändern und uns zu unterstützen. Und ich muss sagen, ich war fasziniert, wie gut Anita mit den Kindern umging! Sie ließ ihnen viel mehr Freiheit, als sie das bei Silvia hatten, doch das war gar kein Problem, weil Anita Autorität bei den Kindern hat ohne viel Druck oder harte Strafen. Sie schafft es einfach durch ihre Art, die Kinder für etwas zu begeistern.

Tja, und dann wurde es ernst: unsere erste Woche ganz allein! Für Carola und mich war das eine große Herausforderung und wir freuten uns über die Chance, unsere eigenen Ideen zu verwirklichen, unseren eigenen Stil haben zu können. Natürlich hatten wir auch so unsere Bedenken, doch zumindest bei mir war die Motivation größer. Das sollte sich jedoch bald ändern. Die ersten Tage lief alles noch ganz okay, doch nach der zweiten Woche mussten wir uns eingestehen, dass diese Arbeit viel schwerer ist, als wir es uns vorgestellt hatten. Wir haben einfach nicht die Autorität, die Anita hat. Die Kinder nutzten ihre neue Freiheit natürlich sofort aus und begannen die Grenzen auszutesten.
Sie verschlugen sich viel, zum Teil auch mit Stöcken, machten gerade Gebasteltes oder Gemaltes kaputt, einer pinkelte in einen Topf aus der Puppenküche, nannten uns immer “mala” (böse) oder “fea” (hässlich), schlugen mit Steinen den Putz von der Wand, etc.
Erschwerend kam dann noch hinzu, dass wir die Türe von unserem Gruppenraum nicht richtig abschließen konnten und die Kinder so morgens, wenn wir gerade erst kamen oft schon alles verwüstet hatten. Insgesamt fand ich es echt schade, wie wenig Zeit uns blieb, um wirklich etwas zu spielen oder zu basteln. In diesen Wochen wurde meine Geduld wirklich hart auf die Probe gestellt. Abends nach dem Arbeiten waren wir beide immer total geschafft.
Damit das hier jetzt nicht zu negativ klingt, muss ich auch erwähnen, dass es durchaus einige Fortschritte gab in der Zeit. Zum Beispiel klappte es von Tag zu Tag besser, dass sie sich morgens die Zähne putzten, bevor wir in den Raum gingen, wir lernten, wie man jedes einzelne Kind verschieden behandeln muss, es gab Tage, an denen sie richtig gut aufgeräumt haben und besonders bei den Ausflügen jeden Mittwoch aber auch bei anderen Aktivitäten waren sie manchmal echt begeistert dabei. Doch trotz mancher schöner Situationen, fühlten wir uns mit der Gruppe insgesamt überfordert. Deshalb bekamen wir ab Dezember Unterstützung von Jenny, einer Mutter mit einer ganz lieben, sympathischen Art und vor allem einem total ansteckenden Lachen. Den Mangel an Autorität bei den Kindern, den auch sie hatte, versuchte sie durch sehr lieben Umgang mit den Kindern und Versprechungen von Schokolade und Ausflügen ans Meer auszugleichen. Letzteres störte mich etwas, doch nachdem wir darüber gesprochen hatten, wurde es auch besser. Zu dritt war es schon spürbar weniger stressig und das verbesserte sich noch, als das Problem mit der Türe endlich geregelt war. Aber uns fehlte einfach eine klare Linie in der Gruppe, jemand mit Erfahrung, der das Ganze leitet.

Die letzte Woche vor Weihnachten war dann noch mal richtig schön, mit Jahresabschlussfeier, Vorführungen der Kinder und zu deren Belustigung auch von uns, Gottesdienst, Abschlussessen, Theater etc. Leider konnte ich bei all dem nicht immer dabei sein, weil mich mal wieder der Durchfall erwischt hatte und ich ein paar Tage in meinem Zimmer blieb. Wenn ich dann irgendwann runterkam und die Kinder zu mir gerannt kamen: “Wo warst du denn?” oder “Guck mal, wir beide haben heute Morgen ganz allein aufgeräumt!” dann hab ich mich richtig gefreut. Irgendwie hab ich sie halt trotz allem lieb gewonnen.
Am 20.12. haben wir noch die Auswertung des Jahres mit dem ganzen Personal gemacht und am selben Abend war für Vicente, Carola und mich die Fahrt nach Arequipa geplant. Vicente hatte uns nämlich eingeladen Weihnachten mit ihm in Cuyocuyo zu verbringen, einem kleinen Dorf in den südlichen Anden. Aufgrund meines Durchfalles habe ich mich eigentlich dazu entschlossen gehabt, eben doch in Tablada zu bleiben. Jetzt, nach der Reise, bin ich unglaublich froh, dass ich diesen Entschluss kurz vor knapp doch noch umgeschmissen habe und mitgefahren bin. Denn sonst hätte ich echt wahnsinnig viel verpasst!!! Und mein Durchfall hat außerdem zum Glück schon ganz am Anfang aufgehört.

Am 21. 12. kamen wir also in Arequipa an, in der “weißen Stadt”, weil viele Häuser aus Sillar, einem weißen Vulkanstein gebaut sind. Wir besichtigten das Kloster “Santa Catalina” und waren beeindruckt von den kräftigen Farbtönen der Mauern, die einen Kontrast zum weißen Sillar bildeten. Hätte es dazu noch einen typisch blauen Arequipa-Himmel gegeben,...dann wäre alles natürlich noch viel schöner gewesen.
Nach dem Mittagessen habe ich mich noch etwas im Haus der Franziskaner, wo wir übernachten durften, ausgeruht (durch den langen Durchfall war ich noch nicht richtig fit) während Carola und Vicente weiter die Stadt besichtigten. Am nächsten Tag ging’s weiter mit dem Bus über die westliche Gebirgskette der Anden. Durch karge Fels- und Steinwüste, die ihre ganz eigene Art einer “rauen Schönheit” hat. Wir fuhren bis Juliaca, einer Stadt im Altiplano, der Hochebene, die auf ca. 4000 m liegt. Diese enorme Höhe machte sich bemerkbar, als wir die Treppe zum Haus hoch laufen wollten. Da kamen wir ganz schön ins Schnaufen! Aber nach einem leckeren Koca-Tee ging’s uns gleich besser. Nach einer Nacht im Haus der Diözese fuhren wir am nächsten Morgen weiter nach Cuyocuyo. Schon die Abfahrt in Juliaca war total spannend. Überall triciclos (so eine Art Fahrradtaxis mit drei Rädern, auf denen entweder zwei Passagiere oder auch Schafe, Schränke und alles mögliche befördert werden), Frauen in Trachten, Verkaufsstände mit allem, was das Herz begehrt, es herrschte eine richtige Geschäftigkeit. Dicke Gepäcksäcke wurden auf dem Dach des Busses verstaut und auch im Mittelgang zwischen den Sitzen, für fast 10 weitere Passagiere zum draufsetzen. Wir saßen ganz hinten und mussten über alles drüberklettern, wenn wir wieder raus wollten. Das war der erste Bus ganz ohne Touristen, die Frauen in ihren Trachten, es wurde quechua gesprochen und ein Geruch von Koka hing in der Luft. Die Leute dort kauen so viele Kokablätter, dass sie schon danach riechen. Eine geteerte Strasse gab es nicht mehr, so dass wir gut durchgeschüttelt wurden. Aber das machte nichts, erst als ich aufs Klo musste wurde es etwas unangenehm ;-)
Wir überquerten die östliche der beiden Gebirgsketten, die Landschaft wurde deutlich grüner. Dort wächst ichu, eine sehr widerstandsfähige Grassorte, von der sich die Alpacas ernähren. Nur Bäume hat es leider wenige, die wären nämlich sehr gut für’s Klima. Und dabei weiß doch jeder, wo ein Baum wächst, da kann auch eine Million wachsen, gell Vicente ;-)
Das ist einfach eine total andere Welt als Lima. Genau das Bild von Peru, wie man es sich in Deutschland vorstellt. Nach acht Stunden Fahrt kamen wir in Cuyocuyo an, einem 250- Einwohner-Dörfchen in einem engen Tal, dessen steilste Hänge bis in atemberaubende Höhen noch aus der Inkazeit terrassiert und somit bebaubar sind. Die Häuser des Dorfes sind aus Naturstein, (wunderschön!) und es wird noch sehr viel Wert auf die alten Traditionen gelegt. Die älteren Frauen tragen noch alle ihre Trachten und Autoreifensandalen. Außerdem sprechen die Einwohner sowohl spanisch als auch quechua (die Sprache der Inkas). Wir durften im Haus der Pfarrei wohnen, wie eigentlich überall, wo wir hinkamen. Sehr praktisch, mit einem Pfarrer unterwegs zu sein!
Den 24. 12. begannen wir mit einem Spaziergang durch das Dorf und seine Umgebung. Danach wurden wir bei einem Freund von Vicente zum Essen eingeladen und ich hab mein erstes halbes Meerschweinchen gegessen. Das hätte ich mir in Deutschland auch nie erträumen lassen. War aber richtig lecker! Gegen Abend gab es dann ein Krippenspiel mit echtem Baby und Esel, nur leider im Regen, danach war Gottesdienst und daraufhin gingen wir los, um in den verschiedenen Häusern die Krippen zu segnen. Im ersten Haus lag eine Frau im Bett, die seit zwei Jahren krank ist. Kein Arzt kann ihr helfen. Als sie uns sah, begann sie bitterlich zu weinen und erzählte Vicente von ihrem Leid. Er tröstete sie und versicherte ihr, dass sie nichts falsch gemacht habe und ihre Krankheit keine Strafe Gottes sei. An diese Frau, deren größte Sorge es war, dass sie das Studium ihres ältesten Sohnes nicht mehr bezahlen kann, muss ich noch oft denken, habe genau dieses Bild vor Augen. So traurig der Besuch bei ihr auch war, so war es trotzdem schön, ihre Freude, darüber, dass wir sie besucht haben zu spüren und ihre Erleichterung darüber, dass Gott sie nicht bestrafen will, sondern ihr ganz nahe ist. Nachdem wir noch ein paar Krippen gesegnet hatten, gingen wir ins Pfarrhaus zurück, wo sich die Jugendgruppe der Gemeinde gerade zu ihrer Weihnachtsfeier traf. Wir wurden sofort von einer Schar neugieriger Mädchen umringt, die alles Mögliche wissen wollten über Deutschland und unser Leben dort. Sie machten dann ein paar Tanzspiele und wollten, dass wir ihnen auch eines aus Deutschland beibringen. Unser erster Versuch mit “Laurenzia” scheiterte aber schon bei “Mittwoch” daran, dass wir die Höhe nicht gewohnt waren und uns die Luft ausging. (Alle Pfadis, die “Laurenzia” kennen, wissen, was ich meine) Ich hab ihnen dann “I`m singing in the rain” beigebracht, was sehr witzig wurde und ihnen glaube ich echt gefallen hat. Dann gab`s noch Geschenke, heiße Schoko und Panetòn (so ne Art Hefezopf). Ja, das war mein Heiligabend 2002, am Ende der Welt. Es war ungewöhnlich, ich hab mich nicht richtig wie an Heiligabend gefühlt, weil der für mich seit 19 Jahren immer nach dem gleichen Muster abläuft, aber trotzdem sehr schön.
Der erste Weihnachtsfeiertag (in Peru der einzige) fing auch gleich viel versprechend an: es gab einen Sing- und Tanzwettbewerb der Kinder der Dorfes. Schon die Kleinsten hatten ihre Trachten an und machten mit. Zu typischer Musik mit Trommel, Panflöte und Gitarre sangen und tanzten die Kinder so gut sie konnten. Ich war echt beeindruckt! Hoffentlich werden meine Fotos was. Als der Wettbewerb vorbei war, fuhren wir zusammen mit den Jugendlichen aus der Gruppe eine dreiviertel Stunde weiter ins nächste Dorf, um dort Gottesdienst zu feiern. Davor gingen Vicente, Carola und ich noch schnell Mittagessen. Diesmal gab`s Alpaca, auch sehr zu empfehlen. Als uns dann das Auto abholen sollte staunte ich nicht schlecht: es war ein Lieferwagen und die ganzen Jugendlichen standen auf der Ladefläche. Also gut, wir kletterten hoch und los ging die Fahrt. In dem Dorf, in dem wir ankamen, schien es, als hätten die Einwohner vorher noch nie Gringos gesehen. Die Kinder hatten teilweise sogar etwas Angst vor uns. Nach dem Gottesdienst wurden wir noch sehr herzlich zum Essen eingeladen. Es wurden Kartoffeln auf Tüchern auf die Wiese gelegt, dazu stellten sie große Schüsseln mit Salat-Thunfisch-Gemisch. Wir setzten uns im Kreis um das Essen auf den Boden und aßen alles mit den Fingern. Nach einer leckeren Suppe zogen wir dann los und Vicente segnete noch ungefähr die Hälfte aller Häuser des Dorfes. Immer, wenn wir gerade gehen wollten, kam noch mal jemand, der auch einen Segen haben wollte.
Mit den Jugendlichen hatten wir uns für den nächsten Morgen zum Schwimmen in einem Thermalbad im Freien verabredet. Als wir mit einer halben Stunde Verspätung am Treffpunkt ankamen, war allerdings noch niemand da. Wir haben uns wohl doch noch nicht genug an die “hora peruana” angepasst. Kurz später kam ein Mädchen, sie war aber die einzige, die überhaupt kam. Zusammen liefen wir aus dem Dorf hinaus in die Berge, wo nach etwa einer halben Stunde Fußweg ein Schwimmbecken mit warmem Wasser inmitten der tollsten Landschaft lag. Wir badeten und unterhielten uns über die Unterschiede zwischen unserem und ihrem Leben.
Insgesamt verbrachten wir drei sehr schöne Tage in Cuyocuyo. Die Menschen dort sind einfach und am Anfang oft etwas schüchtern. (Viel schüchterner als die aus Lima). Fängt man aber einmal an, mit ihnen zu reden, dann sind sie sehr neugierig, wollen eine genaue Vorstellung von Deutschland kriegen, fragen, ob es dort auch Regenwald gibt oder Sierra und wie die Menschen sind, wollen, dass wir ihnen Deutsch beibringen oder Tänze, die man bei uns tanzt. In der Gemeinde wurden wir total herzlich und nett aufgenommen, dafür mochte ich mich hier noch einmal bedanken!
Überall, wo wir hinkamen, zeigten die Leute uns ihre Freude und Dankbarkeit über unseren Besuch. Ich habe mich in Cuyocuyo sehr wohl gefühlt, auch wenn es manchmal etwas komisch war, weil diese Leute und ich wie in zwei verschiedenen Welten leben. Das Leben der Leute dort erinnert mich an Erzählungen von meinen Grosseltern über ihren Alltag früher. Manchmal fand ich es etwas schwer, Gesprächsthemen zu finden, aber dieser Abstand wurde überbrückt beim gemeinsamen Tanzen und Singen und wenn wir uns über unsere verschiedenen Erfahrungen ausgetauscht haben.

Am 27.12. hieß es Abschied nehmen von Cuyocuyo, denn unsere Reise führte uns weiter bergabwärts nach Sandia und von dort aus noch weiter bis Masiapu, das schon zum Hochregenwald gehört. Ich war also tatsächlich im Regenwald, ich konnte es kaum glauben. Zwar noch nicht so weit drin, dass man die Hitze und die Viecher kaum mehr aushalten kann, aber es war schon Regenwald. Masiapu hat ein sehr angenehmes Klima, schön warm, aber nicht zu heiß. Wir wohnten mal wieder im Pfarrhaus, wo uns der nette Pfarrer mit allerlei leckerem, frischem Obst verköstigte. Am Morgen des folgenden Tages gingen wir ein bisschen auf Erkundungstour. Über eine Hängebrücke gelangten wir auf die andere Seite des Flusses, liefen einen kleinen Weg den Berg hinauf, mitten durch die schönste und artenreichste Vegetation. Hier wuchsen Orangen, Limetten, Bananen und Kaffee, es gab wunderschönes Blumen, Schmetterlinge und einfach überall etwas zu sehen. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit, kam ich dabei ganz schön ins Schwitzen. Wie das erst richtig drin im Regenwald wird?!
Auf dem Rückweg übernachteten wir noch mal eine Nacht in Sandia und fuhren dann weiter nach Juliaca. Dort gingen wir am Morgen des 30.12. mal so richtig einkaufen im “Tupac”, einem riesigen Markt, auf dem es wirklich ungelogen alles gibt. Und wie billig! Den Nachmittag verbrachten wir in Ayaviri, schauten uns dort ein gerade entstehendes Kinderheim an und hörten mal einen spanischen Voluntario reden: wie komisch sich das anhört! Wir besichtigten die Kathedrale von Ayaviri und fuhren am Abend wieder nach Juliaca zurück, um von dort aus am nächsten Morgen nach Juli, am Titicacasee zu fahren. Unterwegs stiegen wir aus und schauten uns in Sillustani die Grabmähler aus der Inka-Zeit an, genossen die Ruhe und den schönen Blick. Über Puno ging`s dann weiter nach Juli, das kleine Rom Südamerikas. Von Juli war ich sofort begeistert. Ein kleines Dorf, abseits der Haupttouristenwege mit einem wunderschönen Blick auf den See! Carola und ich genossen es total uns auf den Steg zu legen, in die Sonne, und den Geräuschen der Wellen zuzuhören (es hört sich fast an wie am Meer und sieht dort, wo man nicht bis zum anderen Ufer blicken kann auch fast so aus), während unser tapferer Reiseführer nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau hielt. Als ich dann auch noch ein kleines Segelboot vorbeifahren sah, wünschte ich mir, ich könnte meinen Einsatzort nach Juli verlegen. Sowieso gefiel es uns von der Umgebung her überall viel besser als in Lima. Aber das ist ja auch kein Wunder. Bald hatte Vicente organisiert, dass wir im Pfarrhaus übernachten durften. Wir besichtigten eine, der vier Kirchen, aufgrund derer Juli auch das “Rom Südamerikas” genannt wird, und waren beeindruckt, von den Kunstschätzen, die dieses kleine Dörfchen besitzt. Eigentlich wurde nämlich dort, der Stil, der als Cuzco-Schule bekannt ist begründet. Nach einem Gottesdienst, aßen wir mit dem amerikanischen Pfarrer und drei Seminaristen Hähnchen mit Mais, bekamen noch Besuch vom Bischof, zogen dann ein bisschen mit den Seminaristen durchs Dorf und warteten ab, bis es 24:00 h war. Dann haben wir angestoßen, unsere 12 Trauben gegessen und uns mit gelbem Konfetti bestreut (soll beides Glück bringen). Später gingen Carola und ich noch mit den Seminaristen auf den Dorfplatz, wo eine kleine Gruppe Jugendlicher mit drei Gitarren, einem charrango, einer Trommel und einer Flöte total beeindruckend schöne Musik machten! Bis um halb drei blieben wir dort und hörten zu und hatten gar keine Lust mehr noch auf ne andere Fete zum Tanzen zu gehen, weil es uns so gut gefiel.
Am 1.1. nachmittags hieß es dann wieder den Rückweg antreten. Über Puno und Juliaca machten wir uns auf den Weg nach Arequipa, wo wir ein paar Stunden Aufenthalt für eine weitere Besichtigung der Stadt nutzten. Am Abend ging es dann weiter nach Lima. Im Haus der Franziskaner in Lima bekamen wir noch ein leckeres Frühstück in sehr netter Gesellschaft der Mitbrüder Vicentes und machten uns danach auf nach Tablada.

So viel wie ich nun von dieser Reise berichtet habe, merkt man wohl, wie sehr sie mir gefallen hat, und dass nicht nur wegen all der neuen Eindrücke, die ich beschrieben habe, sondern auch, wegen meiner beiden tollen Reisegefährten. Vicente, vielen, vielen Dank, dass du uns mitgenommen hast, ich werde diese zwei Wochen immer in Erinnerung behalten!!! Und euch beiden, Vicente und Carola, lieben Dank, für die vielen guten Gespräche und eure nette Gesellschaft!

In Tablada wurden wir schon vermisst. Alle anderen waren kräftig am Arbeiten, doch wir ruhten uns den Freitag noch von der Reise aus. Ich bekam mit, dass während meiner Abwesenheit ein Kind aus dem Heim bei mir im Zimmer Sachen gestohlen hatte. Mein Stimmgerät, ein paar Filme, eine Kette und einen Nagelknipser. Mittlerweile hat der Schuldige es zum Glück zugegeben und ich hab auch meine Sachen wieder. Aber seitdem bin ich viel vorsichtiger und misstrauischer geworden.
Am Wochenende haben Carola und ich die Familie von Adriana und Yvonne hierher eingeladen. Den ganzen Morgen waren wir damit beschäftigt Kartoffel-Nudel und gemischten Salat zu machen und Fleisch anzubraten. Es wurde ein richtig schöner Nachmittag und ich hab mich total gefreut, die ganze Familie endlich mal wieder zu sehen. Ich habe sie alle schon richtig lieb gewonnen. Aber obwohl sie auch in Lima wohnen, dauert die Fahrt zu ihnen im Kombi fast zwei Stunden, deshalb waren wir schon länger nicht mehr dort. Da wird man sich mal wieder bewusst wie groß Lima ist!
Jetzt im Januar sind die Kinder nicht da und wir arbeiten jeden Tag nur von acht bis vierzehn Uhr. Und ich genieße richtig meine freien Nachmittage! Wir müssen fast alle Räume im Heim neu streichen und auch sonst alles Mögliche erneuern. Da gibt es viel zu tun, aber ich finde es richtig angenehm in Ruhe arbeiten zu können, mit Musik und am Ende auch gleich ein Resultat zu sehen. Das tut auch mal gut. Zweimal waren wir inzwischen nach der Arbeit noch am Strand und ich war das erste Mal in meinem Leben im Pazifik schwimmen. Das ist echt toll, dass man das mal so schnell machen kann. Eine richtig gute Sache an Lima.

Ja, an dieser Stelle verabschiede ich mich dann mal wieder. Ganz liebe Grüße und ein paar Sonnenstrahlen ins kalte Deutschland sendet euch

eure Nina

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Nina Kestermann

April 2003 - Nr. 3

Es ist Ostersonntag und ich bin zusammen mit meinen Eltern in Cajamarca, 14 h nördlich von Lima. Es gefällt uns allen richtig gut hier.
Seit meinem letzten Brief ist schon wieder viel passiert. Zusammen mit Juergen und den anderen vier Voluntarios, habe ich im Februar eine sehr schöne und interessante Woche im Strandhaus der Deutschen Gemeinde in San Bartolo verbracht: unser Zwischenauswertungsseminar. Das Programm reichte von der persönlichen Auswertung jedes einzelnen, über die wirtschaftliche Situation Perus und die Realität der Peruaner bis hin zu unseren Vorstellungen und Plänen für die zweite Hälfte unseres Jahres hier. Außerdem blieb auch genügend Zeit, um Strand und Meer zu genießen und nette Abende mit den anderen zu
verbringen. Direkt nach San Bartolo kam dann mein erster und lang ersehnter Besuch aus Deutschland: Peter. Da wir im Heim nicht zusammen wohnen konnten, zogen wir für die ersten eineinhalb Wochen in das Haus eines ehemaligen Erzieherehepaares aus Tablada, das seit einem Jahr in Deutschland lebt. Dort verbrachte Peter die Tage mit Monica (der Haushälterin) und ihrem Sohn, während ich arbeitete.
Nachdem wir den ganzen Januar und Anfang Februar das Heim neu gestrichen und auf Vordermann gebracht hatten, ging es nun mit der Planung für 2003 los, denn im März sollten die Kinder wiederkommen. Einiges hatte sich in der Zwischenzeit geändert: unsere neue Präsidentin ist Rosa Huber (die Frau von Jürgen), die nun zusammen mit Anita und Luis das Führungsteam bildet. Außerdem haben wir endlich eine neue Erzieherin für die Kleinen gefunden: Judith.
Was sich für mich ändert ist, dass ich nicht mehr die ganze Zeit mit Judith bei den Kindern sein werde, sondern, dass ich zwei eigene kleine Projekte anbieten kann, die einmal pro Woche stattfinden sollen. Ich habe vor, einen Englischkurs und einen Armbändchen-Workshop zu machen. Damit werde ich diese Woche anfangen und bin schon gespannt, wie es wird.
Nach reichlicher Planung und Neuorganisation, kamen dann am ersten März die Kinder wieder. Allerdings noch nicht alle, weil sich viele Familien noch nicht wieder eingeschrieben hatten. Zwei Tage arbeitete ich noch mit Judith und den Kleinen und zeigte ihr ein bisschen, wie alles abläuft, dann begann mein Urlaub und ich fuhr mit Peter nach Arequipa. Dort verbrachten wir ein paar Tage und machten einen Ausflug in den Colca-Canyon. Dann fuhren wir nach Puno, wo wir die Inseln im Titicacasee besichtigten. Weiter ging es nach Cusco, Machupicchu und schließlich von dort aus noch nach Puerto Maldonado in den Urwald. Insgesamt hatten wir vier wunderschöne Wochen zusammen, in denen wir unglaublich viel Verschiedenes gesehen und erlebt haben. So viel, dass ich hier unmöglich alles aufschreiben kann, aber ich komme ja zurück und kann dann noch mehr erzählen. Wieder zurück in Tablada stand gleich ein wichtiger Termin bevor: Der Besuch des Bischofs aus Freiburg. Mit einer ganzen Delegation Verantwortlicher der Partnerschaft Peru-Deutschland, kam er am vierten April zu uns ins Heim. Es ging bei diesem Besuch hauptsächlich um einen Austausch mit uns voluntarios. Ute, Carola und Christoph waren deswegen auch gekommen. Wir erzählten von unserer Arbeit und unseren Erfahrungen und mussten zum Schluss sogar noch ein Radiointerview geben.
In der darauf folgenden Woche hieß es für mich wieder Abschied nehmen von Peter. Ich konnte es kaum fassen, wie schnell die sechs Wochen, die er hier war, vorbeigegangen sind. Auf dem Weg zum Flughafen war die Aufregung dann plötzlich groß, als mir vor der Bank durch einen ganz blöden Trick (wie konnte ich da bloß drauf reinfallen???), meine Bankcard geklaut wurde und wir noch nicht mal mehr Geld für das Taxi zum Flughafen hatten. Ein Glück war da Gildo aus Surquillo sofort bereit uns zu helfen, und nachdem wir die Karte sperren ließen, fuhr er uns sofort zum Flughafen. Erst am nächsten Tag erfuhr ich, dass die Kontosperrung zu spät Kam, denn es war schon fast alles abgehoben worden. Scheiße!!! Das war ein ganz schöner Schock und am meisten ärgert es mich wegen meiner eigenen Blödheit. Aber da kann man halt nix mehr machen.

Seit die Kinder jetzt wieder da sind, macht mir die Arbeit mit ihnen vielmehr Spaß, als vor der Sommerpause. Einerseits liegt es vielleicht daran, dass noch nicht wieder so viele Kinder da sind, wie davor (gerade insgesamt nur 37 statt vorher 50), aber andererseits habe ich auch das Gefühl, dass sie mich mittlerweile mehr respektieren und ich kriege auch viel mehr positive Rückmeldung von ihnen als früher. Darüber bin ich total erleichtert und froh. Vor einer Woche kamen meine Eltern zu Besuch, worüber ich mich sehr gefreut habe. Das Wochenende über habe ich ihnen ein bisschen Lima und Tablada gezeigt, dann sind sie für ein paar Tage nach Arequipa gefahren, während ich arbeiten musste. Jetzt, über die Osterfeiertage, sind wir zusammen in Cajamarca und ich genieße die Zeit mit ihnen und die schöne, grüne Landschaft, die mir in Lima so fehlt.
Wenn ich zurückkomme, werde ich mich bald mit Pfarrer Alberto aus Tablada treffen. Mit seiner Hilfe, möchte ich eine Gastfamilie in Tablada finden, in der ich die restlichen vier Monate wohnen könnte. Ich habe mir schon länger überlegt, ob ich in einer Familie nicht mehr vom Alltag der Menschen in Tablada mitbekommen würde und ob es nicht leichter wäre mehr Anschluss zu finden, auch außerhalb des Heimes. Zu meiner endgültigen Entscheidung kam es dann auf dem Zwischenauswertungs- seminar. Jetzt hoffe ich, dass ich bald eine nette Familie finde, in der ich mich wohlfühle.
Außerdem hoffe ich auch, dass ihr alle schöne Osterferien oder Feiertage hattet und es euch gut geht.

Liebe Grüße

Nina

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Nina Kestermann

August 2003 - Nr. 4

Der letzte- ich kann's noch kaum glauben!

Ein so langes, erlebnisreiches, hartes, schönes und auf jeden Fall sehr wichtiges Jahr für mich geht zu Ende. Ich bin traurig zu gehen und werde vieles vermissen hier aus Peru: besonders meine Freunde aus Tablada, meine Gastfamilie, das Heim und seine Mitarbeiter und natürlich auch die Kinder mit ihren Familien, die Leute aus Surquillo, die Herzlichkeit, die Fröhlichkeit, die Begeisterung Für ganz kleine Dinge, das Tanzen, die Feste, das Essen, die frischen Mangos und anderen Früchte, die billigen Taxis, den nahen Strand, die Spontaneität, den Pisco Sour, Brot in Dosenmilch zum Frühstück, nette Abende auf der Terrasse vom Heim, die Aussicht auf die Lichter von Tablada, die leckeren Fruchtsäfte, den langen Sommer, die Musik, den peruanischen Humor, das In-den-Tag-hineinleben,....... Aber ich freue mich auch echt darauf zurückzukommen und vor allem darauf, Euch endlich wiederzusehen!!! Freue mich auf eine Waschmaschine, auf Floh- und Läusefreiheit, auf eine warme Badewanne und geheizte Räume, auf Gemütlichkeit, Zuverlässigkeit, mehr Direktheit und Ehrlichkeit, darauf, nicht mehr überall aufzufallen, auf Natur und Grüne Wiesen, auf geregelten, überschaubaren Verkehr, auf Sicherheit, mein eigenes Zimmer, aufs Studium und das Studentenleben, auf Tanzen zu "meiner" Musik, auf (zumindest mehr oder weniger) Pünktlichkeit, auf tiefgründige Gespräche und Diskussionen, auf Schnee,............

Ich bin gespannt darauf, wie' s wird, wieder in Deutschland zu sein, den zweiten "Kulturschock" zu erleben. In Tablada fühle ich mich gerade echt total wohl. Meine Gastfamilie ist super nett, sehr interessiert an allem, was ich von Deutschland erzähle und sie lassen mir auch genügend Freiheiten. Am Wochenende kochen wir manchmal zusammen, mal peruanisch, mal europäisch und jetzt zu meinem Geburtstag haben sie mir eine richtig schöne Fete organisiert, die ich nie vergessen werde! Auch mit dem Zimmer zu dritt komme ich ganz gut klar, wobei ich zugeben muss, dass vier Monate ohne Privatsphäre genug sind. In letzter Zeit bin ich abends wieder öfter im Heim, mit Stani, Magno, Pio und manchmal noch ein paar anderen Freunden, die ich alle echt mag und ziemlich vermissen werde. Eine voll schöne Erfahrung für mich ist auch meine Freundschaft mit Karina und ihrer Familie (einer "Heimfamilie"), die ich öfters bei sich zu Hause besuche. Ich helfe Karina ein bisschen in Englisch, wir essen zusammen, reden, lachen,...
Erst kürzlich habe ich die Familie in den Zoo eingeladen. Dieser Ausflug ist für mich ein unvergessliches Erlebnis. Es war so schön zu sehen, wie begeistert die Kinder und auch die Mutter von allem waren! Auch von Kleinigkeiten (zumindest für uns). Auf dem Rückweg sind wir etliche Male die Rolltreppe von einem Kaufhaus rauf und runter gefahren und hatten einen Riesenspass dabei. Dieser Tag hat mir noch einmal so richtig die Augen geöffnet für die vielen besonderen Dinge, die uns schon gar nicht mehr auffallen.

Im Heim bin ich gerade vormittags mal in der Küche, mal in der Schreinerei, den Montagvormittag habe ich frei gekriegt, was wirklich praktisch ist zum Wäsche waschen (damit ich das nicht am Wochenende machen muss) oder um mir noch andere Einrichtungen anzuschauen. Was ich zum Beispiel noch machen werde ist, mit meiner Gastschwester zusammen in die Schule zu gehen, um den Unterricht zu sehen. Die Arbeit in Küche und Schreinerei gefällt mir und sie ist ein guter Ausgleich zum Nachmittag mit mittlerweile 20 kleinen Kindern in meiner Gruppe. So gehe ich da mit viel mehr Motivation und Geduld an die Arbeit und freue mich auf die Kinder, die mir inzwischen auch ganz deutlich zeigen, dass sie mich mögen. Leider ist am Nachmittag außer für die Hausaufgaben für fast nichts anderes mehr Zeit. Das finde ich schade, weil es schön wäre, auch mal was zu basteln oder gemeinsam zu spielen. In dieser letzten Zeit lebe ich jeden einzelnen Tag viel bewusster und intensiver als am Anfang. Deshalb ist es gerade eine ganz besondere, wertvolle und schöne Zeit für mich. Ja, da wir uns sowieso schon bald wiedersehen, höre ich hiermit auf und hoffe, dass ich Euch in Deutschland noch viel mehr und ausführlicher von diesem Jahr erzählen kann, in dem ich mich mit Sicherheit verändert habe und das sehr wichtig für mich war und ist.

Ein herzliches Dankeschön geht noch an alle, die mich während dieser Zeit begleitet und unterstützt haben, an Katja und Michael, an Jürgen Huber, an Gildo und die Leute aus Surquillo, an Vicente, an meine Familie, an Peter und an die Freunde, die mir geschrieben haben. Außerdem natürlich auch an meine Mitvoluntarios, meine Gastfamilie, die Leute aus dem Heim und alle Freunde hier aus Peru.

Bis bald

ich freue mich auf Euch!

Eure Nina

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Gesche Hausin aus Oldenburg

Dezember 2006 - Nr. 2

Nun sind schon rund vier Monate vergangen seitdem ich mich aus Oldenburg in Richtung Lima aufgemacht habe und die Zeit ist größtenteils wirklich wie im Flug vergangen.
Meine ersten Tage und Wochen, Anfang September waren für mich erst einmal nicht sonderlich spaßig:
Mit mir kam eine Gruppe von ca 10 Spaniern im Hogar an, die für zwei Wochen eine Art “sozialen Tourismus” betrieben haben. Sie zahlten täglich eine Summe von 12 US-$, im Gegenzug erhielten sie Unterkunft, Vollverpflegung und ein Wochenend-Ausflugprogramm. Unter der Woche arbeiteten, spielten, bastelten sie mit den Kindern im Salon.
Für die Kinder sind diese 14 Tage mit den vielen neuen Gesichtern eine schöne Abwechslung, denn oftmals wurden neue, spannende Spiele gespielt, es gab Extra-Kuschel-Spiel-und Leseeinheiten…insgesamt lief alles ein bisschen lockerer und vergnüglicher ab (wie ich im Nachhinein beurteilen mag).
Für mich brachte das allerdings das Problem mit sich, dass alle vier Salons an Erwachsenen ziemlich überbesetzt waren, besonders der von Rosa mit den Jüngsten, für die ich mich entschieden hatte.
So gestalteten sich die ersten Wochen recht langweilig, da es teilweise einfach mehr Erwachsene als Kinder gab. Hinzu kam auch noch, dass ich im Gegensatz zu den Spaniern natürlich die Sprache sehr viel weniger beherrschte und so weniger gut auf die Kinder eingehen konnte. Zudem waren mir Mitarbeiter, Kinder und Abläufe des Heims noch völlig unbekannt, sodass anfangs viele Punkte zusammenkamen, die mir einiges abverlangt haben.
An einem der Wochenenden begleitete ich die Gruppe auf einen Ausflug zu einem Internat für bedürftige Kinder; ins Zentrum von Lima und schließlich zu einem Behindertenheim, ebenfalls für Bedürftige.
So bekam ich schon in den ersten Wochen sehr vielfältige Eindrücke von dieser riesigen Stadt, die zu verarbeiten durchaus Kraft gekostet haben. Ich war deshalb sehr froh über die Möglichkeit mit den Spaniern über das gemeinsam Erlebte diskutieren zu können, denn obwohl es für mich der zweite Aufenthalt in Peru ist, treffe ich immer wieder auf die unterschiedlichsten Extreme, die sehr traurig, erschütternd, aber natürlich auch wunderschön und beeindruckend sind.
Dabei bleiben einige Bilder besonders im Gedächtnis hängen, wie zum Beispiel ein alter, vielleicht kranker Mann, der zwischen dem Trubel von Markt und Straße den Müll durchwühlt und brauchbare Sachen sucht - sprich das Bild von Menschen, die aus ihrer Armut heraus versuchen, auch nur die kleinste Möglichkeit zu nutzen, etwas zu essen zu bekommen.
Ebenso eingeprägt hat sich bei mir, wie viele Kinder, die ganz offensichtlich unter der Armutsgrenze leben, sehr viel fröhlicher, ausgelassener z.B. auf der Straße spielen und lachen, als andere Kinder, die überbehütet nur im schicken Wohnzimmer sitzen.
Das kann man natürlich nicht pauschalisieren, aber oft habe ich - ganz subjektiv natürlich - eine andere Lebensfreude bei Kindern und Jugendlichen in ärmeren Vierteln gefühlt, als bei Kindern aus wohlhabenderen Familien, die ich z.B vom Schüleraustausch kenne.
Über ebensolche Gedankengänge konnte ich also mit den Spaniern sprechen, was durchaus Erleichterung brachte.
Die Situation im Salon änderte sich für mich mit der Abreise der Spanier (was absolut kein Angriff gegen die Spanier sein soll, ganz im Gegenteil, ich habe mich sehr gut mit ihnen verstanden!), seitdem sind Rosa und ich morgens mit nur 3-5 Kindern alleine, nachmittags kommen bis zu 18 Kinder und Harold.
Harold ist ein 18-jähriger Junge, der früher selbst als Kind im Hogar war, jetzt vormittags eine von Spendengeldern finanzierte Ausbildung zum Koch macht und als “Gegenleistung” nachmittags im Salon von Rosa hilft.
So begann für mich langsam der Alltag:
Von Montags bis Freitags bin ich morgens um 8.00 im Salon der “Conejitos Felices” (ca. 3-6-jährige), um den wenigen Kindern, die morgens da sind, bei ihren Hausaufgaben zu helfen, soweit sie schon welche bekommen.
Einschließlich Extra-Übungen dauert diese Arbeitsphase ca. bis um 10.00, bis zur Zeit des Refrijerios. Meist gibt es einen kleinen Snack in Form von Brot und Saft.
Danach beginnt die Spiel- und Duschphase bis zum Mittagessen um 11.45. Um 12.30 essen die Erwachsenen, während die Kinder des zweiten Turnos langsam eintrudeln und schließlich um 13.30 essen. Für mich folgt eine Stunde Mittagspause, um 14.30 geht`s mit einigen Kindern mehr in den Nachmittag, welcher nach dem Lonche gegen 17.00 endet.
Schnell zeigte sich, dass der komplette Tag 100%-ig durchgeplant ist und dass Verzögerungen nur ungern hingenommen werden. Für alles und jeden gibt es eine bestimmte Aufgabe, einen Zuständigen etc.
Es stellte sich für mich die Frage, “Was machst du hier eigentlich? Es gibt in jedem Salon Educadores, die die mit ihrer jeweiligen Gruppe gut zurecht kommen, alles läuft geregelt ab. Ich als Voluntaria habe zwar die Aufgabe, die Educadores in ihrer Arbeit mit den Kindern zu unterstützen, aber letztendlich liefe das ganze auch genauso gut ohne mich.
Nachdem aber einige Wochen vergangen waren und ich mich einigermaßen in den Betriebsalltag eingelebt hatte, habe ich versucht, mich darauf zu besinnen, was ich als Voluntaria beitragen kann, auch wenn ich realistisch betrachtet eventuell als Arbeitskraft nicht gebraucht würde:
Meist steckt eben dieser Beitrag in recht kleinen Dingen, wie zum Beispiel im Helfen bei Englisch-Hausaufgaben (da außer den Voluntarios niemand Englisch spricht), in Aktionen wie das Backen von deutschen Weihnachtsplätzchen, deren Verkaufserlös dann dem Hogar zugute kommt oder einfach nur das Zeigen von für die Kinder unbekannten Spielen oder Liedern…diese Aufführung könnte man wohl noch fortführen, das Entscheidende an der Sache ist allerdings, dass ich mir im klaren darüber bin, dass ich die Welt nicht völlig verändern kann, sondern versuchen kann, dem Alltag sowohl der Kinder, als auch der im Hogar arbeitenden Personen ein wenig neue Farbe zu bringen.
Ich muss sagen, dass ich dabei eine Menge Spass habe und Freude daran habe, mit den unterschiedlichsten Kindern zu arbeiten. Einige wirkten anfangs eher schüchtern, haben mit der Zeit aber auch Vertrauen zu mir gefasst, andere waren von Anfang an sehr anhänglich, wieder andere sind sehr frech und es ist schwierig, ihnen klar zu machen, wo ihre Grenzen liegen.
Unterbrochen wird der Heimalltag von Festlichkeiten wie der monatlichen Messe unter freiem Himmel mit Pfarrer Bernhard, Ausflügen wie in der vierten Adventswoche in einen Vergnügungspark mit allen Kindern oder für mich persönlich ein Wochenende mit Freunden am Strand.
So wird es selten langweilig und da die Mehrheit der andern hier arbeitenden Personen eine gute Portion Humor hat, werden selbst stressige Phasen mit ein paar Witzen gut überwunden. Solche Momente tauchen immer wieder auf, beispielsweise wenn wir Voluntarios beim Hausmeister um eine Banalität wie Klopapier oder Seife bitten und als Antwort lediglich einen bösen Blick ernten und schließlich das Gewünschte irgendwann vorgeknallt bekommen. Ein solcher Umgangston ist zwar nicht der Weltuntergang, macht aber den Alltag das eine oder andere Mal durchaus ein Stück unangenehmer.
Ebenso ist es sehr bedauernswert, dass neue Freunde, die man hier gewonnen hat, nicht ins Heim zu Besuch kommen dürfen.
Ich bin gespannt auf das fid-Seminar in Bolivien und hoffe, daraus wertvolle Informationen und Tipps für das kommende halbe Jahr zu ziehen. Für selbige 7 Monate habe ich den Plan, mit einer Gruppe von Kindern im Garten kleine Beete anzulegen, die dann von den jeweiligen Kindern gepflegt werden.
Insgesamt kann ich wohl behaupten, dass mich die vergangenen vier Monate an Erfahrung um einiges bereichert haben und ich nicht bereue, die Entscheidung getroffen zu haben, hier her zu kommen.

Tablada de Lurin im Dezember 2006
Gesche Hausin

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Hannes Kaufeis 

Dezember 2006 - Nr. 1

Hallo Freunde in Deutschland

Meine Ankunft in Lima liegt zwar nun schon relativ lange zurueck, ich verde meinen Bericht trotzdem mit meiner Anreise beginnen. Nachdem ich endlich ausgecheckt hatte und die grosse Halle des Flughafens in Lima betrat freute ich mich riessig, dass ich in der Menschenmenge Carlos den Hausmeister und Chaufeur des Hogars mit einem Schield mit meinem Namen darauf entdeckte. Sobald wir den Flughafen verlassen hatten, boten sofort mehrere Taxifahrer ihre Dienste auf einen sehr aufdringliche Weise an. Wir fuhren mit dem sehr stylieschen VW- Buss des Hogars los in Richtung Miraflores durch den sehr dichten Verkehr in Lima, dass war gleich sehr beeindrueckend, da Der Verkehr in Lima sehr chaotisch ist und mit Ausnahme der Ampeln eigentlich keine Verkehrsregeln gelten. Wir fuhren gut eine Stunde nach Miraflores, dort trafen wir in der deutschen Gemeinde Padre Bernado, Luis, den Rector des Hogars, Gesche, und eine Gruppe von Spaniern, welche gerade fuer ein paar Wochen im Hogar waren, bevor sie noch 10 Tage durch Peru reisten. Dieses Treffen ging dann noch so ein zwei Stunden, bevor wir endlich nach Tablada ins Hogar fuhren. Dort gab es dann ( fuer mich zum ersten Mal) leckeres peruanisches Essen und ich warf mein Wegetariartum sofort ueber Board. Das Essen hatte Luz die Nachtwaechterin und Frau von Carlos fuer uns gekocht, danach suchte ich dann sehr bald míen Bett in meinem Zimmer auf.
Am Dienstag schlief ich aus raumte mein Zimmer ein und lief ein bischen durch den Garten des Hogars, welchen der Gaertner, den alle nur avuello (Opa) nennen, pflegt. In der ersten Zeit speisten ich immer mit den Spaniern und Gesche.
Den Mittwoch verbrachte ich in der Baeckerei mit Baecker Ricardo, wir backten circa 500 Broetchen fuer das Hogar, does Menge ist normal, da Ricardo nur Montag, Mittwoch und Freitag kommt. Dieser Tag war als Einstiegstag ziemlich perfekt, da mein Spanisch nicht so perfekt war und diese “koerperliche” Arbeit trotzdem sehr gut klappte.
Am Donnerstag war ich mit Schreinermeister Javier und Juan Paplo in der Schreinerrei.
Javier ist inzwischen 22 und war frueher als Kindschon im Hogar, jetzt kuemmert er sich um die Schreinerrei. Dieser Tag in der Carpi war sehr schoen Javier war mir seit dem ersten Tag sehr sympatisch und ist hier inzischen ein sehr wichtiger Freund von mir, wir saegten Ning- Nangs und gingen spaeter Holz abholen bei einem Carpentero um die Ecke.
Am Freitag war ich Vormittags im Salon von den Grosen mit Betreuerin Anita.
Anita hatt das Hogar mittgegruendet, und ist deshalb am laengsten dabei. Am Nachmitag lag ich allerdings flach, da ich wegen der hohen Luftfeuchtigkeit mot Fiber zu kaempfen hatte.
Den kommpleten Samstag verbrachte ich im Bett, wass ich sehr schade fand , da Javier am Samstag Geburtstag hatte und ich so gerne mit ihm feiern wollte. Immerhin erholte ichnmich von der Erkaeltung und konnte am Sonntag mitt den Spaniern, Gesche, Luis und Carlos einen Ausflug machen, wir besuchten zuerst eine Einrichtung fuer junge Muetter, die ihr Kind im Alter von 12-16 geboren hatten und der Vater traurigerweise meistens aus der eigenen Famielie kommt , Cousin, Onkel, oder Opa der Mutter ist und die Mutter auch nicht unterstuetzt. Danach besuchten wir eine Einrichtung fuer behinderte Kinder, diese Einrichtung war ziemlich herruntergekommen und stark ueberlastet. Dieser Tag war schon sehr erschueternd, da mir klar wurde das die Kinder bzw muetter dieser Einrichtung zwar eine Chance hatten, dass es aber viel zu wenig solcher Einrichtungen in Lima gibt und sehr viele Menschen in Peru die ein aehnliches Schicksal haben keine Hilfe in Anspruch nehmen koenene und mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit das Leben auf der Strase nicht lange schaffen warden. Abends fuhren wir noch ins Nationalmuseum bevor wir spaet abends erschoepft ins Hogar zurueckkehrten.
In den darauffolgenden 2 Wochen schnupperte ich in alle 4 Salone des Hogars 3 Tage hinein. Den Anfang machte ich im Salon der “Chicas y Cicos sin Fronteras ”, dem Salon, in welchem die Kinder im Alter von 12 bis 17 sind, diese haben meistens schon sehr viel Selbstvertrauen und verlassen das Hogar mit 18, mit einer guten Vorbereitung fuer ihr Leben. Anfangs waren diese allerdings ein wenig frech zu mir , da ich noch nicht so sicher mit der spanischen Sprache war.
Danach war ich im Salon der “Niños y Niñas del mañana “, Betreuer ist Martin die Zinder in diesem Salon sind im Alter von 8 bis 12 und die meisten sind ziemlich ruhig und manche leider auch schuechtern.
Der dritte Salon ist der Salon der “los campeones “ , hier ist Judith die Betreuerin die Kinder sind in diesem Salon 5 bis 8 Jahere alt koenen aber schon ziemlich gut lesen, schreiben und rechnen.
Der Salon der Kleinsten heist “Los Conejitos” Rosa die Betreuerin ist immer sehr Froehlich , hat sehr viel Gedult mit den Kleinen und macht ihre Sache, so wie alle Betreuer sehr gut. Die Kleinen sind fast alle fuer ihr Alter, 3 bis 6, meiner Meinung nach ziemlich weit koenen teilweise schon lesen und schreiben. Die juengsten sind 3 Jahre alt und heissen Sebastian, Edwin und Luis David.Alle Konder die im Hogar sind besuchen schon eine Schule.
Waehrend dieser 2 Wochen verliesen die Spanier das Hogar und spielten an ihrem letzten Tag im Hogar ein kleines Thaeaterstueck mit Gesche, den aelteren Kinder und mir fuer die Kleinen vor, auserdem fuehrten sie einen tuypisch spanischen Tanz vor.

Der normale Tag im Hogar

6.30 –7 Die Kinder kommen
7 Die Kinder Fruehstuecken
7.30 Die Kinder machen ihre Aufgabe im Hogar alle helfen mit
8-10 Hausaufgaben oder Kreativarbeiten
10-10.15 Es gibt einen Snack fuer die Kinder
10.30-11 Die Kinder sin dim Salon Malen oder Hausaufgaben
12 Die Kinder die mittags in der Schule sind essen Mittag
12.30 Mittagessen fuer das Team
13.30 Mittagessen fuer die Kinder die morgens Schule hatten
14.30-16 Hausaufgaben oder Kreativarbeiten
16.30 Es gibt einen Snack fuer die Kinder
17-18 Die Kinder gehen nach Hause

Meine Abende verbrachte ich in dieser Zeit fast taeglich bei Javier, allerdings immer nur biss 23 Uhr, da diese Zeit meine Ausgangssperre ist. Wir hoerten viel Musik in seinem kleinen Zimmer, welches er sich mit seinem Bruder Jorge teilt, welcher frueher ebenfalls im Hogar war und nun bei Rafael, auch ein Heimmitbegruender, arbeitet. Das Zimmer dieser zwei Brueder ist nur 3 Minuten vom Hogar entfernt.und ich lernte dort viele coole junge Leute kennen.

Am 29 September traf Benni in Lima ein und wir holten ihn am Flughafen ab. Wor sind in diesem Falle Carlos, Luz, Gesche und ich .
Nach meiner “Schnupperphase durch die Salons “ entschied ich mich zuerstmal im Salon von Martin zu bleiben, da ich mit den Kindern dort sehr gut zurecht kamm und auch viel bei den Hausaufgaben helfen konnte. Auserdem war Gesche schon im Salon der Kleinsten. Im Salon von Martin blieb ich biss jetzt und helfe Martin.
Mit Benni und Gesche reiste ich an einem Sonntag nach Paccachamac und an einem Wochenende nach Pisco, Parracas und Ica. Dort besichtigten wir das Naturparadies Parracas, Pisco und die Oase Huaccacina, das waren sehr schoene Ausfluege.
Im Hogar lebte ich mich immer besser ein und bin inzwischen ein Teil des Hogars (hoffentlich ein wichtiger).
An meinem Geburtstagb gingich mit Gesche, Javier und Benni zu Magno, dem Sohn von Koechin Zoila, Magno war frueher auch im Hogar und war sogar eine Zeit lang Baecker im Hogar. Bei Magno gab es eine sehr leckere Ueberraschung fuer mich. Magno hatte Pizza gebacken. Nachdem wir gegessen hatten fingen wir in die Bar von Magno, welche er im Oktober eoeffnet hatte. Dort trafen wir weitere Freunde und hatten eine schoene Geburtstagsfeier. Ende November reisten Gesche und ich mit dem Buss nach Tumbes, an der Grenze zu Ecuador, um unsere Visas zu verlaengern. Die Reise durch halb Peru dauerte circa 20 Stunden. Nach dem wir unsere Visaprobleme endlich ueberwunden hatten verbrachten wir noch 2 Tage in Tumbes und klamen mit einem sehr ueblen Sonnenbrand zurueck. Montagmorgens trafen wir Carlos, Zoila und Benni im Tottus in Lima beim einkaufen.
Am darauffolgenden Mittwoch starteten Gesche un d ich ein groses Weihnachtsbacken Projekt . Mittwoch, Donnerstag und Freitag verbrachten wir ausschlieslich in der Baeckerei und backten circa 35 Kilo deutsche Kekse fuer den Weihnachtsbassar in der deutschen Gemeinde in Miraflores. Dieses Projekt war zwar ziemlich anstrengend, da wir immer biss 8 oder halb 9 in der Panaderia standen, loeste aber danach eine grose Zufriedenheit in mir aus, da am Freitagb als abzusehen war, dass wir alleine nicht fertig warden, sehr schnell Hilfe fanden. Anita, Javier und 2 Kinder ausa dem Salon von Anita kamen uns am Nachmittag zu Hilfe. Um 5 schliesen sich dann schlieslich die anderen Betreuer, einige Kinder und Luis uns an und mann spuerte eine Solaidaritaet und Hilfsbereitschaft, da Alle ihren Feierabend nach hinten verschoben um uns zu helfen.
Am Samstag packet ich die letzten Kekse ein und am Sonntag den 3. Dezember gings dann um 9 Uhr los zum Bassar in Miraflores. Dort verkauften wir Paneton von Ricardo, die Holtzspielzeuge und die anderen Sachen die Javier in der Schreinerei produziert hatte und die Weihnachtskekse, die ich mit Gesche gebacken hatte.
Der Weihnachtsbassar war relative gross, wir hattenn alerdings nur einen kleinen Tisch direct neben der Tuer zu verfuegung gestellt bekomen, was ich ein wenig unverschaemt fand, da die anderen riesigen Tische ausschlieslich von der Gemeinde in Anspruch genommen wurden und nicht einmal ausgenutzt wurden. Der Bassar verlief dann aber doch ganz gut und wir verkauften ziemlich viele Kekse und alle Panetons die wir dabei hatten.
In der Zeit danach wurde es im Hogar immer weinachtlicher und es wurde sehr viel Weihnachtsdekoration in den Salons gebasstelt.
Gestern dann war der letzte Tag fuer die Kinder im Heim und es gab eine Weihnachtsmesse auf der Terraze welche Padre Bernado gehalten hatte. Nach der Messe erhielt jades Kind ein Weihnachtsgeschenk. Danach gab es Pollo ala brasa fuer alle und spaeter wurde mit Jonatan, einem ehemaligen Kind des Hogars, klassisch peruanisch getantzt und es gab eine Show imnfantil von Llamagas, von welchen das Hogar das komplette gas kauft. Zum Abschluss gab es Heisse Schokolade und Paneton..
Damit schliese ich meinen 1. Zwischenberich ab.
Falls noch offene Fragen im Raum stehen sollten beantworte ich diese gerne
In diesem Sinne biss zum naechsten mal.
Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch wuenscht

Hannes Kaufeis

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Magdalena Gresziek

2007 - Nr. 1

Liebe Freunde,
Ich hoffe, es geht euch allen gut und ihr habt schon ungeduldig auf meinen Brief gewartet=)
Inzwischen bin ich schon ueber 5 Wochen in Lima und es ist im Heim doch ein gewisser Alltag eingekehrt� Wie einige wissen, arbeite ich jetzt in der Gruppe der Aeltesten, den �Chicos y chicas sin fronteras�(also den �Kindern ohne Grenzen�) mit Anita, der educadora und ab und zoo auch in der Baeckerei und der Schreinerei. Die Kinder sind zwischen 11 und 16 Jahren alt, morgens ist es eine Gruppe von 11, nachmittags eine von 18, da die Schule hier ja in 2 �Schichten� laeuft. Obwohl es vielleicht ein schwieriges Alter sein mag, gefaellt mir meine Gruppe wirklich gut, nicht zuletzt wegen Anita, die ihre ganz eigene Art hat, mit den Kindern umzugehen: Sie weiss, wie ihre Gruppe funktioniert, wer, wo steht und welche Stellung hat, wie man mit jedem Einzelnen umgehen muss. Sie setzt Vertrauen in jeden Einzelnen und setzt sich mit allen auseinander und hat gleichzeitig die Kontrolle ueber die Gruppe. Ich kann von ihr viel lernen!!
Jeden Vormittag und Nachmittag gebe ich eine halbe Stunde Englischunterricht, morgens macht die gesamte Gruppe mit, nachmittags nur einer, aber das ist eine gute Abwechslung, trotzdem merke ich, wie gut man soetwas jeden Tag vorbereiten muss, wenn man will, dass die Leute interessiert sind!! Die Kinder haben alle ab der Secundaria Englisch, allerdings nicht als Hauptfach, und was sie am Ende fuer kenntnisse haben, reicht wirklich nicht, um sich zu unterhalten! Ich habe also angefangen, Fruechte, Tiere, Zahlen� mit ihnen zu lernen und bin gespannt, wie weit wir kommen werden!
Ansonsten hat Anita die Idee einer kleinen Firma aufgebracht, und zwar eine �Freundschaftsbaendchen-Fabrik�, die Baendchen koennte man dann in der deutschen Gemeinde verkaufen und mit dem Erloes fuer unsere Gruppe etwas organisieren�Aber das muss noch genauer augearbeitet werden und ist auch nicht ganz einfach, da die Kinder jede Menge anderes zu tun haben. Mal sehen� Ideal waere aber, dass das ganze Projekt am Ende in den Haenden der Kinder liegt, dass es alleine laeuft!
Ansonsten lerne ich die einzelnen Leute immer besser kennen, wer wo wohnt, wie er zu den anderen steht, das ist echt interessant. Obwohl sie ganz unterschiedlich sind und auf verschiedene Schulen gehen, merkt man, dass im Hogar die Gruppe zusammengehoert, und Spass miteinander hat. Dabei gibt es zum Teil wirkliche Schwierigkeiten: Einer z.B. ging seit einiger Zeit nicht mehr in die Schule, er ist jetzt 14 und geht in die 2. Klasse der Secundaria. Er war frueher in einer der zahlreichen Pandillas (also Strassengangs) hier und hat spaeter mit ihr Probleme gekriegt, weil sie anscheinend denken, er sei zu einer anderen uebergelaufen. Zumindest hat er sich deswegen nicht mehr in die Schule getraut. Bei ihm daheim gibt es auch ziemliche Spannungen. Seine 2 aelteren Schwestern sind beide mit 15 schwanger geworden sind, die eine hat jetzt schon das zweite Kind. Die Mutter arbeitet unter der Woche in einem Geschaeft in Lima und uebernachtet dort auch oft und ist deshalb selten daheim und der Vater ist letztes Jahr an einem Unfall mit einer Gasexplosion gestorben.
Das mit den Pandillas ist wirklich uebel! Die gibt es anscheinend erst seit etwa 10 Jahren vermehrt und einige sprechen von einer Spaetfolge des Terrorismus und des Sendero Luminoso. Sie bilden sich nach einzelnen Stadtvierteln und hier in Tablada gibt es zwei, die A und die U, die jeweils zwei grossen Fussballmannschaften Limas anhaengen (Alianza und �La U� oder so aehnlich). Gehoert man einer mal an, darf man nur noch mit diesen Leuten zu tun haben (angeblich gehoeren bis zu 60 Jugendlichen einer solchen Pandilla an) und sich auch nicht in das Territorium einer anderen Pandilla trauen. Die Kinder haben erzaehlt, dass einige mit Messern rumlaufen und �Feinde� oder �Verraeter� verfolgen und zusammenschlagen. Natuerlich weiss ich nicht, was alles vorgefallen ist und alles verstehe ich ja auch gar nicht, aber ich denke, wenn er schon nirgendwo eine stabile Struktur hat, weder daheim noch in der Schule, dann kann man ihm damit helfen, dass man ihm im Hogar soetwas gibt. Er ist naemlich ziemlich unsicher und deshalb wahrscheinlich ein geeignetes Pandillaopfer. In der Schreinerei arbeitet er z.B. ziemlich gut und zeigt wirklich Freude dran! Anita hat aber eine Schule gefunden, die ihn jetzt aufnimmt (was gar nicht so einfach war, weil er eben mal einer Pandilla angehoert hat und schon einmal wiederholt hat), und er versucht jetzt in den 2,5 Monaten, die bis zum Schuljahresende bleiben, das Jahr zu schaffen. Das waere ein echter Erfolg und dabei wollen wir ihm natuerlich alle helfen!!
Das ist nur ein Beispiel, aber solche Geschichten sind hier nicht selten und es ist oft schwierig, eine gute Loesung zu finden.
Was gibt es noch zu berichten?? Achja, von den Temblores etwa, von denen ich jetzt einige erlebt habe. Beim ersten Mal dachte ich, es sei ein schwerer LKW am Hogar vorbeigefahren, denn so hoert es sich an, nur dass der Boden und die Fenster leicht mitzittern. Von einem starken bin ich sogar mal aufgewacht, das einzige, was man aber machen kann, sagen die Leute, ist in einen Tuerrahmen stellen oder raus gehen. Unser Schreinermeister Javier ist vor 2 Wochen fuer ein Wochenende nach Ica und Pisco gefahren, um sich die Situation anzusehen und hat erzaehlt, dass es immer noch schlimm ist und die Hilfe oft nicht dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Er hatte einen ganzen Rucksack voller Avocados mitgenommen, um sie zu verteilen. Wahrscheinlich werden wir am naechsten Wochenende auch hinfahren mit der Pfarrgemeinde �El Niño Jesus�, von der uns angeboten wurde, doch mitzukommen, wenn sie dort Hilfsgueter hinbringen. Das wuerde ich wirklich gerne, denn so koennen wir auch ein wenig mithelfen.
Wir haben grosses Glueck, dass Javier im Heim ist, denn mit dem vestehen wir uns wirklich gut und ausserdem zeigt er uns Tablada und ueber ihn haben wir einige andere junge Leute kennengelernt. Z.B. gibt es da auch die kleine Bar �Killa�, die ein Freund von ihm fuehrt und sie alle zusammen aufgebaut haben, und in der man sich ab und zu gut treffen kann. Mit Bob Marley an der Wand und einigen Graffittis, Pisco Sour und dem obligatorischen �Reggaeton� (oder wie auch immer das heisst, das hoert hier jeder und ist eine Mischung aus Reggae und Pop...) ist es da echt nett!
Etwas Besonderes und auch Gewoehnungsbeduerftiges ist hier auch der Verkehr: Ich bin nur froh, dass ich mir keinen internationalen Fuehrerschein beantragt habe=) Der Fahrstil ist hier wirklich anders...
Auf einer 2-spurigen Fahrbahn passen schliesslich auch gut 3 Autos oder Combis und vielleicht noch ein Motortaxi nebeneinander (das letztere ist ein Moped mit einer kleinen Blech/Plastik-Karosserie drum und wird fuer kurze Strecken benutzt). Strassenregeln gibt es hier weniger, braucht man auch nicht, denn vor jeder Kreuzung hupt man, damit jeder weiss, dass man kommt. Und ueberholen kann man eigentlich ueberall und immer, schliesslich sieht der auf der Gegenfahrbahn einen ja und man muss nur hoffen, dass seine Bremsen funktionieren, und Licht braucht man eigentlich nur in Gebieten, wo die polizei ab und an kontrolliert. Die Autos sind so, dass ich es jetzt wirklich zu schaetzen weiss, wenn sie nicht zu laut knattern und evtl. ein Gurt drin ist.... Wichtiger ist hier aber ganz klar, dass das Radio funktioniert=) In einen Combi passen gut 30 Personen bei etwa 15 Sitzplaetzen rein, da muss man wirklich aufpassen, wohin man seine Sachen verstaut. Aber bei alledem, was vielleicht negativ klingt, macht es eigentlich Spass, hier unterwegs zu sein ( also gut, dann, wenn man nicht ganz dicht an dicht gedraengt ist und lange fahren muss). Die Peruaner haben zwar vielleicht keine Regeln, aber dafuer schauen sie mehr und irgendwie gehts eben immer... Und wenn der Verkehr dann steht, dann rennen ueberall Leute rum, die dir Klopapier, Zuckerrohrscheiben oder Suessigkeiten anbieten oder die Scheiben putzen wollen.
Zu Tablada: Tablada ist eigentlich recht gross und besteht, glaube ich, aus 2 Teilen, in der Zona antigua wohnen wir. Und ganz Tablada ist nur ein Teil von Villa Maria del Triunfo, welches wiederum ein Viertel von Lima ist, wirklich riiiiiiiiesig mit seinen knapp 10 Mio Einwohnern!! 
In Tablada gibt es aber auch ganz unterschiedliche Haeuser, viele sind aus Backstein, das wirkt alles ineinandergeschachtelt und ueberall haengt bunte Waesche zum Trocknen. Dann gibt es wirklich schoene Haeuser mit buntgestrichenen Mauern und ab und zu sogar ein Eisenzaun, der einen kleinen Garten und das Haus von der Strasse trennt. Und schliesslich gibt es sehr arme Haeuser, wie die meisten, die um das Hogar verteilt liegen. Die lehnen sich an einen Hang (je hoeher gelegen, desto aermer) und bestehen oft nur aus Brettern und loechrigem Wellblech als Dach. Zwischendrin rennen und raufen klaeffende hunde, vor denen man sich in Acht nehmen muss. Das Hogar sticht wirklich heraus mit seinen schoenen gelben Mauern und dem grossen Garten, alles am Hang...Laeuft man dann weiter hoch bis auf die huegelkuppe, kommt man an ein Kreuz und hat von dort aus eine tolle Sicht auf ganz Tablada!
Wenige Haeuser habe ich von innen gesehen, aber die etwas besseren haben eines gemeinsam: man kommt zur Tuer rein und ist im Wohnzimmer oder zumindest im Zimmer, in dem Besuch empfangen wird, dort haengt an der Wand oft ein Heiligenbild und sonst recht wenig, dann stehen vielleicht noch einige Sessel oder ein Sofa vor einem Fernseher. Nicht zu sehen bekommt man als Gast auf jeden Fall das Schlafzimmer, das ist sogar fuer Freunde Tabu und man hat uns sehr nahegelegt, nur keinen im eigenen Zimmer �zu empfangen�.
Was es in tablada noch gibt, sind zum einen ueberall kleine Laeden, die ziemlich alles verkaufen und immer auf haben. Es ist einfach unglaublich, wieviele hier sind. Meist ist ein Gitter vor der tuer, dass man nur von aussen sagen kann, was man moechte. Toll ist auch der kleine Markt von Tablada, wie man ihn sich vorstellt, mit Saecken voller Mais und Reis, Fruechte, Kleider, gebrannte DVDs....
Zum zweiten die viiielen Fussballplaetze, auf denen irgendwie immer was los ist. Als wir einmal hier in der naehe von einem Aussichtspunkt auf Tablada runtergeschaut haben, konnten wir nur Staunen WIE VIELE Leute in Tablada gerade Fussball spielen!!
So lernen wir unser Tablada also besser kennen, vor allem auch durch die Kinder, die man ab und zu auch nach Hause begleitet. Und wenn man am Wochenende hier in Tablada unterwegs ist, vielleicht zum Markt oder einfach hier spazieren geht, und dann einem Kind aus dem Hogar begegnet, dann rennen sie auf einen zu, und umarmen einen ganz stuermisch, rufen �Hooooolaa! Magdalena!! (Na gut, oft nennen sie mich auch Magadalena oder auch Maren =) ) Que tal??� Das freut mich immer so!!

Zuletzt moechte ich heute noch von unseren Ausfluegen aus Tablada raus erzaehlen, die wir gemacht haben: Zunaechst mal Lima, das ist ja nicht so weit, aber trotzdem kennen wir wenig davon. Wir waren im Zentrum von Lima und haben uns dort mit einer Bekannten aus der dt. Gemeinde, die in der dt. Botschaft arbeitet, einige kirchen angesehen, darunter San Francisco mit seinen Katakomben (der fruehere Stadtfriedhof von Lima) und Knochensammlungen, das Regierungsgebaeude von aussen mit einer Wachabloesung, das war toll: eine aufwendige Prozedur mit Militaerkapelle, und das jeden Tag!! Dann auch einen Incamarkt, zwar touristisch, aber mit wunderschoenen bunten Tuechern, Figuren, Taschen, Schmuck... Und ein sehr huebsches Kuenstlerviertel von Lima, das Barranco heisst. Es liegt direkt am Meer, das sieht man von Klippen aus, und es ist ganz bunt und wirkt sehr frisch und froehlich, falls man das von einem Viertel sagen kann. Es gibt dort viele kleine restaurants und Stanede, an denen Schmuck verkauft wird.
Auch nach Pachacamac haben wir einen Ausflug gemacht. Diese Ausgrabungsstaette liegt suedlich von Lima und wir sind mit einem Bus etwa 45 Minuten hingefahren. Grade faehrt man noch an einem der �pueblos jovenes�, wie hier die armen Siedlungen genannt werden, vorbei und ploetzlich steht man vor den alten Ruinen der Tempelanlage und fuehlt sich in einer anderen Zeit, 50 m nebendran die kleinen, bunten Huettchen... Pachacamac ist eine alte Weihstaette gewesen, von vielen Kulturen genutzt, zuletzt von den Incas. Man laeuft, bzw. faehrt mit einem Bus an verschiedenen Tempeln vorbei, hoch zum Sonnentempel(bis dahin alles Wueste), von dem aus man ploetzlich auf der anderen Seite auf ein gruenes Tal und das Meer hinuntersieht.
Unser letzter Ausflug war der erste etwas weitere, zum Naturreservat Lomas de Lachay. Das liegt etwa 100km noerdlich von Lima, in der Wueste (und zwar richtig schoene Sandwueste!!), aber einmal im Jahr, im September/Oktober verwandelt sich das ganze durch den Kuestennebel in Gruen mit gelben, blauen und lila Bluemchen, durchzogen von knorrigen Baeumen und Kakteen. Wir sind 2 Stunden gewandert, ueber kleine Pfade, hoch auf Huegel, bei denen man den Eindruck hatte, es gebe am Rand nichts Weiteres, weil der Nebel so dicht war (da musste ich an Jim Knopf denken, wie sie da mit durch die Finsternis fahren und den Weg nicht verlieren duerfen )! Und dazu dann die knorrigen, schwarzen, fantastischen Baeume und der Wind... Als wir wieder runtergelaufen sind, hatte sich der Nebel gelichtet und man kam sich vor, wie in einer Landschaft aus �Herr der Ringe� mit einem Pfad, der sich die Huegel runterschlaengelt, vorbei an Felsen, in denen man Formen erkennen konnte, mit viel Vogelgezwitscher und dann sogar einem kleinen Fuchs, der allerdings etwas zu zahm gewirkt hat ;-) Das klingt alles ganz maerchenhaft, aber so aehnlich hab ich es gefuehlt, da kommt man mal raus aus Lima und freut sich ueber jedes Bluemchen!!!

So, meine Lieben, ich hab mit hier eigentlich ncoh viel mehr aufgeschrieben gehabt, was ich alles erzaehlen wollte, aber das werde ich dann irgendwann weiterfuehren.... Ich hoffe, ich kann euch ein bisschen eine Vorstellung von dem geben, was ich hier sehe und erlebe und werde mich auch mal wieder um Fotos bemuehen...;-)

Viiiiiele liebe Gruesse aus Tablada (nicht mehr ganz so neblig-feucht, denn diese Woche hat einige Male die Sonne geschienen, da huepft einem das Herz vor Freude, wie dann ploetzlich alle lachen...)!!!!!!!!

Eure Magdalena

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Magdalena Gresziek

2008 Abschlussrundbrief - Nr. 2

Liebe Freunde,

jetzt sind es schon 2 Wochen, die ich wieder daheim bin und jetzt schicke ich euch noch einmal eine Abschlussmail. Warum jetzt erst??

Einerseits weil in der letzten Zeit in Peru einfach so viel zu tun war, wie vor einem Abschied zu tun ist, und zweitens weil fuer mich meine Peruzeit erst jetzt langsam ausklingt, lange war ich in Gedanken noch ganz dort und nicht richtig hier...

Was nach der letzten Rundmail alles passiert ist... Hm, ziemlich viel und eigentlich doch auch nicht so viel. Nicht so viel, weil meine Arbeit im Hogar recht aehnlich weiter verlaufen ist, ich habe in drei Gruppen gearbeitet, morgens mit meinen Grossen und nachmittags abwechselnd bei den ganz kleinen Kindern und bei den Mittleren (1.-3. Klasse). Diese Taetigkeit hat mich sehr erfuellt und auch die Abwechslung hat mir sehr gut getan!! Bei meiner Gastfamilie habe ich auch weiter gewohnt, bis zum Schluss, ab April waren wir dann zu fuenft, da Susana von ihren 4 Monaten work&travel (gut, in ihrem Fall wars eher nur work) in den USA zurueckkam. Wir haben etwas gebraucht, bis wir uns aneinander gewoehnt hatten, aber danach lief alles wunderbar und ich habe sehr viel mit ihr unternommen. Ich kann mir gut vorstellen, wie komisch es sein muss, wenn man nach einer guten Zeit aus einem anderen Land zurueckkommt und sowieso alles schon wieder der Gewoehnung bedarf und dann noch jemand anders im Haus ist (obwohl ihre Eltern sie ja gefragt haben, bevor sie mich aufgenommen haben).

Durch sie habe ich viele neue Freunde und auch das Nachtleben besser kennengelernt =)

Ihr Lehramtstudium hat sie nach einiger Zeit aufgegeben, jetzt moechte sie Uebersetzerin werden, Spanisch und Englisch kann sie ja schon, und jetzt lernt sie an einem Institut Deutsch und moechte auch im Januar nach Deutschland kommen, um hier ein Aupairjahr zu machen.

Milagros, meine juengere Gastschwester, fing im Mai an, in einem Schreibwarengeschaeft zu arbeiten, morgens um 5.30 steht sie auf, um zu ihrem Englischinstitut zu fahren und danach arbeitet sie in dem Geschaeft, bis 10 Uhr abends, ist um 11 daheim und faellt todmuede ins Bett. Und so geht es 6 Tage die Woche!! Sie habe ich ab da deshalb nur noch wenig gesehen.

In der Gemeinde habe ich mir dann auch noch Freunde gemacht, vor allem dadurch, dass ich in beiden Jugendchoeren angefangen habe=)

Im Gottesdienst ist es ja so, dass der Chor hauptsaechlich singt, denn es gibt keine Liedhefte fuer die Gemeinde. Ich muss sagen, dort bin ich wirklich sehr aufgegangen und habe gute Freunde gefunden. Das alles war zumindest, wie ich es mir vorgestellt hatte, eine andere Seite des Lebens in Tablada, die ich ja auch hatte kennenlernen wollen! Andauernd hatte ich zu tun, war in der Familie oder mit den Leuten aus der Gemeinde unterwegs, wo auch sehr viel unternommen wird. Und trotzdem habe ich mich sehr entspannt in dieser Zeit und dadurch ging mir auch sonst alles andere leichter von der Hand als vorher, im Heim habe ich meinen Englischkurs wieder angefangen, der dann auch viel besser geklappt hat, und auch sonst kam ich sehr gut mit allen Kindern zurecht.

Was mir wohl sehr geholfen hat, war, dass ich nach meiner Zeit im Heim (also ab 17.00) etwas anderes gesehen habe, ein sehr schoenes Familienleben geniessen durfte und einfach an anderes gedacht habe als die Arbeit mit den Kindern. Die Befuerchtung, dass ich mich dadurch mit meinen beiden Voluntaria-Freundinnen schlechter verstehen wuerde, hat sich nicht bewahrheitet. Zwar war ich natuerlich sicher weniger mit ihnen zusammen, aber sie kamen mich oefter auch besuchen und lernten auch den neuen Freundeskreis kennen und zu schaetzen=)

Im Mai bekam ich den lang ersehnten Besuch von meiner Mutter und meinem Bruder, sie lernten das Heim und Tablada kennen und dann auch Arequipa, den Titicacasee und Cusco mit Machu Picchu.... Das waren 2 sehr schoene Wochen und ich bin froh, dass die zwei, das was Peru fuer mich ausmacht, so ein bisschen besser kennengelernt haben!

Zur gleichen Zeit zog Anne mit ins Heim, fertige Studentin (ich habs bis heute noch nicht drauf, wofuer sie genau ein Diplom hat=), aber zumindest ist ein Teil ihrer Arbeit Gebrauchsanleitungen schreiben), und ist fuer 6 Monate mit dabei.  

Im Juni war ein groesseres Ereignis der 50. Geburtstag meines Gastvaters, den wir bei der Gastfamilie mit allem, was dazugehoert, gefeiert haben=) Also grosses Essen, viele Gaeste, Tanz und Piñata (ein Tier oder eine Sektflasche oder irgendetwas anderes, aus Pappe, mit Bonbons und kleinem Krimskrams gefuellt, welches das Geburtstagskind mit verbundenen Augen und einem Schlaeger aufschlagen muss, den Krimskrams, der dann rausfaellt, duerfen die Geburtstagsgaeste behalten)... War sehr peruanisch und sehr schoen=)

Der Juli hatte am Tag des Geburtstags meiner Gastmutter (oder Pflegemutter, wie Paula sagt=) ) eine boese Ueberrachung fuer uns... Meine Gastvater musste schnell ins Krankenhaus und wurde am Blinddarm operiert, ganz knapp zu spaet, und musste dort 10 Tage bleiben. Kaum war er wieder daheim, wurde meine Gastmutter –allerdings laenger geplant- interniert (sagt man das so??) und wurde auch operiert, an einem Brusttumor, der gottseidank noch klein war.

In der Zeit waren wir also viel unterwegs, um ins Krankenhaus zu fahren, das auch nicht ganz nah liegt, und an meinem letzten Tag in Peru wurde meine Gastmutter schliesslich entlassen, wie froh war ich da, als sie mit an den Flughafen fahren konnte!!!!!

Die Zeit war also nicht ganz einfach und unbeschwert wie die Monate vorher, aber ich bin sehr sehr dankbar, dass ich trotzdem mit dabei sein und versuchen durfte, mitzuhelfen, wo ich konnte.

Dazu kam Ende Mai der Wintereinbruch, allerdings nicht so schlimm, wie ich den August letzten Jahres in Erinnerung habe... Klar regnets viel und man muss oftmals das Dach aufwischen, ich weiss nicht, ob ich euch das schon mal erzaehlt habe: Da oft die Haeuser nicht fertiggebaut sind, geht eine Treppe aufs Dach hoch, aber es ist noch kein Blechdach darueber, um die Moeglichkeit offenzuhalten, weiterzubauen, oder weil eben noch kein Geld dafuer da ist.... Das ist zwar in Ordnung und wunderbar, wenn man im Sommer auf dem Dach sitzen kann, das einzige Problem ist, dass es bei Regen reinregnet und sich auf dem Dach ein Schwimmbad ansammelt, das, wenn man es nicht aufwischt, durch das Dach sickert und es kaputtmacht.

Immer naeher rueckte dann der 18. August und damit mein Abschied von einem Land und von den Menschen, die ich doch in diesem so intensiven Jahr sehr ins Herz geschlossen hatte... Natuerlich freute ich mich auch sehr darauf, meine Familie und Freunde wiederzusehen und da es immer klar war, dass ich nach einem Jahr zurueck nach Deutschland fliegen wuerde, war ich immer darauf eingestellt. Haette mir jemand angeboten, noch 2 Monate laenger bleiben zu koennen, ich haette nicht gewollt, weil eben alles so auf dieses Ende hingesteuert hat, wenn ihr versteht, was ich meine...?

Aber verstaerkt wurde meine Abschiedsspannung und –traurigkeit doch sehr durch die ganzen Krankenhausgeschichten und die Anspannung deswegen.

An meinem letzten Arbeitstag im Heim, ein Freitag, war ich nachmittags, wie jeden Freitag eben, bei den Kleinen beschaeftigt, und hatte deshalb gar keine Zeit, wie die anderen 2, in die Salons zu gehen und mich von den einzelnen Gruppen zu verabschieden. Als schliesslich 5 war und ich mir dessen richtig bewusst wurde, war es schon zu spaet und ich war ziemlich traurig, mich vor allem von „meinen“ Grossen nicht verabschiedet zu haben, grade auch, da ich die fotos noch nicht verteilt hatte, die ich als Andenken fuer alle ausgedruckt hatte. Dann aber fand eine kleine Verabschiedung mit dem Personal statt, der Baecker hatte alles moegliche an Plaetzchen vorbereitet und eine pinke Torte in Herzform=) das war alles sehr nett gemacht und wir blieben etwa 2 Stunden zusammen bis dann jeder nach Hause ging. Als ich an unserer Haustuer klingelte, oeffnete mein Gastvater und meinte nur, er wisse auch nicht, was mit dem Strom sei, das Licht gehe nicht mehr. Tatsaechlich kam ich in ein finsteres Wohnzimmer rein, versuchte aber doch nochmal den Lichtschalter, siehe da, es wurde Licht...... und alle sassen sie da, auf den Sesseln und dem Sofa!!!!

Sie hatten auch einen Kuchen mitgebracht (von dem ich allerdings nach der pinken Torte nichts mehr essen wollte, er wurde aber auch ohne mich problemlos aufgegessen=) ) und so kam ich doch noch zu meiner Verabschiedung!!

Am Samstag Abend hatte dann Susana ein Fest organisiert (sogar mit Lichtern und einer Anlage) und alle Freunde eingeladen, das war wirklich wunderschoen!! Bis um 4 haben wir getanzt und sind von dort aus mit dem Taxi los, um Maren zum Flughafen zu bringen.

Am Sonntag war nicht mehr viel los, ich musste packen und wir waren noch im Krankenhaus und am Montag bin ich nochmal schnell im Hogar vorbei und nach dem Mittagessen sind wir (alle 5!!!) zum Flughafen gefahren.

Das Auto hat es grade bis dorthin geschafft, haben sie mir danach erzaehlt=) Beim Zurueckfahren mussten sie ein paar Male aussteigen und anschieben.

So, und jetzt bin ich also daheim, wir waren einige Tage im Wallis zum Wandern und in Nuernberg bei der Oma und diese Woche kommen dann doch mal nach und nach alle Freunde an, die bis jetzt auch noch unterwegs waren, da freue ich mich natuerlich!

Aber seltsam war es schon, anzukommen, die grossen (!) kleinen Geschwister zu sehen, dass hier alles so GRUEN ist, aber doch noch gleich wie ich es zurueckgelassen hatte. Ich war aber doch echt erstaunt, als aus dem Hahn in der Kueche warmes Wasser kam (ich hatte es einfach vergessen) und der Kuehlschrank so riesig und voll war=) Und die ersten 5 Tage habe ich jedesmal das Klopapier in den Muelleimer geworfen (weil das Klo ja sonst verstopft!) =)

Zum Schluss moechte ich mich nochmal bei euch allen bedanken, ihr habt mich gut begleitet, und vielen Dank fuer die Mails und Telefonate, durch die der Kontakt gut erhalten geblieben ist!!!! Ich freue mich, euch zu sehen!

Viele liebe Gruesse aus Wittlingen,

                                                                       Magdalena  

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Marga Kaiser

2008 Dezember - Nr. 1 

Bald schon steht nun Weihnachten vor der Tür und da merk ich doch wieder wie rasend schnell  die Zeit bisher rum ging. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es einfach noch so vieles Neues zu entdecken gab und noch immer zu entdecken gibt.

Im Heim wurden wir von den Mitarbeitern und Kindern sehr herzlich empfangen, natuerlich immer mit Küsschen und wurden erstmal mit tausend Fragen über unser Leben in Deutschland bombadiert.

Die Gruppen im Heim sind nach den 3 bis 5 Jaehrigen (Conejitos felices) , den 6 bis 9 Jaehrigen ( Campeones), den 10 bis 12 Jaehrigen (de la mañana) und den 13 bis 17 Jaehrigen (Sin Fronteras) aufgeteilt. In den ersten vier Wochen sind Maria, Steffi und ich für jeweils eine Woche in eine Gruppe gegangen um erstmal einen Überblick zu bekommen und die Kinder ein bisschen kennenlernen zu koennen. Schlussendlich habe ich mich für die Gruppe der Ältesten, den Chicas und Chicos  sin fronteras  für morgens und den Campeones für nachmittags entschieden.

Um acht Uhr startet der Tag immer mit einer morgendliche Reflexion, in der  aktuelle Geschehnisse der Welt besprochen werden oder Probleme und sonstige Neuigkeiten des Heims berichtet und ausdiskutiert werden. Anschliessend helfe ich bei Hausaufgaben, vor allem in Englisch, weil da viele ziemliche Probleme haben und auch die Englischlehrer in der Schule wohl nicht sehr gut sein sollen. Ich gebe auch Englischunterricht, mit zwei  übersetzte ich beispielsweise englische Lieder, und übe sie mit ihnen singen, damit sie auch die Aussprache üben koennen. Allerdings sind natürlich nicht alle an Englisch interessiert. Auch ein bisschen Deutsch zeige ich ihnen manchmal. Deutsch bringt ihnen zwar weniger als Englisch, allerdings kann ich es auch sehr gut verstehen, dass sie an Deutsch interessiert sind wegen dem Kontakt zu Deutschland durch das Heim.  In den Pausen wird sowohl morgens als auch mittags oft Volleyball oder Fussball gespielt.

Um 12 beginnt meine Mittagspause und um 12:30 isst das Team zusammen zu Mittag. Anfangs war es etwas ungewohnt fast jeden Tag nur Reis und Bohnen auf dem Teller zu haben, aber  es schmeckt mir ganz gut. Mittwochs passe ich in der Mittagspausen auf die Kleinsten auf, wenn sie vom Kinderheim abgeholt werden.

Um 14.30 Uhr  gehe ich dann zu meinen Campeones und helfe ihnen bei Hausaufgaben. Oftmals ist es gar nicht so leicht Hausaufgaben mit ihnen zu machen, da einige Kinder im Salon schon am Spielen sind und dadurch die anderen ablenken, aber es steht uns ein freier Raum zur Verfügung, den wir benutzen koennen, wenn etwas Ruhe noetig ist. Da einige Kinder ziemliche Schwächen in Mathe haben, habe ich mit einigen Kleinen ein Dominospiel gebastelt um mit diesem die Multiplikationsreihen zu üben. In der Gruppe hilft auch immer Sarai mit, die letztes Jahr noch selbst als Kind im Heim war und durch ihre Arbeit im Heim nun ihre Fahrt zu ihrer jetztigen Schule finanziert. Die Gruppe gefällt mir ziemlich gut, allerdings schockt es mich auch ein bisschen, dass zum Beispiel ein Maedchen aufgrund ihrer etwas dunkleren Hautfarbe im Gegensatz zu den anderen, geärgert wird. Zum Beispiel hatte ich das Maedchen einmal auf dem Schoss und ein anderes Kind hat daraufhin gemeint, sie würde mich mit ihrer Haut schmutzig machen. Das fand ich ziemlich heftig. Darüber haben Sarai und ich uns dann auch mit den Kindern auseinandergesetzt und das Problem besprochen.

Manchmal bekommen wir auch die Probleme mit die einige Kinder Zuhause haben. Ein Mädchen wird zum Beispiel geschlagen und hat nicht viel Zeit sich auf die Schule zu konzentrieren, weil sie sich um die kleineren Geschwister kümmern muss. Über solche Dinge reden die Kinder hier relativ sehr offen, was denke ich auch sehr wichtig ist.

Freitags wird die Wochemit einer Reunión mit Luis und den anderen Mitarbeitern abgeschlossen um nochmal die Geschehnisse der Woche und die Pläne fuer zukünftige Ereignisse zu besprechen.

Was mir im Heim auch sehr gut gefällt sind die Bäckerei und die Schreinerei des Heims, in denen ich gerne arbeite und mithelfe. In der Bäckerei wird vor allem das Brot für das Vesper morgens und mittags gebacken. Mittwochs werden immer Kuchen oder andere Leckereien gebacken. Jetzt um die Weihnachtszeit gibt es ganz oft Panetón und wir sollen Ricardo, den Baecker, beraten wie er uns am besten schmeckt, weil er noch am Rezept etwas herumrumexperimentiert. Neulich habe ich auch mit ihm und einigen Kindern deutsche Weihnachstplätzchen gebacken. Es ist echt ein komisches Gefuehl Weihnachtsschmuck aufzuhängen, während die Sonne scheint und es draussen heiss ist. Da komme ich einfach nicht ganz in Weihnachtsstimmung.

In letzter Zeit haben auch die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest im Hogar begonnen. Mit einigen von meiner Gruppe der Ältesten übe ich momentan ein englisches Weihnachtslied und einen Tanz, was sie bei der Weihnachtsfeier vorführen möchten . Auch in den anderen Gruppen werden fleissig Theaterstücke, Tänze und Gesang geübt.

In der Schreinerei wird zur Zeit Weihnachtsschmuckt gemacht und letzte Woche waren wir sonntags in Miraflores bei der deutschen Gemeinde um nach dem Gottesdienst an einem Stand um die von Javier in der Schreinerei hergestellten Dinge zu verkaufen. In der deutschen Gemeinde gibt es einen neuen Pfarrer, der im Heim ein Mal eine Messe gehalten hat und anschliessend die Bäckerei, die auf Produktion und Verkauf umgebaut wurde, gesegnet hat.

Nun moechte ich auf  unseren Wohnbereich im Heim kommen. Es stehen uns zwei Badezimmer, eine Küche, eine Terrasse mit tollem Aublick, und ein Videoraum zur Verfügung. Gefällt mir wirklich sehr gut, daran können nicht mal die Skorpione, die es sich manchmal in der Dusche bequem machen, etwas ändern. Ganz praktisch ist, dass wir eine Waschmaschine haben.

Seit kurzem haben wir nun auch alle ein eigenes Zimmer, denn bisher haben  Maria und ich uns noch ein Zimmer geteilt, da Anne noch da war. Anne war schon länger im Heim, als wir ankamen, und war am Anfang echt eine grosse Hilfe, weil sie uns viel zeigen konnte. Montags, wenn der Einkauf für die Woche erledigt wird,  gehen immer zwei oder einer von uns mit um uns für die Woche zu versorgen und es steht uns dafür ein bestimmer Vertrag  zur Verfügung. Ansonsten ist der Mercado, der circa fünf Minuten vom Heim entfernt ist,  sehr praktisch, weil es dort ziemlich günstig Lebensmittel gibt, vor allem Obst und Gemuese, und auch CDs und Filme kann man dort sehr billig kaufen.

Ein Teil unserer freien Zeit verbringen wir mit anderen Jugendlichen in Tablada. Auch zu Anita haben wir einen guten Kontakt, und da ist es natülich sehr praktisch, dass sie gleich neben dem Heim wohnt.

Das  Tor des Heims wird immer um eine bestimmte Uhrzeit, also unter der Woche um 11 und am Wochenende um 2 Uhr geschlossen, aber wenn wir Luis Bescheid geben, dass wir laenger unterwegs sind, ist das kein Problem.

Das Heim scheint in Tablada schon bekannt zu sein, zumindest koennen uns ziemlich viele fremde Leute zuordnen wo wir hingehoeren. Einmal waren wir drei an einem Schulfest in Tablada, an dem die Eltern ihren Kindern beim tanzen zuschauten, und da wurden wir drei von der Buehne aus vor der ganzen Schule begruesst und vorgestellt.

Einige Male wurden wir schon von Heimkindern zu sich nach Hause eingeladen. Es ist interessant mal einen einen Einblick, auch wenn nur einen kleinen, in die soziale Lage und das soziale Umfeld der Kinder zu bekommen. Beispielsweise waren wir einmal auf einem 15. Geburtstag, der bei Mädchen in Peru ganz gross gefeiert wird. Auch bei einer Erstkommunion waren wir schon dabei, aber ganz egal um was fü eine Festlichkeit es sich handelt, schlussendlich wird meistens getanzt.

Die Familien sind sehr gastfreundlich, herzlich und auch sehr interessiert in unser Leben in Deutschland. An diesem Punkt möchte ich auch festhalten, dass die Peruaner sehr freundlich sind und vor allem sehr hilfsbereit. Hat man sich zum Beispiel mal verirrt oder kennt nicht genau den Weg zu seinem Ziel, dann kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass mehrere Peruaner dein Problem erkennen und einem weiterhelfen oder es wird einem genau erklärt wo man besonders gut auf seine Wertsachen aufpassen muss.

Was mir auch sehr schnell aufgefallen ist, viele Peruaner erzählen immer ganz begeistert von ihrem Land, von dem vielen peruanischen Essen, was daran liegt, dass die Kultur durch die Regionen der  Küste, der Selva und der Sierra sehr vielschichtig ist.   

Die erste Zeit haben wir verschiedene Stadtteile von Lima besichtigt und ganz schnell die grossen sozialen Unterschiede zu sehen bekommen. Mit Combis, Custers und Bussen kommt man eigentlich überall ganz gut hin, der Verkehr ist jedoch ein ziemliches  Chaos. Jeder fáhrt wie er will und es geht gleich ein Gehupe los, sobald es mal nicht weitergeht, aber daran gewöhnt man sich ziemlich schnell.

Seitdem ich hier bin, gab es  schon einige Templore, leichte Erdbeben von denen das Gebiet hier ziemlich betroffen ist, und oftmals ist es dann auch so, dass sich nach einem Templor das Wetter ändert.

Da wir ja alle drei Monate wegen dem Visum ausreisen müssen, waren wir für eine Woche in Guayaquil in Ecuador. Auf dem Rückflug gab es dann noch einige Probleme, weil Steffi ihren Ausweis verloren hat und sie nicht ins Land einreisen durfte. Nach einigen Stunden wurde das Problem  allerdings über die deutschen Botschaft geregelt und der Schreck, Steffi müsste vielleicht ins Heimatland zurückfliegen, hat sich wieder gelegt.

Letztes Wochenende sind wir nach Ica gefahren, wo letztes Jahr durch das Erdbeben so viel zerstoert wurde. Es gibt dort ein soziales Projekt für Kinder, bei dem unter anderem einige aus Tablada, die wir kennen, beteiligt sind. Wir haben ein paar Tüten  voll mit Kleidern und Kuscheltieren mitgebracht.

Ende Dezember kommt auch schon mein Vater zu Besuch und es geht auf Reisen zum Macchu Picchu, Titicacasee und auch in den Regenwald. Mitte Januar müssen wir drei dann auch schon wieder ausreisen und haben damit gleich unser FID Seminar in Bolivien. Ich bin echt mal gespannt auf Bolivien, da wir dort anschliessend auch noch etwas reisen werden, aber dazu mehr in meinem nächsten Bericht.  Bis dann!

Liebe Grüsse aus Tablada, Marga

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Maria Weisshaar

2008 Dezember - Nr. 1

Jetzt bin ich schon 19 Wochen hier in Tablada de Lurin, einem Stadtteil von Lima und ich hab schon so viel erlebt was ich im Leben nicht aufschreiben kann, aber hier ein kleiner Teil davon:

Als wir total muede am Flughafen angekommen sind wurden wir sofort super-herzlich empfangen, wir fuhren zurueck, tranken einen Tee, wurden ein bisschen durch das Hogar gefuert und bekamen unsere Zimmer gezeigt. Die ersten drei Monate wohnte ich mit Marga zusammen in einem Zimmer. Als wir dann endlich im Bett lagen, stellten wir noch fest, dass es hier alles andere als leise ist. Irgendwo laeuft immer laute Musik, irgendwelche Leute reden laut in den Strassen und auch die vieeeeeeeeeeeeeeeelen Hunde bellen.. Aber wir haben uns schnell drangewoehnt und jetzt faellt es schon gar nicht mehr auf.
Das Heim besteht aus vier verschieden Altersgruppen und die ersten Wochen schnupperten wir in jede rein um uns dann fuer eine zu entscheiden. So blieb ich in der Gruppe mit den Kindern in dem Alter von 9-11.  In der es mir immer noch super gefaellt.

Mit der Zeit kann man die Kinder und ihr Geschichten beser kennenlernen. Doch es ist was ganz andres wenn man die Chance bekommst sie Zuhause zu besuchen.
So waren wir einmal bei Thalia(10) Daheim. Sie wohnt im ersten Stock eines Betonhauses. Da dies zu einer Seite offen ist, hat es drinnen immer die gleich Temperatur wie draussen. Die Zimmer sind mit Vohaengen unterteilt, die bei jedem Windstoss aufgehen. Und das alles erreicht man nur duch eine aeusserst.-klapprige Holztreppe, von der ich nicht weiss wie lange sie noch haelt.
Aber wir wurden von ihrer Mutter, ihrem Bruder und ihren Nachbarn total herzlich empfangen. Bekamen eine leckre heisse Schokolade und belegte Broetchen, die sie zusamenntrugen. (des heisst einer hatte Broettchen, einer Wurst und der Rest wurde halt noch schnell gekauft).
Die Menschen gaben uns ein Einblick in ihr Leben und erzaehlten und viel von ihrer Situation..

An einem Abend haben wir  Kassandra, Flor und Luis Alfredo (drei Jugendliche des Hogars)  zum Pizzabacken eingeladen. Wie machten also den Teig und belegten sie dann. Fuer uns ganz normale Handgriffe doch fuer sie zum Teil was ganz Neues. Dannach erklaerten und spieleten wir noch das Kartenspiel UNO. Es war ein schoener Abend und wir hatten auch Zeit mal mit ihnen ueber ganz andre Sachen zu quatschen- da wir waehrend der geregelten Hoagrzeiten nicht so oft dazukommen.

An den Wochenende ist manchmal ein Ausflug mit dem Hogar aber meistens haben wir auch frei. Manchmal hat Luis (Direktor des Hogars) schon mit uns was unternommen und uns ein bisschen von der Stadt gezeigt.
Wir waren natuerlich auch schon peruanisch Essen. also achi de gallina hat mir gut geschmeckt. Wobei es Unterschliedlich ist, wieviel achi verwendet wird. Und es dann mehr oder weniger scharf wird... Ceviche (roher Fisch) ist gewoehnungsbeduerftig...
Zum trinken, neben Pisco Sour und Bier, kann man auch immer Coca-cola oder Inka-cola bestellen.

Zu meinem sprachlichen Kenntnissen ist zu sagen, dass am Anfang noch ziemlich Schwierigkeiten hatte mich zu verstaendigen. Das Spnaisch verstehen ist um einoges einfacher als sich selber mitzuteilen.Wie soll man denn diskutieren, wenn man der Sprache nicht maechtig ist? Aber nach vier Monaten geht das natuerlich jetzt immer besser!:-)

Und noch kurz zum Strassenverkehr, das ist hier naemlich auch so eine Sache. Wenn es an einer Kreuzung keine Ampel gibt, dann behaelt man natuerlich seine Geschwindigkeit und hupt einfach einaml laut um dann die Kreuzung zu ueberqueren. Die Strassen sind oft mehrsprurig, es ist nicht eingezeichnet wieviele Autos nebeneinander Platz  haben, das wird einfach ausprobiert, wiederholt und gedraengelt. Um von A nach B zu kommen  gibt es hier die sogenannten Combis. In denen es meistens viel zu voll ist und ich immer wieder erstaunt bin wieviele Menschen sich doch in so einen kleinen Bus reinquetschen koennen.

Weihanchten wird ganz anders gefeiert. Weihnachten ist ein Freudenfest. Hier ist man viel spaeter mit der Familie zu Abend, dann gibt es um Mitternacht ein Feuerwerk und dannach geht man tanzen und feiern. Es war schon interessant mitanzuschaun, aber fuer mich war so ohne Familie garkeine richtige Weihnachtsstimmung da.

Ich wuensche allen ein FELIZ AÑO NUEVO

Maria

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Stefanie Büche

2008 Dezember - Nr. 1

Hallo alle zusammen!  

Inzwischen bin ich nun schon mehr als 4 Monate in Peru, die Zeit verging – wenn man nun zurueckblick – doch recht schnell und der 24. August scheint schon weit zurueck zu liegen. Wir haben schon so viel erlebt hier, dass ich gar nicht recht weiss, wo ich nun mit meinem Erfahrungsbericht beginnen soll... Ich werde einfach mal versuchen, meine Zeit hier so gut wie moeglich zusammenzufassen!  

Nachdem wir in unseren ersten Wochen im Hogar in jeden der vier Salons mit den Kindern der unterschiedlichen Altersgruppen reinschnuppert hatten, haben wir uns aufgeteilt: Vormittags bin ich im Salon „ Los Campeones“, da sind die 6-9jaehrigen, die Nachmittage verbringe ich mit den „Conejitos felices“, den Kleinsten hier im Hogar, den 3-6 jaehrigen!

Die Arbeit mit den Kleinen macht mir wirklich viel Spass, auch wenn sie doch nicht immer ganz einfach ist. Gerade wenn es beispielsweise darum geht, die Kleinen zu duschen und einige partout nicht unters Wasser wollen, auch wenn dieses jetzt im Sommer doch immer schoen warm ist, dann kann es schon recht anstrengend werden, wenn man mit ihnen im Bad steht und einige anfangen zu Heulen und zu Schreien. Doch war es fuer mich vor kurzem zum Beispiel auch schoen zu sehen, dass die Kinder inzwischen schon ein groeseres Vertrauen zu einem aufgebaut haben und man auch mit einem fuenfjaehrigen so reden kann, dass er danach tatsaechlich zum ersten Mal ohne zu Weinen mit mir Duschen kommt. Auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist, so freut man sich doch sehr ueber so etwas...

Einen Vormittag, an dem die Kleinen unerwarteterweise keinen Kindergarten hatten und daher ihre Erziehrein nicht da war, haben Maria und ich kurzerhand die Kleinen alleine uebernommen. Wir mussten mit Erstaunen feststellen, wie gut wir sie doch schon unter Kontrolle hatten...

Im Allgemeinen sind sie jedoch alle noch recht klein und verspielt (nicht nur die wirklich kleinen) und wollen verstaendlicherweise lieber spielen als Hausaufgaben machen. Ein Chaos-Salon mit viel verstreutem Spielzeug ist daher keine Seltenheit. Doch wenn mir dann einer der Kleinen mit der Lego-Kiste entgegen kommt und versucht, als einziger Ordnung zu schaffen, ist es doch wiederum suess.

Generell muss ich sagen, dass ein lachendes Kindergesicht doch so vieles wieder wettmachen kann und ich deshalb immer wieder gerne zu meinen Kleinen gehe!

Auch wenn ein Tagesablauf im Heim im Prinzip immer gleich ablaeuft, wird es eigentlich nie langweilig. Von Zeit zu Zeit stehen Ausfluege mit den Kindern in einen Park oder ins Theater an, ein andermal die Besichtigung einer Universitaet.

Vor Weihnachten haben wir beim Adventsmark in der deutschen Gemeinde in Miraflores mitgehofen, die Sachen aus der Schreinerei des Hogars zu verkaufen.

Auch auserhalb des Lebens im Hogar haben wir schon einiges unternommen und erlebt. Einige Ausfluege wie zum Beispiel zu den Ruinen in Pachacamac oder ins Nationalmuseum hat Luis, der Direktor des Heimes, mit uns unternommen.

Ein andermal waren wir mit einem Freund in Ica, einem Ort etwas weiter suedlich von Lima, welcher im letzten Jahr ziemlich stark von dem Erdbeben zerstoert wurde, und haben dort neben der Oase Huacachina, welche von Sandduenen umgeben ist, auch ein Projekte angeschaut, bei dem einige Jugendliche aus Tablada mitgeholfen haben, neue Haeuser fuer die Leute dort zu bauen.

Auch bei peruanischen Festen und Feierlichkeiten haben wir schon teilgenommen. Einer der Jungs aus dem Hogar hat uns zu seiner Erstkommunion eingeladen, ein Maedchen zu ihrem 15. Geburtstag (was fuer Maedchen hier ein besonderer Tag ist!) und auch an einer Hochzeit waren wir schon. Was hier nirgends fehlen darf, ist natuerlich die riesige Torte mit schoen viel Sahne und Musik, zu denen Alt und Jung anfaengt zu tanzen!

Inzwischen koennen wir uns auch ohne Probleme ins Zentrum oder andere Teile von Lima gelangen. Doch das Kombi fahern fand ich anfangs alles andere als einfach und uebersichtlich...

Zum Verkehr hier muss man sagen, dass er doch leicht gewoehnungsbeduerftig ist. Ungeterrte Strassen und jede Menge Schlagloecher sind normal und der Taxifahrer ist auch nicht besoffen wenn er Schlangenlinien faehrt, sondern versucht lediglich den groeplatz auf und nieder huepft ;)

Busfahrplaene existieren hier nicht, Bushaltestellen trifft man auch nur vereinzelt an... Wie das hier funktioeniert? Inzwischen kann ich sagen, dass es eigenltich ganz einfach und auch sehr praktisch ist, denn man braucht sich nur an die Strasse zu stellen und in den naechsten Komi der vorbeifaehrt einzusteigen. Kombis sind wie VW-Busse, die hier ueberall herumfahren und auch gut mal mehr als 25 Leute auf einmal mitnehmen.

Am Anfang glaubte ich noch, ich wuerde nie verstehen, welchen Kombi wir wohin nehmen muessen, doch inzwischen haben wir einigermassen den Ueberblick.

Und wenn nicht ist es inzwischen auch kein Problem mehr, einfach nachzufragen. Es diskutiert dann auch gerne mal der ganze Kombi mit, wo man den nun am Besten umsteigen sollte...

Zu Beginn war das alles nicht ganz einfach, gerade fuer mich, da ich vor meinem 4-Wochen-Intesivkurs in Spanien kurz vor der Reise nach Peru noch kein Wort Spanisch konnte. Doch der Kurs hat sich auf alle Faelle gelohnt und hat mir meinen Einstieg hier doch sicher erleichtert.

Trotzdem gab es viele Situationen, in denen mir einfach alles Spanisch vorkam ;) und ich mir gewuenscht hatte, schon viel mehr zu verstehen und sprechen zu koennen. Selbst wenn ich verastanden habe, was jemand zu mir gesagt hat, kam ich mir doch oft recht hilflos vor, wenn ich nicht das antworten konnte, was ich gerne gesagt haette.

Doch da mir ausser mit meinen Mitfreiwilligen nicht allzu viele Gelegenheiten gegeben werden, Deutsch zu sprechen und ich morgens um 8 Uhr von den Kindern mit dem Maerchenbuch zum Vorlesen begruesst werde, hat sich das doch schon ziemlich gebessert.

Ich verstehe inzwischen ziemlich viel und kann mich auch relativ gut verstaendligen – jedoch gibt es jeden Tag wieder neues zu Lernen...

Doch nicht nur die Sprache war voellig fremd – auch sonst gab es viele neue Eindruecke und Situationen, mit denen wir hier konfroniert wurden und immer noch werden...

Wo ich mir doch am Anfang gar nichts unter dem Wetter in Tabalda vorstellen konnte, sollte ich es bald besser wissen. Suedamerika bedeutet keinenfalls gleich wames Wetter! Als wir im August hier ankamen, war im Gegensatz zu Deutschland gerade Winter und das Wetter war alles andere als schoen! Der immer andauernde Nebel und die hohe Luftfeuchtigkeit in den ersten Monaten waren nicht gerade sehr angenehm.

Doch inzwischen kann man sich wirklich nicht beklagen, die Sonne scheint nun jeden Tag und sobald sie rauskommt ist es auch gleich richtig warm. So ist das Waesche trocknen endlich kein Problem mehr – vielmehr muss man aufpassen, nicht gleich den Sonnenbrand zu bekommen, da die Sonne hier doch viel staerker scheitn.

Dies musste ich leider in den letzten Tagen selbst miterleben, da wir uns am Silvesterabend auf den Weg zm Strand gemacht haben und das neue Jahr am Meer begonnen haben... :)  

Inzwischen haben wir uns ganz gut eingelebt hier, aergern uns nicht mehr allzu sehr ueber Flohstiche und auch die Skorpione, welch uns hin und wieder in der Dusche oder in unseren Zimmern besuchen, sind halbwegs zum Alltag geworden (soweit das eben geht!) – wenn ich mich wahrscheinlich auch nie mit ihnen anfreunden werde, ebensowenig wie mit der Springspinne, die vor einigen Tagen meinte, mich in meinem Bett besuchen kommen zum muessen ;P

Nun bin ich gespannt, wie die naechsten zwei Wochen werden, in denen wir uns waehrend unserer Januar-Ferien mit dem Boot auf den Weg in den Dschungel machen... sicherlich spannend und abenteuerlich! Und hoffentlich mit nicht allzuvielen Krabbelviechern :P

Nach unserer Dschungel-Tour werden wir Maria, Marga und ich uns dann auf den Weg nach Bolivien zum fid-Zwischenseminar machen, auf welches ich mich schon sehr freue und nachdem wir hoffentlich ohne weiter Schwierigkeiten wieder nach Peru einreisen, wo dann im Februar unser Leben im Hogar weitergeht...

Unsere erste Ausreise aus Peru im November, welche wir zur Verlaengerung unseres Touristenvisums gemacht haben, endete naemlich mit einigen unangenehmen Stunden auf dem Flughafen, weil man Reisepass verschwunden war und die Leute am Zoll mich nicht mehr einreisen lassen wollten.

Doch nach langem Warten, dem Gespraechen ueber einen Rueckflug nach Deutschand und einem Telefonat mit der deutsche Botschaft, sasen wir Nachts um halb 2 endlich in einem Taxi zurueck „nach Hause“....

Ich bin gespannt, was uns in der kommenden Zeit erwartet und werde euch auf dem laufenden halten. Euch allen ein gutes neues Jahr...  

Hier gehts zu meinem Photoalbum

Liebe Gruesse aus Tablada,

Stefanie Bueche  

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Stefanie Büche

2009 März - Nr. 2

Es scheint mir, als hätte ich meinen letzten Bericht gerade erst geschrieben und nun steht schon der nächste an! Zwei weitere Monate hier in Peru sind vergangen – vor kurzen haben Marga, Maria und ich Halbzeit gefeiert. Ob man nun sagen soll es ist schon die Hälfte vorbei oder erst – es bleibt noch ein ganzes halbes Jahr oder nur noch – darüber kann man sich sicherlich streiten ;)

Wenn ich jetzt auf das letzte halbe Jahr zurückblicke, kommt es mir sehr lange vor. Wir haben schon so viel gemacht und erlebt und es erscheint mir als leben wir schon eine halbe Ewigkeit hier in unserem neuen „zu Hause“. Eine noch mal genauso lange Zeit liegt nun also vor uns. Doch ich glaube, dass die Zeit sicherlich sehr schnell vergehen wird und wir uns bald umschauen werden, wo unser zweites halbes Jahr geblieben ist ;)

Was seit meinem letzten Erfahrungsbericht passiert ist, will ich euch nun in meinem 2. Bericht erzählen…

Im Monat Januar war das Hogar geschlossen. Es kamen keine Kinder, die Erzieher hatten frei, es wurde renoviert und umgebaut – sprich auch wir hatten Ferien und haben diese Zeit auch ausgiebig genutzt, etwas vom dem Land zu sehen, in dem wir nun schon 4 Monate waren und doch noch nicht viel mehr als Lima und seine unmittelbarer Umgebung gesehen hatten.

So machte ich mich am 3. Januar zusammen mit Maria und einem unserer peruanischen Freunde auf den Weg nach Iquitos – in den Dschungel Perus! Diese Reise war keineswegs eine normale Touristenreise, bei der es von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten gehen sollte.

Wir machten uns zunächst mit dem Bus von Lima auf den Weg nach Tingo Maria, von dort ging es, ebenfalls mit dem Bus, weiter nach Pucallpa und von dort schlussendlich mit dem Boot vier Tage nach Iquitos, wo wir eine ganze Woche verbrachten, bevor es dann am 16. Januar (mit dem Flugzeug) zurück nach Lima gingen.

Die Reise war super schön, wir haben viel erlebt, wovon ich nun ewig berichten könnte; doch möchte ich lieber ein bisschen erzählen, was wir auf der Reise vom Land, den Leuten und der Kultur gelernt haben:

Wir erfuhren was es bedeutet, in Peru weitere Strecken mit dem Bus zu Reisen - dass man sich dabei gerne mal auf ein paar Stunden mehr einstellen muss;
…dass es in den Anden Schnee liegt und daher doch echt kalt werden kann (brrrr…); 
…dass die Peruaner gerne kräftig diskutieren und anschließend gut und gerne über ihre eigenen Witze lachen; 
…dass Hängematten toll sind, doch man sich nach 4 Tagen Hängemattenleben auch wieder sehr auf sein Bett freut – 
...und noch mehr auf eine kalte Dusche mit Wasser, welches nicht als braune Brühe aus dem Fluss kommt – 
...man aber gerne einige Tage danach in einer solchen Brühe im Amazonas schwimmen geht :D;
…dass Peru auch sehr grün ist und es auch richtig regnen kann (nicht nur nieseln!);
…dass es Affen gibt, die man am Liebsten als Kuscheltier mitnehmen möchte, aber auch welche, vor denen man richtig Angst hat;
…dass sich Schlagen um den Hals nicht sehr angenehm anfühlen und wenn sie 35kg wiegen echt eklig sind;
…dass es Schildkröten gibt die nach einem schnappen, wenn man sie streichelt;
…was es bedeutet, Geld zu haben – bzw. kein Geld zu haben;
…wie das Essen aus dem Dschungel schmeckt;
….dass Hühnerbeine in der Suppe durchaus normal sind und (anscheinend ;D) auch gut und gerne mitgegessen werden können; 
…dass Busse und Mototaxis in Iquitos keine Fenster und Türen besitzen – wozu auch bei der Hitze;
…dass unser Spanisch sich leicht von dem Spanisch der Menschen im Dschungel unterscheiden;
…dass Peru auch grün sein kann oder: das Tablada viel zu wenig grün besitzt ;)
…dass das Leben ganz alleine in einer fremden Kultur in einer Gastfamilie ohne andere Freiwillige in der Nähe zum Austausch doch noch mal eine ganz andere, krasse Erfahrung ist;
…dass man nicht jede Erfahrung selbst gemacht haben muss um etwas lernen und mitnehmen zu können;
…wie schön es ist, zu dritt im Hogar zu Leben;
…dass eine Reise nicht im Voraus von vorne bis hinten durchplant sein muss, um schön zu werden. Mir hat die Reise nach Iquitos sehr gut gefallen!

Nach unseren Dschungel-Erlebnissen ging es dann erst mal zurück „nach Hause“, wo wir gerade einmal Zeit hatten unsere vielen Fotos zu sichern und unsere Kleider zu waschen – nicht jedoch diese auch ganz trocknen zu lassen, da es bereits zwei Tage später schon weiter nach Bolivien ging.

In Santa Cruz fand unser fid-Zwischenseminar statt. Uns erwartete eine Gruppe von 40 Leuten, mit denen wir eine Woche lang zusammen im Kolpinghaus lebten. Das Seminar war wirklich interessant und hat mir gut gefallen.

Zuerst war es etwas ungewohnt, plötzlich so viele Deutsche um sich zu haben, so viele deutschsprachige Jugendliche auf einen Haufen. Wir waren aus vielen verschiedenen Ländern aus ganz Südamerika angereist aus teilweise sehr unterschiedlichen Projekten. Trotzdem war irgendwie in gewisser Weise eine gemeinsame Basis da, da wir uns trotz vieler Unterschiede doch in einer ähnlichen Situation befanden. Und so war es schön, Leute um sich zu haben, die ähnliches Erleben wie man selbst und sich mit ihnen über Erfahrungen, Erlebnisse und  Probleme auszutauschen.

Nach dem Seminar verbrachten wir noch unsere letzten Ferientage in Santa Cruz und flogen dann am letzten Januarwochenende zurück nach Lima.  

Hier angekommen ging die Arbeit wieder weiter, wobei es relativ locker begann, da die ersten zwei Wochen noch keine Kinder kamen. So halfen wir hier im Heim etwas aufzurämen nach den Renoviernungs- und Bauarbeiten im Januar und auch in den Salons musste gerputzt und alles wieder hergerichtet werden.

Maria, Marga und ich starteten in diesen beiden Wochen auch noch ein eigenes kleines Projekt: Unsere Idee war es, die Terasse unten im Hof neu zu streichen, da die alte Farbe schon etwas mitgenommen aussah. Jedoch stellte sich unserVorhaben doch etwas schwieriger heraus, als wir uns das ursprünglich vorgestellt hatten. Die alte Farbe musste erst einmal abgeschmiergelt werden, bevor man dann mit einer Base und anschliessend mit der Farbe drüber streichen konnte. Nun fehlen nur noch die Kinder – denn mit ihren Handabrücken wollten wir die nun weisse Wand füllen :)  

Nach diesen beiden Wochen ohne Kinder folgten dann zwei Wochen mit allen Kindern. Denn während der ersten beiden Hogar-Wochen hatten dir Kinder alle noch Schulferien, so dass wirklich alle Kinder von morgens um 8 Uhr bis Abends um 5 Uhr im Heim waren. Damit war dann dir Ruhe und unsere Ferien endgültig vorbei. Doch es ist wirklich interessant zu sehen, wie die Kinder sich entwickelt haben; wie nun die Kleinsten nicht mehr die Kleinsten sind und es noch Kleinere gibt! Viele neue Gesichter findet man nun im Heim und das Namenlernen geht von Neuem los ;)

Für mich folgten dann jedoch erst mal ein paar Wochen Zwangsurlaub, da ich ein entzündetes Auge hatte und deshalb nicht zu den Kindern durfte. So lernte auch ich einmal die Welt der Ärzte hier kennen und musste feststellen, dass es unter Umständen mehrere Anläufe braucht und man auch mal einen etwas weiteren Weg in Kauf nehmen muss, bis man einen Arzt findet, bei welchem man sich gut aufgehoben fühlt und welcher weiss, was man hat und dagegen tun kann.  

Am kommenden Wochenende werden wir nun Marias Besuch aus Deutschland am Flughafen abholen und in der kommenden Woche werde ich dann gemeinsam ihnen eine 10-tägige Rundreise durch Peru starten – dieses Mal als typischer Tourist :) Ich bin gespannt, was uns erwarten wird, ich werde in meinem nächsten Bericht davon erzählen...

Viele liebe Grüsse aus dem noch immer sommerlichen Tablada ins kalte winterliche Deutschland,

Stefanie Bueche

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Marga Kaiser

2009 März - Nr. 2

Die Zeit ging aber mal wieder schnell vorbei, wir haben schon Halbzeit und seit meinem letzten Erfahrungsbericht ist schon einiges passiert.

Zunächst kam an Heiligabend mein Vater in Peru an. Weihnachten habe ich hier in Peru weniger sinnlicher wahrgenommen mit all dem Feuerwerken und Krach auf den Straßen und wir haben die Nacht tanzend bei Anita im Garten verbracht.Von dem Weihnachtsfest im Heim selber habe ich nichts mitbekommen, weil ich den Tag zuvor mit meinem Vater auf Reise gegangen bin.

Angefangen hat unsere Reise mit zwei etwas ruhigeren Tagen in Arequipa, wo wir uns erstmal an die Höhe gewöhnen konnten, denn ganz unterschätzen darf man die nicht, vor allem nicht in Puno, das mit seinen 3800 Metern Höhe schon relativ hoch liegt und wir so einiges an Programm hatten. Die Fahrt mit dem Bus mitten durch die Anden von Arequipa nach Puno war sehr schön und wir bekamen viele Lamas und für die Sierra traditionell gekleidetet Menschen zu sehen. Von Puno aus unternahmen wir auf dem Titicacasee einen Ausflug zuerst auf die im See schwimmenden Inseln der Uros, deren Inseln samt Häuser und Booten aus Schilf von den Einheimischen selbst gebaut wurden. Kaum zu glauben, dass dort die Menschen ein richtiges Leben führen. Anschließend sind wir weiter auf die Insel Taquile auf der heute noch rund 1200 Quechua-Indios leben. Nach zwei Tagen sind wir mit dem Bus nach Cuzco, einer wirklich schönen peruanischen Stadt, von wo wir aus unter anderem einen Tagesausflug zum Machu Picchu gemacht. Die Fahrt zum Machu Picchu dauerte vier Stunden mit dem Zug und hat sich wirklich gelohnt, da Machu Picchu niemals von den Spaniern entdeckt wurden und somit heute noch bis zu  80 Prozent original ist. Untere anderem haben wir in Cuzco Meerschweinchen gegessen, für das Peru ja ziemlich berüchtigt ist. Der schönste Teil unsere Reise waren die letztens beiden Tage im Regenwald in Puerto Maldonado am Madre de Dios.Um zu unserer Dschungel-Lodge zu komme hatten wir eine dreistündige Bootsfahrt vor uns. Am gleichen Abend, als es dunkel war, sind wir am Fluss auf Kaimanensuche gegangen. Am nächsten Tag haben wir mit unsere Gruppe von insgesamt acht Mann eine Wanderung mitten durch den Urwald gemacht um auf Tiersuche zu gehen, wobei wir unter anderem Affen, Faultiere, Papageien und sonstige seltene Vogelarten und eine Vogelspinne zu sehen bekommen haben. Toll ist, dass man auch wirklich die Tiere suchen musste, da sie wirklich wild in der Natur leben und nicht wir in einem Zoo zur Schau gestellt werden. Somit war unsere Rundreise beendet und wir sind nach Lima zurückgekehrt. Unser Plan war eigentlich noch nach Churrin zu den heißen Quellen zu fahren und wir hatten uns sogar schon Tickets besorgt, aber leider sind wir die Nacht bevor wir los wollten, krank geworden, weil der Fisch vom Vortag, als wir in Pucusana essen waren, wohl nicht mehr ganz gut war. Also habe ich meinem Vater noch etwas mehr von Lima gezeigt und wir haben was mit Freunden unternommen. Für meinen Vater war es nicht immer leicht, weil er kein Spanisch kann, aber das dauernde Übersetzen hat meinem Spanisch dafür ganz gut getan.

Am 18. Januar ging es dann mit Maria und Steffi zusammen nach Santa Cruz in Bolivien , da wir dort unser Fid- Zwischenseminar verbracht haben. Da wir auf dem Weg zum Flughafen ziemlich knapp angekommen sind, mussten wir unsere Reiserucksäcke alle als Handgepäck mit ins Flugzeug nehmen und mussten daher natürlich einige Sachen wie Hygieneartikel abgeben. Aber wir haben es geschafft. Das war die Hauptsache Es war wirklich eine tolle Erfahrung auf dem einwöchigem Seminar viele andere deutsche Freiwilligenhelfer aus den verschiedensten Ländern Südamerikas wie Chile, Argentinien, Kolumbien, Peru und Bolivien kennen zu lernen oder zum Teil auch wieder zu treffen, weil man einige schon aus dem Vorbereitungsseminar in Köln gekannt hat. War interessant von anderen Projekten zu hören und auch von meinem eigenem Projekt erzählen zu können und zu sehen, dass viele ganz ähnliche Erfahrungen machen. Die Hitze hat dazu beigetragen, dass das Seminar auch ziemlich anstrengend war, so dass der Ausflug in den Schmetterlingspark mit Schwimmbad und sonstigen Freizeitangeboten wirklich mal nötig war um sich zu entspannen. Das mit den Fid- Seminaren sollte auf jeden Fall weiterlaufen für die zukünftigen Freiwilligenhelfer, da die Behandlung von kulturellen Themen, die eigene Rolle und die eigene persönliche Entwicklung wie auch der Erfahrungsaustausch sehr interessant und hilfreich sind.

Auf dem Weg zum Flughafen hatte dann unser Taxi einen Autounfall. Es ist glücklicherweise keiner zu Schaden gekommen. In dem anderen Auto saßen allerdings eine schwangere Frau und ein kleines Kind, die sicherheitshalber ins Krankenhaus gebracht wurden. Wir wurden sofort in ein anderes Taxi verfrachtet und zum Flughafen weitergebracht, unsere Personalien wurden vorher nicht aufgenommen.

Von Bolivien zurück in Lima fing auch bald unsere Arbeit Anfang Februar an, allerdings nur mit den Erziehern, Ricardo, Anita und Javier, weil das Heim für die Kinder erst Mitte Februar geöffnet wurde. Es wurde über die Ferien ziemlich viel im Heim geändert, unter anderem wurde alles frisch gestrichen, einige Sachen wurden umgebaut und die alten Pflanzen ausgerissen und durch neue Pflanzen ersetzt. In den Salons, in denen ebenfalls gestrichen wurden, herrschte ein absolutes Chaos, so dass wir uns erstmal mit den Erziehern an die Arbeit gemacht haben, alles wieder in Ordnung zu bringen und die Salons zu durch Bilder gestalten. Maria, Steffi und ich haben auch noch ein eigenes Projekt angefangen, das die Wand der Terrasse beinhaltet, die wir neu streichen wollen und dann mit den Händeabdrücken von allen Kindern und dem jeweiligen Namen  gestalten möchten. Da Maria eine Spende von ihrer Oma bekommen hat, sind wir auch bald los um mit einem kleinen Teil davon die Farbe zu kaufen. Ansonsten habe ich noch mitgeholfen die Taller von Anita frisch zu streichen

Mitte Februar sind dann endlich die Kinder wieder gekommen und ich habe die ersten zwei Wochen, in denen die Kinder noch keine Schule hatten und somit mehrere Kinder den ganzen Tag da waren, in Judits Salon mitgeholfen. Morgens habe ich mit ihnen Aufgabenblätter gemacht, gemalt oder Armbänder und Ketten aus Perlen gemacht und anschließend haben wir Mädels und Jungs aufgeteilt und Sarai und ich haben jeweils eine Gruppe beim Duschen geholfen und sie anschließend beim Mittagessen begleitet.

In der zweiten Woche ging es dann an den Strand Punta Negra, in der es eine Art Schwimmbecken gibt, da ein kleines Stück vom Meer durch Felsen abgetrennt ist und das Wasser somit ganz ruhig ist. Ich hatte die Verantwortung von einer Gruppe von sechs Kindern. Der Tag war anstrengend, aber auch sehr schön. Abends mussten Maria und ich leider feststellen, dass wir uns ziemlich verbrannt haben. Der Februar ging nun zu Ende und somit auch der Karneval in Peru, den wir hier dadurch zu spüren bekommen habe, dass wenn wir uns, vor allem sonntags, auf den Straßen bewegt haben, auf einmal aus einem Auto oder Motortaxi eine Ladung Wasser abbekommen haben oder von irgendwoher Wasserbomben angeflogen kamen. Manchmal auch in den Bussen.

Anfang März hat bei den Kinder wieder der normale Schulalltag begonnen und ich bin morgens wieder bei den Großen. Es sind viele Kinder aus der nächst kleineren Gruppe zu uns aufgestiegen. Ich gebe auch wieder Englischunterricht, wobei es viele ein ganz unterschiedliches Niveau haben und ich somit allen erstmal versuche ein bestimmtes Vokabular anzulegen und manchem aber nochmal einzeln andere Sachen beibringe. Damit die Motivation bleib, bringe ich unter anderem Spiele mit ein.

Mittags bin ich bei weiterhin bei den Campeones. Die Gruppe ist im Gegensatz zu den nur acht Kindern morgens mit 21 Kinder mittags ziemlich groß und es daher ziemlich viel zu tun gibt.

Ziemlich glücklich bin ich mit dem Salsakurs, den ich mit Maria zusammen angefangen habe und der einen guten Ausgleich an den Tag legt. Wir gehen jeden Montag und Mittwoch hin, auch wenn die Hinfahrt und Rückfahrt jeweils eine Stunde in Limas Verkehr dauert. Und seit kurzem habe ich auch mit Gitarrenunterricht angefangen.

Momentan bin ich gerade alleine im Heim, da Maria und Steffi mit Marias Besuch auf Reisen sind und mein ursprünglicher Plan war dieses Wochenende mit Freunden in Huancayo zu verbringen, allerdings mussten wir unseren Plan kurzfristig aufgeben, da die Straßen aufgrund gesperrt sind.

Ich grüße alle ganz lieb und hoffe, dass der kalte Winter in Deutschland bald zu Ende ist.  

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Marga Kaiser

21. Juli 2009 - Nr. 3

Draussen ist es heute so neblig und feucht, dass ich mich in das Büro von Luis zurückziehe um endlich mal über die vergangenen paar Monate von mir in Peru zu berichten. Zunächst möchte ich erstmal von meinen beiden Gruppen, in denen ich mich täglich aufhalte, berichten. Noch immer bin ich morgens bei den Grossen, habe neulich angefangen mit ihnen Armbänder zu knüpfen, vor allem die Mädchen waren begeistert und wollten alle mitmachen. Auch Schach ist in der freien Zeit, in denen keine Hausaufgaben gemacht warden, eine unserer Lieblingsbeschäftigungen. Mit denen, die an Englisch interessiert sind, übe ich weiterhin englische Lieder. Einen der Jugendlichen habe ich angefangen jede Woche zum Psychologen zu begleiten, da er nicht mehr gehen wollte. Anfangs war es zwar immer so, dass ich immer mal wieder nachfragen musste und ein wenig hinweisen musste, dass der Termin anfällt, aber inzwischen kommt er schon immer von selber und fragt ob ich ihn zum Psychologe hinbringe.

Mit den Grossen geht es am 26. Juli für eine Woche nach Churrin. Wir werden am Sonntag morgen ganz früh aufbrechen um schliesslich nachmittags in Churin anzukommen. Wir werden in einer Internatschule untergebracht, in der sich momentan wegen der Ferien aber keine Kinder aufhalten, und werden von einem deutschen Pfarrer empfangen. Aber darüber berichte in dann in meinem nächsten Bericht genauer. Momentan sind schon alle Kinder den ganzen Tag über im Heim, da von der Regierung aufgrund der Schweinegrippe, die Schulferien vorgezogen wurden.

Nachmittags bin ich weiterhin täglich bei den Campeones. Es ist eine ziemlich grosse Gruppe nachmittags. Eine Zeitlang habe einigen bei den Hausaufgaben geholfen, allerdings habe ich dann mehr angefangen einige Kinder einzeln zu fördern. Zum Beispiel mit einem Jungen suche ich mir immer ein ruhiges Plätzchen um ihm lesen beizubringen, da er im Salon einfach zu abgelenkt wäre.

Nun möchte ich noch vom Muttertag erzählen, für den im Mai eine Messe im Heim stattgefunden hat mit dem Pfarrer Tiberio. Muttertag wird hier ziemlich gross gefeiert. Es ist nicht nur so, dass man seiner eigenen Mutter gratuliert, sondern auch anderen Müttern oder Frauen, die man auf der Strasse trifft. Und somit wurden in allen Gruppen schöne Theaterstücke, Tänze, Flötenvorspiele und Lieder vorbereitet, die nach der Messe aufgeführt wurden. Mit den Kleineren habe ich Geschenke für ihre Mütter gebastelt und dabei geholfen, das Lied, dass sie am Tag der Messe vorgesungen haben, vorzubereiten. Steffi, Maria, Stefan und ich haben das Padre Nuestro mit der Melodie von Sound of Silence auf Flöten, Gitarre und Gesang vorbereitet und während der Messe vorgespielt.

In der Bäckerei wurden natürlich auch Leckereien vorbereitet, so dass jeder am Ende noch etwas Gebäck mit nach Hause bekommen hat. War ein wirklich gut gelungenes Fest.

Da am 28. Juli der Unabhängigkeitstag gefeiert wird, gab es am Anfang diesen Monats einen grossen Marsch von den Schülern der Schulen in Tablada. Mit einigen von meiner Morgengruppe bin ich an die von ziemlich vielen Leuten gefüllte Strasse vom Mercado gegangen um mir anzuschauen, wie den Schülern von klein bis gross das Marschieren in der Schule beigebracht wird. Neben der traditionellen Marschuniform wurden auch durch Verkleidung, Tanz und Musik die Sierra und die Selva, wie in der Art eines Fastnachtsumzuges in Süddeutschland, repräsentiert.

Auch am Tag der Umwelt sind die Schüler der Schulen auf die Strassen gegangen um mit Plakaten für eine bessere Umwelt zu kämpfen. Die Zeit davor haben die Kinder im Heim alle Plakate vorbereitet dafür. Ich denke, dass das auch eine sehr gute Sache ist, damit sich die Kinder über die Umwelt bewusster werden, da in Tablada zum Beispiel sehr viel Müll auf den Strassen liegt.

Ich habe in der letzten Zeit auch durch Hausbesuche bei Heimkindern nochmal einen tieferen Einblick gewonnen unter welchen Umständen viele Menschen hier leben. Mir ist aber auch bewusst geworden, dass es innerhalb der Kinder im Heim einige Unterschiede von ihren Lebensbedingungen her geben. Wogegen manche immerhin einen geschlossenen Raum haben, habe ich zum Beispiel einen Jungen zu Hause besucht, der ganz weit oben auf dem Berg wohnt. An sein Haus zu kommen, ist schon aufgrund der Rutschgefahr des Hanges etwas gefährich und seine Hütte besteht aus vier dünnen unstabilen Holzwände und einem Dach. Im Winter wird es sehr kalt wo er wohnt, vor allem wegen der hohen Luftfeuchtigkeit. Freudigerwiese habe ich mitbekommen, dass er bald mehr unterstützt werden soll.

Einige Zeit hatte ich hier viel Arbeit mit meinen Bewerbungen für ein Studium nach meiner Zeit in Peru. Manchmal war es gar nicht so leicht, wenn dann mal das Internetcafe besetzt ist, die Kopien schlecht geworden sind, der Drucker nicht funktioniert oder andere Hindernisse auftauchen, aber schlussendlich hat doch alles besser funktioniert als ich gedacht habe. Ende Juni bin ich für eine Woche in den Norden Perus nach Mancora gefahren. Die Strände und das Wetter sind wirklich ganz toll und ich habe auch eine ganz günstige und gute Unterkunft gefunden. Man konnte ausserdem Menschen aus aller Welt kennenlernen und abends gab es oft ein Lagerfeuer am Strand und einige haben tolle Musik gespielt. Auf der Fahrt am Tag zurück nach Lima habe ich auch nochmal mehr von der Landschaft gesehen. Ziemlich viel Wüste und dann aber auch auf einmal grüne Gebiete mit ganz vielen Pflanzen und Gewässer. War wirklich erstaunlich.

Anfang Juli sind wir über das Wochenende nach Santa Eulalia gefahren, das Teil der Sierra ist, aber total nah an Lima liegt. Somit war die Fahrt kurz und wir konnten viel Zeit badend an dem schönen Fluss verbringen, auch wenn das Wasser eiskalt ist. Die Landschaft mit den Bergen und Täler hat mir dort sehr gut gefallen. Vor einigen Jahren hat das Kinderheim auch mal einen Ausflug nach Santa Eulalia gemacht.

In unserer Freizeit haben wir auch angefangen, jede Woche ein anderes peruanisches Gericht vorzubereiten, was wir uns natürlich von Peruanern zeigen lassen. So kennen wir jetzt auch endlich das Rezept von Anitas leckerem Ají de Gallina. Ansonsten mache ich in meiner Freizeit viel mit Freunden und nehme noch weiterhin Gitarrenunterricht.

Anfang Juni waren Beto und Christine, die Mitglied der Asociación ist, mit ihren Kindern zu Besuch und haben alle Arbeiter vom Heim zum Essen eingeladen, damit sich ihnen jeder vorstellen konnte und über die jeweiligen Aufgaben im Heim berichten konnten.

Die letzten zwei Wochen war es in unserem Wohnbereich etwas enger, da sieben Spanier zu Besuch waren und für zwei Wochen in den Gruppen mitgeholfen haben. Aber inzwischen sind sie schon auf Reise.

Da es jetzt nicht mehr so lange bis zu unserer Abreise ist, werde ich meinen nächsten Erfahrungsbericht schreiben, wenn ich schon wieder zurück in Deutschland bin.

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Stefanie Büche

08. Juli 2009 - Nr. 3

Viel Zeit ist seit meinem letzten Bericht vergangen und es wird Zeit, euch mal wieder ein bisschen was aus meinem Leben hier zu erzählen...

Im März war ich noch einmal auf Reisen - 10 Tage durch Peru! Es war eine schöne Reise, wenn sie sich auch total von unserem Dschungel-Abenteuer unterscheidet. Diesesmal reisten wir mit Marias Besuch aus Deuschland und unsere Reise war von Anfang an gut durchplant. Wir reisten nach Arequipa und machten einen Ausflug ins Colca-Tal, machten uns danach auf den Weg nach Puno am Titicacasee und schlussendlich noch nach Cusco. Ich fühlte mich wie ein typischer Tourist, als wir Stadtrundfahrten mitmachten und ich mit englischsprachigem Führer den Machu picchu anschaute – dies ist sonst eigentlich eher nicht der Fall.

Man fällt zwar immer auf als Weisse, auch hier in Tablada, wo uns inzwischen viele kennen, doch als Ausländer - man fühlt sich nicht wie ein Tourist....

Es war wirklich toll zu sehen, wie vielfälltig Peru ist!! Die Reise war sehr schön und es ist interessant, nun neben der Küstenregion, wo wir wohnen und dem Dschungel, den ich im Januar besucht hatte, nun auch die Anden Perus kennen zu lernen!

Allerdings habe ich mich danach auch gefreut, wieder "nach Hause" nach Tablada zu kommen, wo wir von den Kindern und Freunden erwartet wurden!! Ausserdem freute ich mich sehr, endlich wieder Spanisch reden zu können :)

Mir der Sprache klappt es inzwischen eigentlich echt gut, auch wenn es sich natürlich nochmal ganz anders mit den Kindern arbeiten lässt, wenn man die Sprache perfekt beherrscht. Dies musste ich vor allem in den letzten Tagen feststellen, als eine Gruppe spanischer Lehrerinnen zu Besuch kam und nun zwei von ihnen mit mir zusammen in meiner Gruppe arbeiten. Kinder mit einem selbsterzählten Märchen bannen wird dann beispielsweise zu einem „Kinderspielg....

Was bei jedem Besuch aus der Heimat immer wieder interessant zu sehen war, ist, wie sie auf unser Umfeld und unser Leben hier reagieren. Für sie ist noch alles so neu, dass ihnen oft Dinge auffallen, die für mich schon längst zum Alltag geworden sind. Es öffnet einem manchmal den Blick, wieder Dinge zu sehen und manches bewusster wahrzunehmen....

Was ich in den letzten Wochen und Monaten sehr bewusst wahrgenommen habe, ist die Wohn- und Lebenssituationen der Kinder. Durch die Familienbesuche, die wir mit Luis zusammen gemacht haben, bekam ich eigentlich erstmals etwas einen Einblick in das Leben der Kinder außerhalb des Hogars. Es war nicht immer einfach zu sehen, unter welchen Bedingungen die Familien leben!!

So schläft eine Familie mit sieben Kindern in 4 Betten in einem winzigen Raum, der noch nicht mal rundherum richtige Wände besitzt und auf ihrem eigenen Grundstück steht. Ein weiterer Raum der Familie bildet die Küche, welche allerdings keine Türe hat; die Toilette wird gemeinsam mit einer weiteren Familie geteilt....

Eine andere Familie hat ein Haus, relativ gross, jedoch sieht alles sehr kahl aus – die Wände sind weiss, es gibt wenig Licht...

Eine Mutter, die vor kurzem aus den Anden nach Lima kam, wohnt mit ihren 3 Kindern und der Nichte in einem kleinen Zimmer, dass sie auf dem Grundstück von Freunden bekommen hat. Es gibt wenig Platz für das eine Hochbett, die kleine Küche und alle Vorräte und Kleider...

Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, diese Familien besuchen zu dürfen. Es ermöglicht einem oftmals, die Kinder besser zu verstehen, in ihrem Verhalten und Handeln.

Vor kurzem habe ich im Fernsehen eine Reportage über einen Familienvater gesehen, welcher täglich 35 Minuten von seinem Haus zur Arbeit läuft! Sein Haus steht zusammengebastelt oben auf einem Berg, Nachts wird es unvorstellbar kalt – dem Reporter, welcher eine Woche lang dort mit der Familie wohnen wollte, kamen in der ersten Nacht die Tränen. Sowas berührt einen schon. Und noch viel mehr, wenn man sich bewusst wird, dass dies nicht nur eine Reportage ist, sondern viele der Kinder, die man inzwischen sehr lieb gewonnen hat und täglich - meist fröhlich - um sich herumspringen sieht, genauso leben. Bei vielen Häusern kann ich mir nicht vorstellen, wie man in ihnen den Winter verbringen kann...

Was die Arbeit betrifft, bin ich wieder voll im Einsatz. Da Flor, eine Ehemalige des Hogars, nun wegen eines Praktikas nicht mehr kommt, bin ich Nachmittags mit der Erzieherin und 21 kleinen Rabauken alleine. Nachdem ich lange Zeit mit den vierjährigen gearbeitet hatte, übernahm ich in den letzten Monaten die grosse Gruppe der fünfjährigen, um ihnen bei ihren Hausaufgaben zu helfen. Die Kinder bekommen hier bereits schon im Kindergartenalter ihre Hefte mit Aufgaben, die sie zu Hause oder eben mit uns im Hogar machen müssen.

Es ist wirklich nicht immer einfach, wenn etwa 10 Kinder an deinem Tisch sitzen und alle etwas von dir wollen: gErklär mir meine Hausaufgaben! Was steht da? Ich will mich neben dich setzten! Ich bin fertig, gib mir Hausaufgaben im Hogarheft...g

In den letzten Wochen wurde es allerdings wieder etwas ruhiger. Dies hat mehrere Gründe! Zum Einen gehen gerade die Windpocken rum, sodass sie sich mit dem Fehlen schön abwechseln. Zum Anderen sind wir gerade mehr Erwachsene, da uns die Spanier für 3 Wochen unterstützen.

Für die letzte Zeit bin ich nun etwas auf der Suche, noch ein paar andere Sachen neben den Hausaufgaben mit den Kindern zu machen. So hab ich beispielsweise bei meiner Vormittagsgruppe mit den Kindern zwischen 6-9 Jahren angefangen, Freundschaftsbänder zu knüpfen. Solche kleineren Projekte kommen oft zu kurz, weil meistens neben den Hausaufgaben nicht viel Zeit bleibt oder die Kinder ihre freie Zeit zum Spielen nutzen wollen :)

Einige eigene Projekte haben wir allerdings auch schon gemacht, wie zum Beispiel die Terassenwand neu gestrichen und mit den Handabdrücken der Kinder geschmückt! Einen Armbändchen-Workshop am Wochenende, neue Tischgebetskarten aus Holz bunt bemalt und beschriftet....

Auch zur letzten Messe im Hogar im Mai zum Muttertag leisteten wir neben allen Kindern unseren musikalischen Beitrag. Die Kinder tanzten, spielten Theater und haben gesungen und es war ein schöner Nachmittag, den wir mit einer heißen Schokolade und einem leckeren selbstgemachten Geschenk für die Mütter aus der Bäckerei – welche Ricardo mit seiner Gruppe fleißigen Helfer den ganzen Samstag über gebacken hatte – abschlossen.

Die Zeit die uns hier noch bleibt, wird so langsam immer weniger. Ich bin sehr froh, dass ich endlich meine ganzen Bewerbungsunterlagen abgeschickt habe (die hoffentlich auch alle ankommen!!!) und nun meine verbleibende Zeit richtig geniessen kann. Wir möchten noch ein oder zwei Mal übers Wochenende wegfahren, um dem näherkommenden Winter in Tablada zu entkommen und die Sonne zu geniessen – jedoch auch die Zeit mit unseren Freunden, den Kindern und alle die uns hier lieb geworden sind, geniessen!!

Liebe Grüsse aus Tablada,

Stefanie Büche


Basteln von Armbändchen

 
Muttertagsmesse mit den Kleinen und den Medianos


Das Terrassenprojekt

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Stefanie Büche

Murg, 04. Oktober 2009 - Nr. 4

Hallo alle zusammen :) 

Lang ist‘ s her seit meiner letzten Mail und doch hat sich viel getan, deshalb dachte ich es wird Zeit, mich mal wieder zu melden! Ich bin nämlich wieder in Deutschland!!!

Die letzten Tage und Wochen in Peru waren wir sehr damit beschäftigt, unseren Abschied vorzubereiten. Wir haben für unsre Kinder und das ganze Heim ein schönes Abschiedsfest gestaltet, wo alle ihren Spaß haben und viel gelacht wurde! Wir versammelten uns morgens auf dem Hof mit allen Kindern und Erziehern und begannen damit, sieben etwa gleichstarke Gruppen zu bilden, was sich schon mal als nicht ganz einfach herausstellte! Ob groß oder klein, alle wurden in die Teams miteingebunden und so begann die Vorbereitungsphase in den einzelnen Gruppen, welche sich einen Gruppennamen suchten und anschließend Plakate bastelten, sich schminken und teilweise sogar verkleideten. In dieser Zeit blieben wir drei nicht untätig und waren voll und ganz damit beschäftig, für rund 120 Personen Waffeln zu backen (mit nur einem einzigen Waffeleisen!!!), Zutaten nachkaufen (nachdem wir uns leicht verschätz hatten ;P) und die Preise für die Kinder fertig vorzubereiten!!
Alle waren mit großer Begeisterung dabei und so konnte es nach dem Mittagessen endlich mit den Spielen losgehen!! Doch bevor es soweit war, kam eigentlich das Schönste: die Präsentation der einzelnen Gruppen!! Mit Fahnen und Trommeln und wildem Geschrei versammelten wir uns alle wieder auf dem Hof und die Kinder übertrafen sich gegenseitig mit ihren Ideen, sodass wir gleich schon mal jeder Gruppe den ersten Punkt für ihr Auftreten schenkten.
Doch dann ging‘ s los: ob Eierlauf und Sackhüpfen mit allen 100 Kindern, oder Mumien mit Klopapierrollen wickeln und Äpfel an einer hängenden Schnur essen, alle hatten ihren Spaß. Beim Luftball-Zertreten standen alle drum herum und feuerten mit an. Und auch die allerkleinsten kamen bei der Reise nach Jerusalem nicht zu kurz!
Nach diesem schönen Nachmittag freuten sich danach alle über die Waffeln und ihr kleines Geschenk, welches jeder von ihnen bekam!! Rundum es war ein schöner, wenn auch für uns etwas stressiger Tag!!! ;) 
Hab euch noch ein paar Fotos von dem Tag hochgeladen:

Bilder vom Abschiedsfest

In den letzten Wochen in meinem Salon gab es auch noch eine kleine Veränderung, da ich mich ja dazu entschieden hatte, nicht mehr zu den Kleinen zu gehen, sondern den ganzen Tag bei den Campeones zu sein. Dort konzentrierte ich mich in dieser Zeit mehr auf einzelne Kinder, welche besondere Schwierigkeiten in der Schule haben und machte so noch einmal durch eine andere Arbeitsweise eine interessante Erfahrung.

In den letzten Tagen waren wir allerdings freigestellt und mussten somit nicht mehr regelmäßig in die Salons, worüber ich sehr froh war! Denn obwohl unser Rückflugtermin ja schon lange feststand, gab es doch noch allerhand zu erledigen: Abschiedsgeschenke basteln, packen, die letzten Einkäufe machen, sich verabschieden so ging die Zeit für mich eigentlich doch recht schnell rum, besser gesagt sehr gut voll gepackt, sodass mit oft gar nicht viel Zeit zum nachdenken blieb, was manchmal allerdings auch nicht schlimm war. 
Wir mussten feststellen, dass dieser Abschied sich doch wesentlich von unserm Abschied in Deutschland unterscheiden wird. Denn jetzt im Nachhinein gesehen, war dies ein Abschied auf Zeit - wir wussten nun, dass wir euch hier alle bald wieder sehen werden!! Doch der Abschied in Peru war in dieser Hinsicht andres, dass es doch sehr ungewiss ist, wann, wie und ob wir alle wieder sehen werden! Unsere Mitarbeiter, Kinder, Familien, Freunde und alle die uns lieb geworden sind!

Wieder in Deutschland zu landen war auch irgendwie nochmal aufregend. Während wir auf dem Flug in Gedanken noch in Peru waren und beim aufs Gepäck warten und die andere hinter der Scheibe zu sehen doch etwas nervös waren, war es wirklich sehr sehr schön, als wir nach einem Jahr von unseren Familien und Freunden so lieb begrüßt wurden!! :) 

Seitdem sind nun schon einige Wochen vergangen... Ich hab mich sehr gefreut euch, die ich schon getroffen habe, wieder zu sehen und ich hoffe es ist mir keiner böse, wenn ich mich noch nicht gemeldet habe.
Obwohl wir ich nun schon einige Zeit hatte, um mich wieder an alles und alle zu gewöhnen ;) und zu realisieren, nun wieder am anderen Ende der Welt gelandet zu sein, dauert es trotzdem einfach eine ganze Weile, bis man sich wieder richtig eingelebt hat.

Auch wenn ich dann nun ab Anfang Oktober anfangen werde zu studieren, ist Freiburg ja nicht aus der Welt und es gibt sicher noch genug Gelegenheiten, dass wir uns mal wieder treffen! Ich freu mich schon :) 

Nun, da das Jahr vorbei ist, möchte ich mich noch einmal bei euch allen bedanken, bei meinen fleißigen Rundmails- und Erfahrungsberichte- Leser & Leserinnen! Und noch viel mehr bei denen, von denen ich regelmäßig oder auch immer mal wieder spontan eine Mail bekommen habe oder mich hin und wieder angerufen haben!
Ich weiß, dass ich es nicht immer geschafft habe, jedem einzelnen zu antworten, was mir auch sehr leid tut. Doch ich möchte, dass ihr wisst, dass all eure Mails angekommen sind und ich mich immer sehr über jede einzelne gefreut habe. Gerade auch über die Mails in den letzten Tagen und Wochen; manche von Leuten, von denen ich sehr lange nichts gehört habe, ich hab mich sehr gefreut und sie haben in mir meine Vorfreude, euch nach so langer Zeit wieder zu sehen, geweckt! DANKE !! Garcias por todo! :) 

Diese letzte Rundmail möchte ich auch gerade dazu nutzen, euch einzuladen! Zusammen mit meinen beiden Mitfreiwilligen Marga und Maria werde ich am 8. Oktober einen Vortrag über unser Jahr in Peru halten. Wir werden um 20 Uhr im Magnushaus in Murg von unserem Jahr, unseren Erfahrungen, Land & Leuten berichten! Und anschließend gibt es sogar noch einen kleinen Leckerbissen nach peruanischem Rezept und einem Pisco sour :) 

Wer Interesse hat ist herzlich willkommen, ich würde mich sehr freuen euch dort zu treffen!!

Liebe Grüße von ganz Nah!

Eure Steffi :) 

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Karin Kiefer

Dezember 2009 - Nr. 1

Vor guten drei Monaten hieß es Abschied nehmen von der Familie, von der gewohnten Umgebung, von einem Lebensabschnitt. Ungewissheit und Abenteuer warteten auf mich.

Die ersten Wochen wurde ich überflutet von neuen Eindrücken, hatte jedoch kaum Zeit sie zu verarbeiten. Ich hatte extreme Gefühlsschwankungen, die ich von zu Hause nicht gewohnt war. Unbeschreibliche Glücksgefühle, die alleine durch eine Busfahrt durch Lima ausgelöst werden konnten, wechselten sich mit Heimweh ab. Mittlerweile ist mein Heimweh selten geworden, der Alltag ist eingekehrt.

Der Anfang in einem fremden Land wurde mir hier leicht gemacht. Mit meinen Mitvoluntarios, Verena und Jakob, konnte ich meine Erfahrungen teilen, dank ihnen war ich nie nur auf mich gestellt. Der Heimleiter Luis hat uns Zeit gegeben, uns mit der Arbeitsstelle vertraut zu machen, indem wir anfangs die Gruppen wöchtentlich wechselten, um uns schließlich für eine zu entscheiden, hat uns Busfahren beigebracht, das funktioniert hier nämlich etwas anders, uns Tablada gezeigt und vieles über Land und Leute erzählt,… Luis hat ein ungewöhnliches Bewusstsein dafür, was wir in Deutschland gewöhnt sind bzw. was für uns in Peru fremd ist.

Außerdem genieße ich hier den Luxus eines mehr oder weniger deutschen Frühstücks (das Brot ist leider sehr peruanisch, aber mittlerweile habe ich sogar Müsli gefunden!), einer Waschmaschine, (fast) Kommen und Gehen zu können, wann ich möchte, und mich nicht einem peruanischen Macho-Vater unterordnen zu müssen.

Nicht zu vergessen sind natürlich die Kinder, die mit ihrer Neugierde und Anhänglichkeit von Anfang an auf uns zugekommen sind und so auch Sprachbarrieren überwunden haben.

Das Heim

Die wichtigsten Ziele des Kinderheims sind eine ausgewogene und vor allem ausreichende Ernährung sicherzustellen, die physische aber auch psychische Gesundheit der Kinder zu fördern und zu erhalten und die Schulbildung und Erziehung zu unterstützen.

Um die Ernährung kümmern sich drei Köchinnen, die wohl den härtesten Job hier haben. Ihr Arbeitstag beginnt um 6.00 Uhr und endet oft nach 20.00 Uhr. Die Kinder erhalten Frühstück, ein Vesper sowie Mittagessen, das aus Reis und Salat kombiniert mit Fisch, Hühnchen, Hülsenfrüchten oder Gemüse besteht, so dass das Untergewicht, unter dem viele Kinder anfangs leiden, bald verschwunden ist. Mit dem Zuckergehalt der Getränke meinen es die Köchinnen nach meinem (deutschen) Geschmack aber etwas zu gut. Ganz überrascht waren wir, als auf unseren Vorschlag, weniger Zucker beizumischen, tatsächlich eingegangen wurde.

Die Vormittage verbringe  ich in der Gruppe der “Los sin fronteras”, also den Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren. Hier gebe ich zweimal in der Woche eine Art Englischunterricht, dienstags mit den “Anfängern”, die erst ein oder zwei Jahre Englisch lernen, und donnerstags mit den “Fortgeschrittenen”, die schon drei oder vier Jahre Englisch in der Schule haben. Erschreckenderweise konnte ich mit beiden Gruppen mit den Grundlagen, also Fragen wie “Wie geht´s?” oder “Woher kommst du?” beginnen ohne sie zu unterfordern. Staatliche Schulen sind in Peru sehr schlecht, private Schulen hingegen für die Armen unbezahlbar, aber ohne vernünftige Schulbildung können die Menschen der Armut kaum entfliehen. Daher legt das Heim sehr viel Wert darauf, dass die Kinder zumindest ihre Hausaufgaben machen und lernen. Dennoch gelingt es den wenigsten an einer Universität zu studieren.

Ab und zu gehe ich mit einigen der Jugendlichen in das heimeigene “Fitnessstudio”, einem Zimmer mit fünf älteren Sportgeräten, während die anderen Volleyball oder Fußball spielen. Im Anschluss haben sie die Möglichkeit sich zu duschen, da die Mehrheit zuhause keine Dusche hat, und sich für die Schule umzuziehen, denn in Peru gibt es Schuluniformen.  Für die Familien bedeuten Schuluniformen nochmals eine zusätzliche finanzielle Belastung und für weniger Ausgrenzung bzw. mehr Gleichheit sorgen sie auch nicht. Denn die ärmeren Kinder erkennt man leicht an ihren löchrigen oder unvollständigen Uniformen…

In dieser Gruppe fühle ich mich sehr wohl und gut integriert. Ich versuche vor allem den Mädchen eine Freundin und ein Ausgleich zum männlichen Erzieher zu sein und auf die ruhigeren und schüchterneren Mädchen zuzugehen. Vielleicht kann ich dadurch ihr Selbstbewusstsein stärken.

Nachmittags bin ich für die “Niños y niñas de la mañana”, also fuer die neun- bis zwölfjährigen Kinder, vor allem eine Hausaufgabenhilfe. Mathehausaufgaben mit Kindern, die nicht einmal annähernd das kleine Einmaleins beherrschen, zu machen, ist eine absolute Geduldsprobe. Zudem ist diese Gruppe wesentlich schwieriger als meine Vormittagsgruppe. Einigen Kindern fehlt Respekt gegenüber der Erzieherin und mir, weshalb die Gruppe schwer zu kontrollieren ist. Der Gruppe fehlt auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl, sodass die Kinder oft petzen, woraufhin die Erzieherin Strafen verhängt, die sie dann aber nicht durchzieht. Aber natürlich habe ich in dieser Gruppe auch schöne Erfahrungen gemacht. Die jüngeren Jungs sind sehr anhänglich, wollen beim “Lonche” (Vesper am Nachmittag) unbedingt neben mir sitzen... Einem von ihnen habe ich das Brettspiel Mühle beigebracht, mittlerweile spielt es die ganze Gruppe. Das ist immer wieder schön, wenn die Kinder kommen und rufen “Karin, spiel mit mir!”. An einem Freitagnachmittag haben wir aus Wasser, Glycerin, Waschmittel und  viel Kreativität der Kinder Seifenblasen gemacht. Es verlief zwar leicht chaotisch, aber die Kinder waren mit Begeisterung dabei.

In den vergangenen zwei Wochen war ich kaum in den Gruppen, da wir zusammen mit den Kindern einen Holzzaun und eine Wand gestaltet haben. Mal etwas mit den Händen zu machen, war für mich eine schöne Abwechslung. Die Wand haben wir zuerst weiß gestrichen, danach haben sich die Kinder in verschiedenen Posen an die Wand gestellt, wir haben sie abgezeichnet und schließlich in Grau- und Schwarztönen angemalt.

Die Kinder können sich so mit den Fußball- und Volleyballspielern, mit der Tänzerin etc. gut identifizieren.   

Die Armut der Kinder realisiere ich im Heim kaum, weil ich wenig von ihrem eigentlichen Alltag mitbekomme. Erst wenn ich z.B. eine Wohnung eines Kindes, was z.B. ein 20qm großes Zimmer mit zwei oder drei Betten, Kochstelle, Tisch und natürlich Fernseher sein kann, besuche oder Kinder sehe, deren Schuluniform auch im Winter nur aus Rock und Bluse besteht ohne Pullover und Strumpfhose, während ich im dicksten Pullover eingepackt bin und trotzdem friere.

Peru – ein Land vieler Hautfarben

Lima wird auch als “ciudad de todas las sangres” – “Stadt aller Blute” bezeichnet und da ist was dran! Von Anfang an war ich von den vielen verschiedenen Hautfarben der Menschen und Gesichtszügen, die indigene, asiatische, afrikanische und europäische Merkmale kombinieren, beeindruckt. Obwohl die absolute Mehrheit der Kinder des Heims indigener Abstammung ist, werden diejenigen mit besonders dunkler Haut gehänselt. Die weißen Kinder hingegen gelten als besonders hübsch. So kann es bei der Geburt eines hellhäutigen Kindes zu Kommentaren wie, “Oh, das ist dir aber gut gelungen!” oder eben bei einem besonders dunkelhäutigen Kind “Da müsst ihr aber noch üben!” kommen. Genauso wird selbst für peruanische Produkte mit weißen Modells geworben, obwohl nur eine kleine Minderheit der Peruaner hellhäutig ist. Aufgrund meiner Hautfarbe falle ich hier ständig auf, werde in den Mittelpunkt gestellt und schneller angesprochen, so dass es sehr leicht ist, Kontakte zu schließen. Dieser “Gringa-Bonus” (Gringa = hellhaeutige Frau) ist zwar oft angenehm, kann aber auch schnell störend werden, spätestens, wenn man sich mit männlichen Wesen zwischen 15 und 45 nicht mehr vernünftig unterhalten kann…

Religion

Obwohl man eigentlich annehmen müsste, dass ein katholischer Gottesdienst überall auf der Welt gleich ist, wirken peruanische Gottesdienste auf mich überraschend fremd. Dies liegt aber nicht nur an der fremden Sprache, sondern vielmehr auch an der pathetischen und hingebungsvollen Sprechweise des Priesters sowie der lockeren aber auch unfeierlicheren Zeremonie. Gebete werden nicht neutral heruntergeleiert, wie das in Deutschland oft der Fall ist, sondern mit eindringender und einlullender Stimme betont. Während den Predigten läuft der Priester manchmal durch die ganze Kirche und versucht die Gemeinde einzubeziehen mit Standartfragen wie “Wollt ihr in den Himmel kommen?”, ein verhaltenes “Ja.” antwortet ihm, die Frage wird ein zweites Mal gestellt, so dass ihm ein bereits energischeres “Ja!” entgegenkommt, schließlich wird die Frage nochmals wiederholt, bis auch der Priester mit der Antwort zufrieden zu sein scheint. Andere beliebte Fragen sind: “Wollt ihr Heilige sein?”, “Wollt ihr euch ändern?”, “Wer liebt eucht?” – “Gott!” Die Tueren der stets vollen Kirchen werden während der Messe nie geschlossen, schließlich sind im “Haus Gottes” alle Geschöpfe willkommen – so auch Straßenhunde. Etwas unangenehm, wenn man sich kaum auf den Gottesdienst konzentrieren kann, weil ein stinkender, womöglich tollwütiger Hund neben einem liegt.

Dafür erlebe ich die Gemeinschaft und Freude am Glauben hier intensiver als in Deutschland. Beim Vaterunser beispielsweise greifen sich alle an den Händen und der Friedensgruß ist mit einer herzlichen Umarmung verbunden.

Genauso scheinen die Südamerikaner vom Auferstehungsglauben überzeugter zu sein als ihre europäischen Mitchristen. An Allerheiligen versammeln sich so ganze Familien an den Gräbern ihrer Verstorbenen, um gemeinsam zu essen, zu trinken, zu tanzen, eben zu feiern! Dieser peruanische “Graeberbesuch” war für mich ein beeindruckendes Erlebnis.

Jetzt bleiben noch sieben Monate – sieben Monate, in denen ich mal ganz anders Weihnachten feiern werde, sieben Monate, in denen ich den Dschungel kennen lernen werde, sieben Monate, in denen mich meine Eltern besuchen werden, sieben Monate mit hoffentlich noch vielen kleinen und großen Abenteuern.

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Verena Herrmann

Dezember 2009 - Nr. 1

„Ich gehe für zehn Monate nach Peru!“ Das war ein Satz, denn ich in den letzten Wochen in Deutschland fast unendlich oft wiederholen musste. Viele Leute waren sehr erstaunt und nach einem sehr intensiven Seminar vor der Ausreise in München, bei dem wir intensiv auf das Schlimmste vorbereitet wurden, war ich mir selber auch nicht mehr so sicher, ob ich dieses Jahr wirklich schaffen werde. Doch Dank der sehr guten Umstände hier ist es mir ziemlich leicht gefallen mich einzuleben und auch mich wohl zu fühlen.
Im diesem Bericht will ich so gut wie möglich einen Rundumeinblick in mein peruanisches Leben geben.

Die Umgebung
Eine Voraussetzung sich gut einleben zu können ist eine schöne Wohnsituation. Die anderen zwei Freiwilligen und ich leben bis jetzt noch zusammen im Heim. Genügend Freiheiten, eine schöne Wohnatmosphäre uns die meist bestehende Harmonie zwischen uns Freiwilligen hat dazu beigetragen, dass man hier schon ein richtiges Daheimgefühl entwickelt hat. Das Heim ist im Vergleich zum grauen und  nicht unbedingt sauberen Tablada eine Oase, wo es sich sehr gut im Garten, auf dem  Balkon, im Hof oder in den Zimmern aushalten lässt. Da es hier im Heim schon eine lange Tradition von deutschen Freiwilligen gibt, ist das Personal den Umgang mit Europäern gewöhnt, was zu einem konfliktfreieren Zusammenleben beiträgt. Der Direktor Luis, der sich vor allem in den ersten Wochen sehr um uns gekümmert hat und immer noch jede Frage sehr geduldig und genau beantwortet, hat das Bewusstsein über die Denkweise der Deutschen. So erklärt er uns immer sehr verständlich Dinge und Umstände, die wir nicht gewöhnt sind. Dieses Kennenlernen der peruanischen Kultur findet zum Beispiel  am Mittagstisch statt, wo die Erwachsenen ungestört eine Stunde zusammensitzen, essen und sich unterhalten können. Die Gespräche die dort entstehen sind sehr interessant und wir wurden von Anfang an in sie eingeschlossen, sodass man sich als Teil der Gruppe fühlt.

Meine Gruppen
Aber nicht nur mit den Erwachsenen kann man interessante Gespräche führen, sondern auch mit den Kindern. Nach dem wir im ersten Monat jede Woche eine andere Gruppe besucht haben um einen Einblick zu bekommen, entschied ich mich für den Vormittag für die Gruppe „Los niños y niñas de la mañana“( im Alter von 9-12) und für den Nachmittag für „Los campeones“(6-9). Den Kindern helfe ich mit ihren Hausaufgaben, biete  dreimal pro Woche Flötenunterricht an oder wiederhole mit ihnen, wenn Zeit bleibt, für ihre Examen. Schnell musste ich feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, zum Teil mir Kindern zu arbeiten, die mental nicht ganz so fit sind. Erst nach einiger Zeit habe ich zum Teil einen kleinen Zugang zu ihren Fähigkeiten gefunden, sodass man auch mit ihnen die anstehenden Arbeiten einigermaßen erledigen kann. Aber zugegeben, so ganz einfach ist es für mich nicht die Geduld zu bewahren, wenn bei den einfachsten Dingen keine Fortschritte zu erkennen sind. Ich hoffe, dass ich diesen Kindern in den kommenden Monaten besser helfen kann. Sehr gut aufgenommen wurde von den Kindern, dass ich, nach einer Idee von Luis, eingeführt habe, dass man nur in die heißgeliebte Pause darf, wenn man 5 Aufgaben des Einmaleins lösen kann. Ich hoffe, dieses ständige Wiederholen hilft den Kindern, diesen wichtigen Teil der mathematischen Bildung langsam zu erlernen und ihnen so den Erfolg zu geben eine mathematische Aufgabe ohne Hilfe zu meistern. Zur Aufmunterung der Kinder, bevor sie mit den Schularbeiten beginnen müssen, versuche ich regelmäßig kleine „Anschuggerle“ mit ihnen zu machen. Diese stärken das Gruppengefühl und geben den Kindern einfach eine Möglichkeit zu lernen, dass man mit einfachen Materialen sehr lustige Spiele spielen kann.  Die Pausen nutzen sie dann intensiv um ihre Lieblingssportarten wie Volleyball und Fußball auszuüben. Aber auch die von uns Freiwilligen gezeigten Spiele, wie Uno oder Mühle, stoßen auf große Begeisterung bei den Kindern.
Und unsere Kinder sind wie Kinder überall auf der Welt. Sehr anhänglich und liebenswürdig. Für sie ist es kein Problem jemanden aufzunehmen, der trotz fünfjährigem Schulspanisch sich undeutlich und nicht perfekt ausdrückt. Ihre Höflichkeit und Aufgeschlossenheit haben es mir leicht gemacht mich in den Gruppen sehr wohl zu fühlen.


Die Armut
Die Armut merkt man den Kindern im Heim an ihrer löchrigen Kleidung an oder wenn sie verzichten müssen, mal wieder an einem Schulausflug teilzunehmen.
In den letzen Wochen hat Luis zweimal eine Spende von Sperrmüll bekommen. Ein etwas trauriges Gefühl kam in mir auf, als ich feststellen musste, dass für mich die Eisenteile, kaputten Maschinen und uralten Holzteile einfach nur Schrott sind. Für die Eltern der Kinder sind diese Dinge aber noch gut brauchbar; sei es nur zum Anheizen des Kochfeuers oder zum Abschleifen mit dem Ziel einer „neuen“ Tür oder eines Bettpfostens. Auch wenn man die Möglichkeit bekommt (zum Beispiel, wenn man ein Kind nach Hause begleitet, weil es etwas vergessen hat) das Haus eine Kindes zu sehen, welches zum Teil einfach aus einem dunklen und feuchten Zimmer besteht, wo dann die ganze Familie in einem Bett und auf dem Boden schläft, merkt man, in was für einer anderen Welt die Kinder eigentlich leben. Im Heim wird, im Gegensatz  zu den begrenzten Möglichkeiten in den Familien der Kinder, auf eine sehr nährhafte Ernährung geachtet, sodass kaum Probleme mit Unterernährung bestehen. Auch die strengen Duschregeln erlauben ein meist gepflegtes Auftreten der Kinder.
Eigenartig ist für mich, dass Gewalt in vielen Familien ein tägliches Mittel ist, die Kinder zu erziehen. So klebte ich zum Beispiel mal mit einem  verängstigten Kind einen auseinander gebrochenen Stift zusammen.  Das Kind, war sich nämlich sicher, dass es von einem Elternteil geschlagen würde, wenn sie von dem Missgeschick erfahren hätten.

Außerhalb der Salons
Außerhalb der Gruppen standen vor allem zu Beginn Exkursionen mit Luis an, um Lima besser kennen zu lernen. So haben wir beispielsweise hautnah die Verehrung des Señor de los Milagros erlebt, ein im ganzen Oktober besonders verehrtes Heiligenbild. Auch der Besuch des großen Früchtemarkts, unsere Vorstellung in der Pfarrgemeinde und das Erlernen des Benutzens der öffentlichen Verkehrsmittel gehörte zu dem Programm um uns in unserer „neuen Heimat“ einzuleben und zurecht zu finden. Das Treffen mit der Junta Directiva (für die Organisation des Heimes verantwortliche Gruppe) und die Einladung zum Instituto de Estudios Social Cristianos gaben interessante Einblicke in andere Gesellschaftsschichten und lassen uns Peru noch von einer anderen Seite kennen lernen.
Zudem haben wir am ersten Adventssonntag in der deutschen Gemeinde in Miraflores geholfen die Holzarbeiten, die der Schreiner Javier mit den Kindern im Heim hergestellt hat, zu verkaufen. Bei dieser Gelegenheit sind wir mal wieder in Kontakt zu Deutschen gekommen und konnten die gemütliche Stimmung des Bazars mit Plätzchen und deutschem Essen genießen.
Im Heim steht vor Weihnachten noch so einiges an: Da es im November einige kleine Unfälle mit der Schaukel und den Kindern gegeben hat, wurde um die Schaukel ein Zaun gebaut um die Gefahr ein wenig zu bannen. Wir bekamen dann angeboten, den Zaun anzumalen und die Gestaltung als ein Projekt von uns Freiwilligen zu übernehmen. Auf Grund des schlechten Wetters wurde dieses Vorhaben etwas verzögert, aber nächste Woche hoffentlich fertiggestellt. Vor der Weihnachtsmesse soll  von uns auch noch eine im Moment schmutzige Wand verschönert werden und zudem bekamen wir den Auftrag, für die Messe für jeden Teilnehmer Willkommensschildchen zu basteln. All diese Aktivitäten lassen die Zeit sehr schnell vergehen und es besteht keineswegs die Gefahr der Langweile.

Unsere Freizeit und die peruanische Gesellschaft
Wir als Freiwillige werden meist mit viel Interesse aufgenommen und was mich immer wieder erstaunt, ist die Begeisterung, die die Leute für Orte in ihrem Land haben, die sie, da sie meist selbst noch nie aus Lima verreist sind, noch nie gesehen haben. Großzügig wünschen sie uns immer, dass wir so viele Orte wie möglich in Peru kennenlernen.
Diesen Wunsch haben wir uns auch schon zu Herzen genommen und haben Tarma, eine kleine Stadt in den Anden sowie Ica erkundet. Auch viele Stadtviertel von Lima haben wir auf Samstagsausflügen besucht.
Die religiösen bzw. kirchlichen Gepflogenheiten wurden mir bei zahlreichen Gottesdiensten oder dem Besuch eines Friedhofes an Allerheiligen bewusst. Ein weinig gewöhnungsbedürftig war am Anfang, dass es einige Pfarrer gibt, die durch Einbeziehen der Gottesdienstbesucher eine Art Fußballstimmung hervorrufen. Fragen wie „Wollt ihr in den Himmel?“ oder „Werdet ihr euch zum Besseren verändern?“ werden von der ganzen Gemeinde mit lauten Ja – Rufen beantwortet. Die Lieder und das an den Händen fassen beim Vaterunser stärken das Gemeinschaftsgefühl  nach meinem Geschmack eher.

Wie man vielleicht aus meinem Bericht herauslesen kann fühle ich mich hier pudelwohl und hoffe in den nächsten Monaten weiterhin so schöne Erfahrungen zu machen wie in den letzten drei Monaten.

Ein gesegnetes Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!

Verena Hermann

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Jakob Weigl

Dezember 2009 - Nr. 1

Gerade komme ich aus Miraflores von der Messe der deutschen Gemeinde zum vierten Advent nach Tablada zurück. Das erste Mal seit September hat mich die feierliche, sakrale Atmosphäre gestreift, die man besonders in der Weihnachtszeit in manchen Kirchen finden kann. Es war eine schöne Stunde, in der ich beim Singen deutscher alter Weihnachtslieder wie „Es kommt ein Schiff geladen“ unweigerlich sehr intensiv an zu Hause denken musste. Sonst ging hier die Adventszeit relativ emotionslos an mir vorüber; nur die Werbekampagnen für „Pannetone“, ein italienisches Gebäck aus luftigem, süßem Teig mit Rosinen und kandierten Fruchtstückchen, und das trotz sommerlicher Temperaturen ständig erklingende Lied „Blanca Navidad“ („Weiße Weihnacht“, Pendant zu „Jingle Bells“), erinnern daran, dass auch in Peru Weihnachten gefeiert wird. Ab und zu schrecke ich auf bei dem Gedanken, dass bereits am Donnerstag Heilig Abend ist.

Im Moment ist ziemlich viel los im Heim, da hier das Schuljahr ausläuft und einige Kinder von morgens sieben bis nachmittags fünf Uhr hierbleiben. Am 27. Dezember wird, noch im Zeichen des Weihnachtsfestes, im Hof des Hogars eine Messe gehalten; anschließend wird von allen Vor- und Nachmittagsgruppen jeweils eine Nummer vorgetragen, meist Tanz oder Theater. Das bedeutet viel Arbeit für alle Beteiligten, für Kinder und vor allem Erzieher und eventuell auch für die deutschen Volontäre. Unsere Aufgabe ist im Moment die Verschönerung des Schauplatzes. Das klingt zunächst harmlos, ist tatsächlich aber viel Arbeit. Einen Zaun mehrfarbig zu streichen ist sehr zeitraubend, trotz der Hilfe einiger, leider sehr weniger, Kinder. Dieses Werk ist bereits vollbracht, inzwischen sind wir mit der Gestaltung einer Wand beschäftigt, die den Innenhof zu einer Seite abgrenzt. Wir hatten uns auf die Idee geeinigt, Silhouetten der Kinder zu malen, wie Schatten, die sie beim Spielen werfen. Das ist mühsam, doch wirkt das Zwischenergebnis bereits sehr interessant und stilvoll.

Zur besseren Überschaubarkeit möchte ich den folgenden allgemeinen Erfahrungsbericht in mehrere Bereiche gliedern:

Die Arbeit im Heim

Nach einer Eingewöhnungs- und Orientierungszeit von vier Wochen zu Beginn des Dienstes hatten wir uns auf jeweils auf zwei der insgesamt sieben Gruppen festgelegt, die wir für längere Zeit begleiten würden. Ich hatte mich für die Vormittagsgruppe der Zweitjüngsten („Los Campeones“) und die Nachmittagsgruppe der Ältesten („Ninos y Ninas Sin Fronteras“) entschieden.

Die Zusammenarbeit mit Judith, der Erzieherin der Campeones, und den Kindern selbst hat sich zu einer sehr glücklichen entwickelt. Die Gruppe ist mit durchschnittlich sechs Kindern relativ klein, was den Vorteil hat, dass ich mir mehr Zeit für jedes einzelne nehmen kann und das Arbeiten im relativ ruhigen Raum leichter fällt. Ich helfe bei den Hausaufgaben, übe Kopfrechnen und rege auch sonst zu selbstständigem Denken an, spiele, male und lese mit den Kindern. Man könnte es so zusammenfassen: Ich mag die Kinder, die Kinder mögen mich - wenn sie denn keine verdammt guten Schauspieler sind! Mit der Erzieherin Judith verstehe ich mich einfach prächtig; wir unterhalten uns ungezwungen über Gott und die Welt und ihr macht es Spaß, mich dabei auf meine sprachlichen Fehler hinzuweisen. Wenn ich sonst nichts zu tun habe, helfe ich ihr bei den Mathematikhausaufgaben ihres Sohnes, der eine Privatschule besucht und auf deutlich höherem Niveau lernt.

In der Gruppe von Andy fühle ich mich dagegen inzwischen nicht mehr sonderlich wohl; besonders die pubertierenden Jungen machen es mir nicht leicht. Wahrscheinlich ist es ein ganz natürliches Verhalten, in einer vollkommen neuen Umgebung, in der man Schwierigkeiten hat, zu verstehen und sich verständlich zu machen, zunächst wo es nur geht Freunde zu suchen. Leider hat sich diese aktive Suche im Zusammenhang meiner Arbeit im Heim als Fehler herausgestellt: Nach anfänglicher Vorfühlphase verloren einige der Jugendlichen nach und nach jeden Respekt. Meine eher stille, wenig dominante Natur führte dazu, dass sie mit mir reden, als sei ich im selben Alter; meine Angewohnheit, statt zu befehlen freundlich zu bitten dazu, dass sie sich zu Frechheiten nicht nur verbaler Art erdreisteten. Einer kann genügen – mit solchen, die zusehen und dessen Beispiel folgen. Das betrifft nur einige wenige, mit den meisten komme ich sehr gut zurecht, doch neigt man leicht dazu, die ganze Gruppe mit diesen wenigen zu identifizieren und innerlich auf Abwehrstellung zu schalten und die Lust an der Arbeit zu verlieren.

Mit dem Gedanken an Weihnachten hatte ich mit der Nachmittagsgruppe ein Projekt begonnen: ein kleiner peruanischer Chor, der deutsche Weihnachtslieder singt und dabei ein Stück der deutschen Kultur kennenlernt. Leider habe ich lernen müssen, dass es nicht leicht ist, Jugendliche in diesem Alter längerfristig für eine Sache zu begeistern. Die Lieder, die ich auswählte, „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ und „Lobt Gott, ihr Christen“, erfordern mehr musikalisches Gespür und eignen sich nicht zum Brüllen wie etwa „Blanca Navidad“. Ich habe mich auf jeweils eine Strophe beschränkt – einmal auf Deutsch, danach in sehr freier spanischer Übersetzung und zuletzt ein weiteres Mal in deutscher Sprache. Das Lernen der Texte und das Aneignen der neuen Melodien bedeuten außerdem Konzentration und ein klein wenig Fleiß, was einige, die anfangs dabei waren, schnell wieder abspringen ließ. Doch zunächst musste ich selbst an mir arbeiten, da es mir schwer viel, meine musikalischen Ansprüche, die sich noch auf dem Niveau des „Vocalensemble Schwabach“ befanden, bis auf nahezu null herunterzuschrauben. Nur ein einziges Kind kann einen Ton, den ich vorgebe, einigermaßen sauber nachsingen! Ich hatte meine utopischen Vorstellungen von Mehrstimmigkeit schnell aufgegeben, doch klingt der Gesang bis jetzt auf wahrlich atemberaubende Art und Weise vielstimmig! Es gibt jedoch auch einige Kinder, die wirklich Spaß daran haben und regelmäßig zu den Chorproben kommen. Dennoch liegt es in der Schwebe, ob die Idee von einem kurzen Auftritt am 27. Dezember in die Tat umgesetzt werden kann; alles hängt davon ab, ob die Texte gelernt werden oder nicht.

Die Zusammenarbeit mit Luis ist nach wie vor sehr gut, sehr offen, ehrlich und vertrauensvoll. Man merkt, dass er bereits Erfahrung im Umgang mit deutschen Freiwilligen hat und aus den Problemen, die es mit einigen unserer Vorgänger gegeben hatte, gelernt hat. Er lässt uns viel Freiraum und gibt uns so die Möglichkeit – man könnte auch sagen: zwingt uns so – Verantwortung zu übernehmen. Die eingangs beschriebene Arbeit, die Gestaltung der zentralen Wand etc., ist ausschließlich unser Aufgabenbereich, er beschafft bedingungslos die Dinge, die wir zur Umsetzung unserer Ideen benötigen. Sollte das Projekt misslingen, fällt das selbstverständlich allein auf uns zurück.

Der Idee des Vorgesetzten der Junta folgend, die die Spendengelder aus  Deutschland verwaltet, zieht mich Luis im Moment bei der Planung zur Konstruktion neuer Holzhäuser für die Familien von Kindern des Hogars, die es am nötigsten haben, ins Vertrauen. Er klärt mich zum Beispiel über die Kosten auf; wie sie sich zusammensetzen, wie sie reduziert werden könnten und welche finanziellen Grenzen es gibt. Ich bin mir noch nicht ganz im Klaren darüber, welche Aufgabe ich dabei in Zukunft übernehmen soll und wie ich ohne jegliche Erfahrung helfen könnte.

Das Leben außerhalb des Heims

Da die Sprache nun schon bei der Musik war, möchte ich an diesem Punkt anknüpfen und ein wenig von den musikalischen Erfahrungen erzählen, die ich hier in Peru bereits machen durfte. Im Mittelpunkt steht dabei ein junger Mann Namens Jairo (24jährig), den ich auf der Suche nach einem Gitarrenlehrer kennengelernt habe. Inzwischen habe ich regelmäßig einmal wöchentlich Unterricht und mache dabei gute Fortschritte. Außerdem besuche ich ihn immer wieder, um für die nächste Hochzeit zu proben. Das verlangt nun natürlich nach einer Erklärung! Jairo ist durch und durch Musiker, er lebt von der Musik, nicht nur seelisch, sondern auch finanziell. Neben dem Unterricht sind eine weitere Einnahmequelle Auftritte bei Hochzeiten. Er schafft den musikalischen Rahmen mit seiner Band, bestehend aus Elvis als Sänger, Ebert am Schlagzeug, Israel am Bass, Abél an der Flöte, an der Knietrommel oder sonst einem Instrument (er beherrscht fast alles) und ihm selbst am Keyboard. Für den zeremoniellen Teil der Veranstaltung in der Kirche bin ich inzwischen fest eingeplant mit meiner Violine, auf drei Hochzeiten habe ich bereits gespielt. Unser festes Programm (das nicht ich ausgesucht habe!) beschränkt sich bisher auf vier Lieder, unter anderen „Titanic“ und auch der Rest geht heftig zu Herzen; danach, wenn noch Zeit ist, soll ich zu mir unbekannten langsamen Stücken improvisieren. Einmal war ich bereits vertraglich vermerkt, habe in Peru mein erstes Geld verdient (50 Soles, entspr. ca. 12,50€). Das macht an sich Spaß, ist aber auch anstrengend und zeitaufwändig; außerdem habe ich, wenn das Festessen beginnt, nichts mehr zu tu, da die Gruppe Tanzmusik spielt, zu der Violine schlichtweg nicht passt. Die Band ist richtig gut, alle verstehen sich aufs Improvisieren, allen voran Jairo, der einfach genial Keyboard spielt.

Montags besuchen wir inzwischen regelmäßig Raffael und seine Frau Maria, die direkt neben dem Hogar wohnen. Raffael ist einer der Mitbegründer des Heims und war der erste Direktor. Jetzt stellt er in Zusammenarbeit mitja seiner Frau Holzspielzeug her und verkauft dieses in seinem Geschäft in Barranco, einem hübschen kleinen Stadtteil an der Küste Limas. Die Abende sind immer sehr lustig und von den beiden – denn wir kochen immer gemeinsam; einmal wir, einmal die Gastgeber – habe ich gelernt, wie man Pizza in der Pfanne zubereitet.

Montag, Mittwoch und Freitag sind die Tage, an denen eine Gruppe junger Leute folkloristische Tänze der Andenvölker Perus trainiert. Die Tänze sind mit viel Hüpfen und Spingen, Drehen und Wirbeln verbunden, und das in hohem Tempo, was es schwierig macht, am Anfang den Anschluss zu finden. Ich habe ihn bisher noch nicht gefunden, war auch erst dreimal dort, doch habe ich vor, wenigstens einmal in der Woche, mittwochs, am Training teilzunehmen – eigentlich mehr wegen der Jugendlichen dort und der Atmosphäre in der Gruppe als aus übergroßer Begeisterung fürs Tanzen. Luis hatte uns den Ort gezeigt und uns, Verena und mich, dem Trainer vorgestellt.

Die Woche ist normalerweise immer sehr gut gefüllt mit Veranstaltungen, Besuchen und sonstigen Aktivitäten. Seit einigen Wochen kommt hinzu, dass mein Plan, zu einer peruanischen Familie zu ziehen, konkretere Formen annehmen sollte. Zwei Familien haben angeboten bzw. den Wunsch geäußert, mich aufzunehmen. Nun bin ich dabei, sie kennenzulernen, um zu einer Entscheidung zu kommen. Dabei haben sich zwei Probleme ergeben. Das eine ist, dass die Zeit vor Neujahr und damit dem Beginn unserer Ferien zu kurz und zu ausgefüllt von Aktivitäten ist, um einen Umzug gut und sinnvoll umsetzen zu können. Das zweite Problem ist ein allgemeineres und von grundsätzlicher Natur. Es wurzelt in der Tatsache, dass ich ein entscheidungsschwacher Mensch bin bzw., um es ein wenig positiver auszudrücken, dass ich Entscheidungen, besonders so wichtige, nicht leichtsinnig treffen möchte und deshalb über alle Details nachdenke. In der einen Familie fühle ich mich wohler und außerdem scheint der Wunsch hier stärker zu sein, diese Erfahrung des Austausches zu erleben. Doch habe ich das Gefühl, dass die beiden Söhne, 13- und 17jährig, Stubenhocker sind und nicht besonders viele Kontakte haben, erst recht nicht zu Leuten meines Alters. Im Haus der anderen Familie ist mehr los, die Mutter lebt mit ihren vier Söhnen im Alter von 20 bis 30 Jahren, der Ehefrau eines der Söhne und deren Tochter im selben Haus. Das scheint sehr vielversprechend zu sein, doch hatte ich insgesamt nicht das Gefühl, dass das Interesse an mir groß ist. Höchstwahrscheinlich werde ich Heilig Abend dort verbringen, als letzte Probe.

Ich hatte eigentlich vor, viel früher zu einer Familie zu ziehen, um genau das zu verhindern, was nun bereits eingetreten ist: die Bequemlichkeit des komfortablen und unabhängigen Lebens im Heim hat sich breitgemacht und lässt den Schritt des Umzuges Überwindung kosten. Auch dass ich mich inzwischen mit den beiden Mädchen ziemlich gut verstehe, hat dem ganzen Vorhaben die Dringlichkeit genommen. Aufgegeben habe ich es deshalb jedoch nicht.

Das Leben als Gringo

Das Gringo-Dasein (Gringo = Hellhäutiger) bringt in einem südamerikanischen Land wie Peru Vor- und Nachteile, doch in fast jedem Fall – zumindest in einem armen Ort wie Tablada – eine Sonderbehandlung mit sich. In einigen Situationen mag diese als angenehm empfunden werden, besonders zu Beginn, wenn das besonders große Interesse zur leichten Kontaktaufnahme im neuen sozialen Umfeld verhilft. Doch können eine übertriebene Vorzugsbehandlung auf die Dauer ermüdend und die Blicke der Menschen unangenehm werden. Immer wieder muss die Frage nach der Echtheit der Freundlichkeit, nach der Vertrauenswürdigkeit der Menschen gestellt werden: Gilt das Interesse mir oder meinem Geld? Gringos werden hier in erster Linie für Touristen gehalten, gekommen, um die prallen Taschen zu leeren.

Für mich persönlich kommt als Junge zwischen zwei gut aussehenden Mädchen die Schwierigkeit hinzu, zu unterscheiden, ob die Aufforderung „…und bring doch die Mädchen mit!“ das eigentliche Motiv der neuen „Freundschaft“ zum Ausdruck bringt. Ich bin noch immer der Meinung, dass die Zusammensetzung  „Mädchen – Junge – Mädchen“  keine besonders glückliche ist; nicht nur aus eben genanntem Grunde, sondern auch, weil sie sich leicht in „Mädchen – Mädchen      -       Junge“ verwandelt.  Die Zahl drei ist ohnehin verflixt.

Reisen

Peru kann grob in drei Landschaftsformationen aufgeteilt werden: Costa – Sierra – Selva (Küste – Gebirge – Urwald). Unsere erste kleine Reise im Oktober führte nach Tarma, eine Andenstadt etwa 200 Kilometer westlich von Lima. Dort bekamen wir auf unseren Ausflügen atemberaubend schöne Landschaften zu sehen und unterhielten uns mit Menschen, die in traditioneller Tracht, in den bunten, in Handarbeit genähten Tüchern und Röcken, ein Leben ganz im Einklang mit der Natur führen. Sie haben nicht viel Geld und arbeiten hart, doch scheinen glücklich zu sein. Eine Frau fragte uns, als sie erfuhr, dass wir aus Deutschland kämen, ob wir gelaufen seien oder ein Taxi genommen hätten. Ich habe von diesen Tagen unvergessliche Eindrücke mitgenommen und behalten.

Für unsere zweite Reise nutzen wir abermals einen Feiertag und erbaten den Brückentag zum Wochenende frei, sodass wir vom vierten bis achten Dezember Zeit hatten. Unser Ziel lautete Ica, eine Stadt südlich von Lima (ca. 300km) nahe der Küste. Das Interessante an der Stadt, die im Jahre 2007 von einem schweren Erdbeben stark beschädigt worden war, wurde für uns die nur wenige Kilometer entfernte Oase“ Huacachina“. Die Stadt Ica liegt in einem Gebiet mit wüstenähnlicher Vegetation und in Richtung Meer breitet sich eine weite Dünenlandschaft aus. Huacachina ist zu allen Seiten von hohen Sanddünen umgeben; der See, dessen Wasser jedoch längst nicht mehr original ist und deshalb die heilende Wirkung verloren hat, umringt von Palmen und schönen Restaurants, und wenn man die touristischen Züge des Ortes ausblendet, wähnt man sich mit ein bisschen Fantasie tatsächlich fernab der restlichen Zivilisation und gefangen an diesem wunderschönen Ort. Wir verbrachten dort zwei sehr ruhige Tage bevor wir nach Pisco weiterfuhren. Pisco war das Epizentrum des Erdbebens ist entsprechend stärker zerstört als Ica. Nur eine Straße wurde seitdem wieder komplett neu gepflastert, der Rest ist großteils Baustelle. Im nahe gelegenen Paracas aß ich das erste Mal „Cebiche“, ein peruanisches Nationalgericht aus rohem Fisch, rohen Meeresfrüchten und rohen Zwiebeln in Limonensaft.

Im Januar, unserem Ferienmonat, werden wir in den Urwald reisen mit dem Ziel Iquitos, das nur über den Fluss oder im Flugzeug erreicht werden kann. Von dort aus fliegen wir weiter nach Santa Cruz in Bolivien, wo das Zwischenseminar von „Weltwärts“ stattfindet.

Für all diejenigen, die meine Adresse noch nicht besitzen, aber unbedingt benötigen:

Asociacion Pro Ninos (mit ~ über zweitem n) Pobres
Centro de protección infantil
Jiron Libertad 196
1er Sector Tablada de Lurin
Villa Maria del Triunfo
Lima 35, Perú

Meine besten Wünsche nach Deutschland, ich denke an euch, vergesst mich nicht,

Euer Jakob

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Karin Kiefer

März 2010 - Nr. 2

Ich komme gerade vom Markt, habe mir eine leckere Mango gekauft. Schließlich muss ich noch etwas die riesige Obstauswahl Perus genießen. Jetzt sitze ich bei angenehmen 25°C auf der Terrasse und versuche euch etwas aus meinem Leben hier zu erzählen.

Während das Heim im Januar geschlossen war, lernten wir die Selva, also die Tropen Perus kennen und lernten auch zu schätzen, in Lima einen festen Ort zu haben und nicht wie andere drei Monate oder sogar länger umherzureisen. Das war eine beeindruckende, aber auch eine etwas stressige Reise, immer unterwegs, oft dieselben Gespräche, also erklären, wer ich bin und was ich mache, und schließlich „Hitler und das Dritte Reich“ – ein Thema, das manche Peruaner zu amüsieren scheint.
Schließlich erholte ich mich wieder auf unserem Zwischenseminar in Sta. Cruz, Bolivien, das wir zusammen mit 30 anderen deutschen Freiwilligen in einem luxuriösen Hotel verbrachten. Dieser Luxus passte für mich nicht ganz ins Bild, einerseits redeten wir über Armut, andererseits wurden 30 deutsche Jugendliche aus verschiedenen südamerikanischen Ländern und drei Begleiter aus Deutschland eingeflogen, um eine Woche lang über ihre „Sorgen“ zu reden und sich auszutauschen. Allein mit den Ausgaben für uns drei Freiwillige hätte man einer Familie des Hogars ein Häuschen bauen können. Aber mit dieser Überlegung muss wohl der gesamte Freiwilligendienst in Frage gestellt werden – Ist das nicht nur eine Verschwendung von Steuergeldern?
Dennoch habe ich es genossen, wieder mal eine Woche lang nur unter Deutschen zu sein und dabei auch feststellen oder zumindest mir einbilden zu dürfen, dass ich mich im Vergleich zum Vorbereitungsseminar doch etwas verändert und weiterentwickelt habe.
Der Austausch mit den anderen war interessant – manche werden mit einer weitaus existenzielleren Armut konfrontiert als ich hier in Tablada – und immer wieder kam mir der Gedanke: „Ja genau, das erlebe ich doch genauso.“ Zudem wurde mir bewusst, dass nicht nur ich als Frau mit dem Machismo meine Probleme habe, sondern genauso die männlichen Volontäre.

Im Februar begann dann wieder die Arbeit im Heim, aber erstmal ohne Kinder, d.h. zwei Wochen Putzen, Lehrgänge zu den Themen Spiritualität, Leseverständnis und „Förderung des Körperbewusstseins und Koordination“, sowie ein mühseliges Erarbeiten eines recht formellen Jahresplanes, was schließlich scheiterte. „Spiritualität“ wurde leider von einer recht konservativ-katholischen, autoritären, älteren Frau gehalten, was den Erziehern vermutlich wenig half. Der Vortrag „Leseverständnis“ hingegen war inhaltlich sowie methodisch sehr gut und „Förderung des Körperbewusstseins und Koordination“ war sehr praktisch orientiert und gab so auch konkrete Ideen für das Arbeiten mit den Kindern. Ob diese aber auch umgesetzt werden, wage ich zu bezweifeln.
Ich denke,  diese zwei Wochen, in denen die Erzieher viel Zeit miteinander verbracht haben, haben das Gruppengefühl des Teams gestärkt. Ich zumindest konnte meine „Kollegen“ so nochmal viel besser kennenlernen und fühle mich noch besser integriert.
Ähnlich verhält es sich auch mit dem Deutschunterricht, den wir Anfang März begonnen haben und seither dreimal in der Woche nach der Arbeit geben. Für mich ist dabei weniger das Ziel, dass die Erzieher Deutsch lernen, sondern mehr, dass sich ein besseres Gruppengefühl entwickelt, indem sie zusammen lachen, sich gegenseitig helfen und einfach Zeit miteinander verbringen. Und wenn dabei noch das ein oder andere deutsche Wort hängen bleibt - umso besser!

Mitte Februar kamen nach und nach wieder die Kinder ins Heim. Die 6-Jährigen sollten lernen wie „die Großen“ mit Messer und Gabel zu essen, was manchmal wirklich witzig anzusehen war, aber es ist ja auch nicht ganz einfach, plötzlich mit der linken, also der i.d.R. ungeschickteren Hand den Reis zum Mund zu führen! Schließlich behaupten gesellschaftliche Normen, dass das Messer in die rechte Hand gehört und die Gabel in die linke. In meiner Nachmittagsgruppe (8 - 11-Jährige) sind jetzt mehr jüngere Kinder, was die Gruppe verglichen mit dem letzten Jahr kontrollierbarer und somit angenehmer macht. Die älteren Rebellen wechselten zu den Großen, wo sie jetzt plötzlich die Kleinen sind. Das hat ihnen gutgetan, dort müssen sie sich plötzlich unterordnen. Meine Vormittagsgruppe

(1 2- 17-Jährige) gefällt dieses Jahr noch besser, ich verstehe mich blendend mit dem Erzieher und die Jugendlichen geben mir das Gefühl, dass sie mich respektieren und schätzen.

Vor einigen Jahren haben Spanier dem Heim ältere Computer gespendet. Diese wurden jetzt, sogar mit Internetzugang, in den Räumen der 8-11-Jährigen sowie der 12-17-Jährigen und in einem weiteren Zimmer eingerichtet. Momentan gehe ich nachmittags immer mit drei Kindern in das „Computerzimmer“ und versuche sie mit Word vertraut zu machen. Einige gehen recht sicher mit Computern um, da sie schon in der Schule an PCs gearbeitet haben, anderen hingegen bereitet sogar noch die Mouse Probleme. Auch bei den Älteren sind die Unterschiede enorm.

In diesem zweiten Halbjahr ist für uns eine schöne, herausfordernde und vor allem interessante Aufgabe hinzugekommen. Das Heim möchte mehr über die Familien erfahren und schickt uns daher mit einem Fragebogen (Daten der Eltern, Wohnsituation, Besuch sozialer Einrichtungen) zu jeder einzelnen Familie. Diese Besuche laufen je nach Familie ganz unterschiedlich ab. Manchmal dauert das Ganze nur eine halbe Stunde, manchmal zwei, manchmal ist es sehr bewegend, manchmal ein ungezwungener Austausch, manchmal eine unangenehme Befragung. Ich möchte zwei Besuche beispielhaft etwas genauer beschreiben:

María lebt mit ihren zwei Brüdern, ihren Eltern und ihrer Tante in einem Haus aus Ziegelsteinen und Wellblechdach einige Meter oberhalb des Hogars. Auf dem Weg zu ihrem Haus bellen uns Straßenhunde an, während wir einen steilen, sandigen Weg hochklettern, der im Winter aus purem Schlamm  besteht. Oben angekommen bittet uns eine schüchterne Frau herein. Ich betrete ein leeres, dunkles Zimmer, werde in ein weiteres Zimmer mit zwei Betten, in denen sechs Personen schlafen, und einem Fernseher geführt und werde schließlich aufgefordert im nächsten Raum, der Küche, Platz zu nehmen. Es gibt nur einen Stuhl, sodass die Mutter wie ein kleines Schulmädchen vor mir steht. Ich versuche ein Gespräch über das kleine Kind von Marías Tante anzufangen, erzähle von meinen Neffen, bekomme aber nur kurze, unsichere Antworten. Ich hole schließlich den Fragebogen raus, es beginnt sowohl für mich als auch für die Mutter eine unangenehme Befragung. „Wie heißen Sie?“ „Wie lange sind sie zur Schule gegangen?“  Ein verlegenes Grinsen. „Bis zur vierten Klasse… Meine Tochter hilft mir gerade Lesen und Schreiben zu lernen.“ Arbeiten Sie? „Ich verkaufe manchmal Getränke auf der Straße.“ „Wie viel verdienen Sie?“ „Wenn ich etwas verkaufe etwa 2,50 € am Tag.“ Eine Frage, die vor allem am Anfang für mich schwierig war, da dies in Deutschland ein Tabuthema ist. „Sind sie verheiratet?“ Etwas verlegen wird schließlich zugegeben, dass man keinen Trauschein hat…
Nachdem der Fragebogen erledigt ist, werden mir ein paar „Habas“ (geröstete Bohnen) für zuhause eingepackt, die Mutter zeigt mir noch schnell ihre vier Hühner, die sie oberhalb des Hauses hält. Die Stimmung bleibt angespannt, ich gehe schließlich wieder den steilen Weg vorbei an den Hunden zurück zum Heim.

Am nächsten Tag begleite ich Maruja nach Hause. Sie wohnt auch etwas oberhalb des Heimes zusammen mit ihren zwei Brüdern und ihren Eltern in einem Holzhäuschen bestehend aus einem Zimmer mit drei Betten und Fernseher, ein kleines „Esszimmer“ und einer Küche. Die „Toilette“ ist ein kleiner Plastikverschlag. Wasseranschluss gibt es keinen, stattdessen bekommt die Familie das Wasser vom Nachbarn durch einen Gartenschlauch und speichert es in blauen Tonnen – wie in Deutschland das Regenwasser. Gekocht wird manchmal draußen mit Brennholz, um Gas zu sparen. Maruja stellt mir ihre kleine Cousine vor, ich spiele etwas mit ihr, bis schließlich Marujas Mutter kommt – eine junge Frau, so alt wie mein Bruder, die aber schon eine 12-jährige Tochter hat. Wir setzen uns ins Esszimmer, sie beginnt zu erzählen, erzählt vom Bauchweh ihres Sohnes, von ihren ständigen Kopfschmerzen – eine Folge eines Gehirntumors, den sie vor vier Jahren hatte. Die Operation vor vier Jahren war natürlich auch nicht ganz billig, sie lag eine Zeit lang im Krankenhaus und konnte nicht arbeiten. Das hat ihr Mann ihr damals auch vorgeworfen. Daraufhin antwortete sie ihm, dass sie arbeiten werde, nicht mehr jammern werde, eine gute Frau sein werde. Was für eine verzweifelte Situation das gewesen sein muss! Immer noch befürchtet sie, dass ihr Mann sie aufgrund ihrer Krankheit aufhört zu lieben, sie verlässt. Wenn es ihre Gesundheit zulässt, arbeitet sie als Friseurin, wobei sie wöchentlich 5-10 € verdient für eine 50-Stunden-Woche. Von diesem Geld muss sie dann aber noch ihre Ausrüstung, also Schere, Rasierklingen,… kaufen. Ein Arbeitstag beginnt für sie frühmorgens, sie macht das Frühstück, räumt alles auf, kocht das Abendessen für ihren Mann und geht schließlich von 11 Uhr bis 21 Uhr Haare schneiden.
Während sie erzählt, beginnt sie zu weinen, ich habe auch Tränen in den Augen.

Diese Familienbesuche sind für mich bereichernd und helfen mir auch die Kinder und ihr Verhalten besser zu verstehen, da ich ihre Familie, ihren Hintergrund kennenlernen durfte. Mir ist zudem bewusst geworden, dass das Heim sicherlich nicht die Ärmsten Perus unterstützt. Aber oft macht Armut nicht nur Materielles aus, sondern auch die Einstellung, das Verhalten der Familien. Man kann einer Familie ein Haus bauen, aber wenn die Familie in ihrer Hütte schon im Dreck gehaust hat, wird das im neuen Haus nicht anders sein. Die finanzielle Unterstützung einer Familie durch das Heim ist also nicht ausreichend, mindestens genauso wichtig ist die Einflussnahme auf das Verhalten der Familien. Eine schwierige Aufgabe, denn das Heim kann zwar die Kinder erziehen, solange sie hier sind, aber zuhause wird ihnen eine andere Realität vorgelebt.

Dennoch, das Ganze auf den Punkt gebracht, fühle ich mich hier richtig wohl, es geht mir sehr gut, es bleibt nach wie vor spannend, interessant, schön. Mittlerweile zähle ich nicht mehr, wie lange ich schon hier bin, sondern wie viele Monate mir noch bleiben. Die Zeit vergeht rasend schnell, ich kann es noch kaum glauben, aber in einer Woche werde ich meine Eltern vom Flughafen abholen – dann kann ich ihnen endlich einen Teil meines Lebens hier zeigen!
Karin  

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Verena Hermann     

April 2010 - Nr. 2

Wie im Fluge sind die letzten Monate vergangen.  In meinem peruanischen Umfeld habe ich langsam die Möglichkeiten entdeckt und lerne diese immer besser zu nützen. Die Verständigungsprobleme sind seltener und das Zurechtfinden im Alltag ist leichter geworden.
Im folgenden Bericht will ich versuchen, einen Einblick in mein Leben hier in Peru zu geben und von meinen Erfahrungen berichten

Zwischenseminar in Bolivien
Bei diesem von der AGEH organisiertem Seminar in Santa Cruz konnten wir uns gut von den Strapazen von unserer Freizeit im Urwald erholen und uns mal wieder mit anderen deutschen Jugendlichen unterhalten. In der Muttersprache ist es doch viel einfacher ein tiefgehendes Gespräch zu führen. Dadurch, dass wir alle ähnliche Erfahrungen gesammelt hatten, wurde schnell Vertrauen gefasst. Allerdings war dieses Seminar im Gegensatz zu dem Vorbereitungsseminar in Deutschland nicht so emotional bewegend, was daran liegt, dass es eher ein Erzählen von den Teilnehmern war und dass wir alle schon in unserem Auslandsleben stecken. Trotzdem war die Woche sehr erfahrungsreich und ich möchte sie nicht missen.

Arbeit ohne Kinder
Zurück aus den Ferien ging die Arbeit im Heim gleich los, jedoch noch ohne Kinder, sondern nur intern mit den Mitarbeitern. Wir bekamen drei Workshops von Experten angeboten,  um unsere Kapazitäten zu erweitern: Einen über Leseverständnis, welcher sehr guten und hilfreichen Inhalt hatte, über  Spiritualität, der mich zwar nicht überzeugte, den ich aber trotzdem interessant fand,  Im Hinblick auf Reaktionen der anderen Teilnehmern. Der dritte Workshop war  über Körperbewusstseinsförderung. Auch das Putzen der Salons musste erledigt werden. Bei dieser Aktivität hatten wir Zeit und Ruhe für intensive Gespräche mit dem Erzieher, was das Arbeitsklima verbesserte, da mehr Interesse für den Anderen geweckt wurde. Insgesamt haben wir in den ersten zwei Februarwochen nicht nur die bürokratische Arbeit, die zum Teil etwas langwierig und ohne Vorankommen war, kennengelernt, sondern auch ein intensiveres Verhältnis zu den Mitarbeitern aufgebaut.

Arbeit mit den Kindern
Nach der „Trockenübung“ fing dann die Arbeit mit allen Kinder an. Und da es eine Schule nur mit 3 Wochen Verspätung schaffte, ihr Dach zu reparieren, hatten wir ziemlich lange Zeit fast alle Kinder vom Nachmittag und vom Vormittag gleichzeitig da. Eine Abwechslung zum Hogaralltag wurde den Kindern durch einen sehr gelungenen Strandausflug geboten, der nur ein wenig von der Unverantwortlichkeit, die Kinder in der prallsten Mittgassonne spielen zu lassen, überschattet wurde.
 Mit dem Knüpfen von Armbändern unterstütze ich die Erzieherin in der Kinderbeschäftigung, was leider aber nur eingeschränkt funktionierte, da bei den 9 bis 11 jährigen Kindern meist die Geduld dazu fehlte.
Das neue Projekt der Computación ( Informatik) stößt dagegen auf volle Begeisterung der Kinder. Dank einer Spende von Spaniern konnten hier einige gebrauchte Computer installiert werden, die wir nutzen, um den Kindern den Umgang mit den Apparaten beizubringen. Mit den Erst – und Zweitklässlern versuche ich das mit dem Zeichnen im Paint  zu realisieren und bei den ein wenig Älteren klappt sowohl das Schreiben im Word schon ganz gut als auch die Informationssuche im Internet .Da die Kinder insgesamt mehr Vertrauen zu mir gefasst haben und mich auch mehr als Autorität ansehen, was an meinen sich verbessernden Sprachkenntnisse liegen kann, kann ich die Kinder besser in ihren Stärken und Schwächen einschätzen und so meine Unterstützung sinnvoller einbringen.
Außerdem habe ich mir zum Ziel gesteckt, ein wenig die Petzerei im Salon zu vermindern. Bei jeder Kleinigkeit beklagen die Kinder sich bei der Erzieherin und versuchen fast nie die Angelegenheit unter sich auszurichten. Man muss die Kinder zwar fast immer noch erinnern, Streitigkeiten ohne Petzen zu regeln. In einigen Fällen klappt es doch schon ganz gut.

Familienbesuche
Neben der regulären Arbeit im Heim haben wir drei Freiwilligen das Angebot angenommen, die Familien der Kinder zu besuchen, um eine Umfrage durchzuführen. So begleiten wir jeweils die Kinder mit denen wir am meisten zutun haben, oft nach Hogarschluss nach Hause, um mit der Befragung die Familienprobleme besser kennen zu lernen und so eine besser Unterstützung zu ermöglichen. Fast immer trifft man auf sehr herzliche Gastfreundlichkeit und Offenheit, sodass intensive Gespräche zustande kommen, bei denen einem  zum Teil unter Tränen die ganze Leidensgeschichte erzählt wird. Fälle, wie von Familien die mit fünf Kindern in einer Holzhütte am Berg wohnen und mit dem Lohn der im Markt arbeitenden Mutter, der nur 2 Euro pro Tag beträgt, nicht nur sich ernähren müssen sondern auch noch die alleinstehende Tante mit ihren zwei Kindern, kommen dabei schon vor. Immer öfter wird mir dabei klar was ich für ein Glück hatte, in Geborgenheit und exzellenten Umständen aufgewachsen zu sein.
 Über die Erfahrung dieser Besuche bin ich sehr dankbar, da ich so viel besser die Realität der Kinder kennen lerne und auch zu den Eltern Kontakt fassen kann.

Faena ( Mitarbeit) der Eltern
Da auf Grund von fehlenden finanziellen Mitteln dieses Jahr, das Streichen nicht durch professionelle Maler durchgeführt werden konnte, mussten hauptsächlich die Väter bzw. Brüder oder Nachbarn mit anpacken. Für meinen Geschmack war zwar fraglich, ob es wirklich nötig ist, nach nur einem Jahr erneut alles zu streichen, aber die Aktion war schon fest eingeplant. Pünktlich an einem Sonntag rückten dann die ganze Mannschaft mit Pinseln und Malerrollen  an und in nur vier Stunden hatten alle Salons, die Räume die Werkstätten und die Küche einen neuen Anstrich. Deutlich merkte man, dass viele Väter handwerkliche Beschäftigungen haben und so ohne große Probleme die Arbeit erledigt werden konnte. Natürlich durfte nach der Arbeit das Spiel nicht fehlen und während die Frauen noch den Boden schrubbten, begannen die Männer ihre Fussballpartie.

Dass nur von vier Kindern ein Eltern- oder Verwandtenteil gefehlt hat, zeigt, dass die Familien, die im Hogar unterstützt werden auch bereit waren, den Hogar zu unterstützen.

Meine Freizeit
Ich wohne mittlerweile mit Karin hier alleine im Hogar. Jakob ist in eine Familie gezogen, um noch andere Erfahrungen zu sammeln. Ein Umzug in eine Familie kam auch bei mir in Frage, doch nach langem Überlegen habe ich mich dagegen entschieden und bin im Moment sehr froh darüber, meine Freiheit und das wunderschöne WG-Leben hier zu genießen.
Dass es mir hier langweilig wird, ist auch dank meiner vielen Beschäftigungen nach Feierabend einfach unmöglich. Zwei bis dreimal die Woche nehme ich weiterhin in der folkloristischen Tanzgruppe teil. Nach und nach werde ich ernster genommen und der Tanzlehrer traut sich auch langsam mir zu sagen, was ich falsch mache oder verbessern könnte. So bekam ich die Gelegenheit zu einem Tanzauftritt. In schönster Landestracht durfte ich  meine noch nicht ganz vorhandenen Künste vor Publikum vorführen.
Auch das Kochen mit Freunden ist noch aktuell und immer eine schöne Gelegenheit sich zu treffen und sich zu amüsieren. Da ich langsam so meinen Freundeskreis gefunden habe, drehen sich die Themen nicht mehr, wie anfangs nur um Smalltalk, was sehr angenehm ist.
Mit Reisen nach Canta (Sierra von Lima), Truchjllo und Chiclayo habe ich auch noch weitere Teile von dem wunderschönen Peru kennengelernt und meine Wochenenden gut ausgefüllt.

Für den letzten Abschnitt meines Aufenthaltes hier, steht noch der Besuch meiner Eltern und meiner Schwester an, worauf ich mich auch schon freue. Außerdem hoffe ich, dass die letzten drei Monate nicht zu schnell vorbei gehen, damit ich hier das Leben noch ein wenig genießen kann und  mehr Erfahrungen sammeln kann beziehungsweise vertiefen kann.

Verena Hermann

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Jakob Weigl

07. Juli 2010 - Nr. 2

Erfahrungsbericht

Seit meinem letzten Erfahrungsbericht ist viel Zeit vergangen und vieles hat sich getan. Das Wichtigste möchte ich im Folgenden zusammenfassen.

Zunächst kurz zur derzeitigen Wohnsituation: Nachdem ich einige Monate mit einer peruanischen Familie in Tablada zusammengelebt hatte, bin ich inzwischen wieder in den Hogar zurückgekehrt. Die Zeit mit der Familie war schön und bereichernd; doch kam ich nach einigen Problemen, besonders mit den Söhnen Manuél und Luis, die sich mir bis zum Schluss nicht öffneten und mich im Grunde nicht Teil ihres extrem auf den engsten Kreis der Familie beschränktes Leben werden lassen wollten, zu dem Schluss, dies sei für beide Seiten das Beste. Nun besuche ich Dina, Jesús und ihre Söhne immer wieder, wir erzählen uns Neuigkeiten und ab und zu kochen wir zusammen.

Die Vormittagsgruppe Los Campeones

Hier hat vor einem Monat ein vorübergehender Personalwechsel stattgefunden: für die Zeit bis Ende August wird die Erzieherin Judith, mit der ich bisher zusammengearbeitet hatte, durch eine Frau namens Hilda (Aussprache in Peru: „Ilda“) vertreten. Der Grund: Judith war schwanger und hat inzwischen, vor zwei Wochen, eine Tochter geboren. Beide, Mutter und Tochter, sind  gesund und wohlauf – was zwischenzeitlich nicht sicher war, da es im letzten Stadium Probleme bei der Ernährung des Säuglings gab und deshalb befürchtet wurde, das Kind komme mit Organproblemen zur Welt. Doch glücklicherweise haben sich alle bösen Prognosen des behandelnden Arztes als Fehleinschätzungen herausgestellt, zumindest bis jetzt. Als ich sie besuchte, traf ich sie als stolze, überglückliche Mutter nun dreier Kinder an, doch gab sie offen zu, den Hogar - die Kinder und das Essen - bereits zu vermissen.

So endete also die in jeder Hinsicht glückliche Zusammenarbeit mit Judith, denn ihre Rückkehr Anfang September werde ich knapp nicht mehr erleben. Doch komme ich mit Hilda ebenso gut zurecht, auch wenn das Verhältnis zu ihr (noch) nicht ganz so freundschaftlich ist. Kurz zur Person: Hilda ist mit einem Deutschen verheiratet, der in Lima als Bäcker arbeitet (und dessen Spezialität, Vollkornbrot, nur bei den in Lima lebenden Deutschen Absatz findet). Zwölf Jahre lang hat sie in Deutschland, in Berlin, gelebt, bis ihr Mann beruflich in Schwierigkeiten kam – er arbeitete „irgendetwas mit Steuern“ - und der Umzug nach Peru die beste (einzige?) Lösung war. Hilda wäre lieber in Deutschland geblieben, sie hatte das Leben dort zu schätzen gelernt, obwohl sie fast ausschließlich mit anderen dort lebenden, unter dem weniger herzlichen Temperament der Berliner leidenden Peruanern Kontakt hatte. Ihr Deutsch ist angesichts der langen Zeit in Deutschland erstaunlich schlecht, besonders die Aussprache ist mangelhaft – ein weiterer Beweis dafür, was Karin, Verena und ich in einem dreimonatigen Deutschkurs für das Personal feststellen mussten: Deutsche Sprache - schwere Sprache.

Besagter Deutschkurs fand nach der offiziellen Arbeitszeit dreimalig pro Woche statt, jeder von uns mit jeweils einer Stunde; Teilnahme auf freiwilliger Basis, nach Einschreibung jedoch, zumindest offiziell, verpflichtend. Die Idee fand großen Anklang, doch wurde die Anzahl der regelmäßig erscheinenden Schüler mit der Zeit immer geringer, gegen Ende fand sich nur noch der harte Kern ein. Nach einer Krisensitzung stiegen manche komplett aus, die meisten rafften sich jedoch noch einmal auf und so wurde der Kurs relativ erfolgreich zu Ende geführt. Am Schluss stand ein kleines, von uns dreien organisiertes Fest mit Urkundenverleihung, Danksagungen, dem Singen deutscher Lieder („Bruder Jakob“ und „Heo, spann den Wagen an“ im Kanon), das ich dirigierte und mit der Geige begleitete, Nudelsalat und natürlich Pisco Sour.

Die Veränderungen im Saal, die es in den letzten zwei Monaten gab, hängen sowohl mit beschriebenem Wechsel der Erzieherin als auch dem fast zeitgleichen Hinzukommen des zehnjährigen Jesús zusammen. Jesús brachte vom ersten Tag an viel Bewegung und viel Aufregung mit sich, die sich bei Hilda fast bis zur Verzweiflung steigerte. Just in diese Zeit des Weggangs Judiths in den Mutterschutz fiel der Besuch meiner Familie, sodass Hilda alleine mit der Situation zurechtkommen musste. Sie war von Judith zwei Wochen lang in die Arbeit eingeführt worden und hat durch die Arbeit in einem deutschen Kindergarten Vorkenntnisse, doch unterscheiden sich die Jungen und Mädchen des Hogars von den meisten deutschen Kindern darin, dass wenig oder gar keine Erziehung durch die Eltern stattfindet. Viele sind lange Zeit des Tages sich selbst überlassen, die sie dann auf der Straße oder vor dem Fernseher verbringen und sich dabei an rauere Umgangsformen gewöhnen. 

Der Fall Jesús ist extrem: sein Vater, der als „Cobrador“ arbeitet, also von morgens bis abends in einem Bus steht, dessen Fahrtrichtung brüllt und das Fahrgeld einsammelt, ist nach Beschreibungen ein verbitterter, aggressiver Mensch, dessen einzige Erziehungsmaßnahme Schläge sind; die Mutter ist eine scheue, alles erduldende und zulassende Frau. Jesús ist also mit der Gewalt aufgewachsen, sowohl zu Hause als auch draußen auf der Straße im Umgang mit meist älteren Jugendlichen. Die Folge ist, dass auch er selbst davon ganz selbstverständlich Gebrauch macht. Die einzige Person im Hogar, die er respektiert, ist der Direktor Luis mit seiner mächtigen Stimme. Die anderen Kinder lernten schnell von ihm, ob freiwillig (Fäkalsprache) oder unfreiwillig (die Notwendigkeit, sich zu verteidigen). Hilda war mit der Situation überfordert, es soll in meiner Abwesenheit drunter und drüber gegangen sein.

Als ich von der Reise in den Süden zurückkam, fand ich Jesús nicht mehr in der Gruppe und die anderen Kinder verändert. Der dickliche Sebastián etwa, der immer der anhänglichste und kindlichste der Jungen war, ließ bei jeder Gelegenheit die Brust anschwellen und zeigte seine Muskeln, setzte diese auch nach Bemühen ein und antwortete auf eindringliches Zureden mit grimmiger Miene bloß „¡Yo les chanco!“ („Ich hau sie!“) – eigentlich ein wirklich komisch-lustiges Schauspiel, in der Situation muss ich mir des Öfteren das Lachen verkneifen. Sein Verhalten hat sich inzwischen wieder ein wenig gebessert, die erzieherische Einflussnahme ist jedoch ein zähes und anstrengendes Unterfangen und steht nicht im Verhältnis zu Sebastiáns kurzer Zeit in der Lehre Jesús‘.

Nachdem alle „klassischen“ Mittel der Erziehungskunst erfolglos geblieben waren, wurde Jesús in die Gruppe der Ältesten „strafversetzt“ in der Hoffnung, er verhalte sich dort zurückhaltender und passe sich an das überwiegend ruhige und gute Betragen der Jugendlichen an. Außerdem soll der Wunsch nach der Rückkehr zu seiner Gruppe reifen. Bisher scheint die Strategie in Ansätzen aufzugehen, wenn es auch immer wieder zu Vorfällen kommt.

Ich persönlich habe Jesús liebgewonnen als äußerst intelligenten, anhänglichen, fröhlichen, begeisterungsfähigen Jungen und insgeheim amüsiere ich mich oft über seine frisch-freche Art. Er ist zwar im Moment nicht bei den Campeones, doch kommt er immer wieder zu mir und erzählt mir oder will mit mir spielen. Die Wurzel allen Übels ist das Elternhaus und ich hoffe, die Situation wird sich für Jesús irgendwie verbessern. Doch ist die Arbeit mit den Eltern die schwierigste und langwierigste, was auch in diesem Fall nicht anders sein wird.

Insgesamt macht Hilda ihre Arbeit sehr gut und bringt durch ihre Erfahrungen in Deutschland neue Ideen und Konzepte mit ein.

Die Nachmittagsgruppe „Chicas y Chicos Sin Fronteras“

Für mich hat sich die Situation in der Gruppe der Ältesten, der elf- bis 17-Jährigen eindeutig zum Positiven verändert. Ich habe eingesehen, dass man sich nicht mit allen gleich gut verstehen muss, dass man in einer Gruppe dieser Größe (ca. 20) wohl immer den ein oder anderen Unsympathen finden wird und akzeptieren muss, auch in Peru. Mit den allermeisten jedoch verstehe ich mich ausgesprochen gut und es macht Spaß, mit ihnen zu arbeiten, zu spielen oder sich einfach zu unterhalten. Insgesamt genieße ich mehr Respekt als am Anfang. Das ist allgemein auf verbesserte Sprachkenntnisse, das „Hineinwachsen“ in die Arbeit und eine entspanntere Einstellung dazu zurückzuführen. Doch besonders zwei Dinge haben mir geholfen, meine Position im Saal eindeutiger zu definieren: die Hausbesuche und mein Bäckerei-Projekt.

Ersteres bedeutet, dass Verena, Karin und ich nach und nach (fast) alle der Kinder nach Hause begleiteten, um Lebenssituation und Familie kennenzulernen. Die Idee dazu kam mir, als Luis in einer der regelmäßig freitags stattfindenden Mitarbeiterversammlungen erwähnte, man wolle eine Sozialarbeiterin engagieren, um Informationen zu finanzieller Lage, Arbeit der Eltern, Ausstattung des Hausrats, Verbindung zu anderen Organisationen etc. einzuholen. Luis willigte fast augenblicklich in das Angebot ein, wir könnten diese Aufgabe übernehmen.

Nach vorheriger Absprache mit den Eltern ließ ich mich meist nach Schließzeit des Hogars, also gegen fünf Uhr nachmittags, von einem der Kinder meiner Gruppen – ich kümmerte mich vorwiegend um die Großen – zu deren Behausung mitnehmen. Die Hauptintention war von offizieller Seite zwar die Bearbeitung je eines Fragebogens, deren Sammlung einen Überblick ermöglichen sollte zu Bedürftigkeit der Familien, doch war dies praktisch Nebensache und wurde meist ganz am Schluss erledigt. Fast überall wurde ich herzlich und in der Armut größtmöglichen Großzügigkeit empfangen. Manche Eltern waren zu Beginn etwas eingeschüchtert, doch habe ich es eigentlich immer geschafft, bald das Vertrauen zu gewinnen, sodass mir von vielen letztlich ganz freiwillig die komplette Lebensgeschichte erzählt wurde. Die meisten dieser geschilderten Lebenswege sind zweifellos sehr steinig, wobei mir durchaus bewusst ist, dass mein Besuch bestimmte Hoffnungen auslöste und deshalb an Übertreibungen nicht gespart wurde; nicht wenige der Mütter brachen in Tränen aus.

Die Unterschiede zwischen den Familien sind größer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Besonders eine Familie lebt nach peruanischen Maßstäben alles andere als arm, das Haus ist groß, stabil und gut eingerichtet (dennoch Tablada, nicht Deutschland!), und ich stellte mir die ernsthafte Frage, ob das Geld nicht besser in andere, bedürftigere Familien investiert wäre; solche etwa, deren Behausung aus Sperrholz, Pappe und Schilfrohrgeflecht zusammengezimmert, von Wellblech überdacht und mit Plastikplane notdürftig abgedichtet ist. Andererseits hat der Einsatz des Hogars nur Sinn, wenn den Menschen nicht nur aus der Armutsfalle herausgeholfen, sondern auch dafür Sorge getragen wird, dass sie nicht wieder hineingeraten.

Die meisten Gespräche führte ich mit alleinstehenden Müttern, von denen nur die wenigsten noch Kontakt zu ihren ehemaligen Männern haben, geschweige denn finanzielle Unterstützung von diesen erhalten. Dies ist schon eines der Hauptprobleme: die Mütter müssen arbeiten, denn wer sonst schafft Geld herbei?, in vielen Fällen den ganzen Tag. Die Kinder sind in dieser Zeit sich selbst überlassen, genießen „Narrenfreiheit“.

Das Beschäftigungsfeld der Mütter ist leicht zu umreißen: das Putzen, Waschen oder Kochen in Häusern anderer Familien oder der Verkauf von Süßigkeiten, Obst oder Gemüse; in jedem Fall nicht besonders lukrative Arbeiten. Ein Beispiel: eine der Mütter verkauft an einem winzigen Rollwagen Süßigkeiten in einem reicheren Stadtteil vor einer großen Supermarktkette. Es besteht nicht nur das Risiko, von gelegentlich kontrollierenden Polizisten geschnappt zu werden, was den Verlust jenes Rollwagens mit allen Verkaufsgegenständen und damit der einzigen Einkommensquelle bedeuten würde; der „Verdienst“ reicht an manchen Tagen gerade, um die Fahrtkosten morgens hin und abends zurück zu decken, ist also gleich null.

Durch die Besuche habe ich viel gelernt, vor allem natürlich über die Kinder: wie sie leben, wo und in welchen Familienverhältnissen. Das macht es leichter, bestimmte Bedürfnisse und Verhaltensprobleme zu verstehen. In vielen Fällen verlangt es Respekt ab, wie die Leute ihr Leben meistern, in manchen jedoch muss man mit Unverständnis und Ungeduld Tatenlosigkeit, Trägheit und Resignation gewahren wo es ohne Zweifel Wege gäbe, die Lage zu verbessern.

Das Verhältnis zu den meisten in der Gruppe der Ältesten wurde durch die Besuche persönlicher, offener und ehrlicher. Auch umgekehrt zeigen die Kinder nun viel mehr Achtung vor mir und nehmen häufiger mein Hilfsangebot in Anspruch.

Besonders zu sechs der etwa 20 „chicos y chicas sin fronteras“ hat sich das Verhältnis intensiviert. Grund ist ein „taller“ („Werkstatt“, „Arbeitsprojekt“), den ich nun seit ca. drei Monaten immer mittwochs leite. Da der Heim-Bäcker Ricardo zur Zeit nur vormittags anwesend ist und so für die Nachmittagsgruppen die Mithilfe in der Bäckerei komplett ausfällt und ein halbes Jahr über der junge Schreiner Javier nicht mehr beschäftigt war (vor einigen Tagen ist er wieder eingetreten – eine lange Geschichte, die ein andermal erzählt werden soll), habe ich dieses Projekt begonnen, um zumindest für meine Gruppe das Beschäftigungs- und Lernangebot zu erweitern. Ich bin kein ausgewiesener Bäcker, habe nur eine kurze pubertäre Phase der Back-Begeisterung durchgemacht, während derer ich mit den Grundrezepten von Hefe-, Rührteig etc. schon so manches ausprobiert und experimentiert habe und dabei die gröbsten Anfängerfehler hinter mir lassen konnte. Das Experimentieren habe ich auch als „Meastro“ nicht sein lassen und so entstanden zum Teil recht ausgefallene Kreationen wie grüne Basilikum- oder rote Ají-Brötchen (ají: orange-rote Pfefferschote), aber auch typisch peruanische – wie etwa Empanadas (gefüllte Teigtaschen) – und typisch deutsche Backwaren, z.B. Rosinenbrötchen. Bis jetzt kamen alle Dinge sehr gut an, nur das für den peruanischen Gaumen ungewöhnlich schwere und allzu säuerliche Zwiebel-Vollkornbrot mit kerniger Kruste stieß bei einigen auf Unverständnis und handelte sich den Spitznamen „Pan piedra“ („Steinbrot“) ein. Nun habe ich vor, zumindest einmal an einem der mir verbleibenden Wochenenden eine Back- und Verkaufsaktion zu veranstalten. Das bedeutet: am Samstagabend verschiedene Backwaren herstellen und diese am Sonntagmorgen in der Deutschen Gemeinde in Miraflores verkaufen. Mit dem verdienten Geld könnte dann ein kleiner Ausflug wie etwa ein Kinobesuch unternommen werden.

Aktuelles

Vor wenigen Tagen habe ich hier im Hogar meinen Geburtstag gefeiert. Das Fest wurde ein weiterer Höhepunkt meiner Zeit in Tablada. Es war zwar zunächst anstrengend, für die etwa 20 Gäste zu kochen, doch zahlte sich die Mühe aus: die Idee war, meinen Freunden die Möglichkeit zu geben, typische Speisen meiner Heimat, des Frankenlandes, kennenzulernen. Wie häufig war ich doch hier danach gefragt worden, wie man denn dort esse! Die Speisekarte:  Nürnberger Bratwöschtla mit Kartoffelsalat, Sauerkraut und Gurkensalat. Zweites Gericht: Saure Zipfel mit „Pan piedra“.

Die Nürnberger und das Sauerkraut hatten meine Eltern mitgebracht, weshalb zur Enttäuschung der Eingeladenen nicht alles zum Nachkochen geeignet ist. Das Essen kam super an und die Stimmung wurde im Laufe des Abends immer besser und ausgelassener. Zu später Stunde holte ich nach mehrfachen Bittens meine Geige hervor und spielte eine Solofantasie von Telemann. Stefan, ehemaliger Volontär des Hogars, inzwischen in Tablada ansässig und verheiratet und seit kurzem Vater, zückte seine große Altblockflöte, die er zufälligerweise mitführte und zusammen spielten wir eine weder für Violine noch für Flöte komponierte Serenade Joseph Haydns von ungeordneten Notenblättern ab, die aus unbestimmbaren Gründen zufälligerweise irgendwo im Raum herumlag. Kurz darauf griff Jairo, der vorübergehend mein junger Gitarrenlehrer war, zur Gitarre und zu dritt improvisierten wir auf nicht allzu hohem Niveau, doch mit viel Freude in allerlei Tonarten. Später spielte Jairo bekannte Lieder auf Wunsch, dazu wurde fröhlich gesungen. Ein Abend also ganz im Zeichen des interkulturellen Austauschs.

Im Moment bin ich hin- und hergerissen zwischen Trauer über das baldige Ende meiner Zeit in Peru und der Vorfreude auf Deutschland. Gerade durch die dringliche Organisation des Studienbeginns, der mich sehr kurz nach meiner Rückkehr in Deutschland erwartet, wandere ich in Gedanken mehrmals täglich über den Atlantik und zurück. Wahrlich wartet Stress auf mich: am 20. August komme ich in Deutschland an, am ersten September bereits beginnt das fünftägige fid-Rückkehrerseminar in Köln. Davor möchte ich schon einige dringende Besuche erledigen, möchte in die Stadt Bayreuth fahren, die höchstwahrscheinlich mein zukünftiger Studienort für das Fach Jura sein wird, und sollte im Zuge dessen, wenn es denn auf einen Umzug in eine WG hinausläuft, vor Ort einige Bewerbungsgespräche führen. Der Umzug sollte gegen Ende September vollzogen sein und mit dem ersten Oktober beginnen die Einführungsveranstaltungen der Universität. Und während all dessen muss ich Zeitumstellung und Kulturschock verkraften!

Das einzig Positive daran: Ich entgehe der Langeweile, dem mächtigsten Verbündeten von Melancholie und  Fernweh nach Peru!

¡Cúidense, Chau, Hasta pronto!

Jakob

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Karin Kiefer

27. Juli  2010 - Nr. 3

Vor einer Woche musste ich viele Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind, ein Land, das zu meinem zweiten Zuhause geworden ist, und ein Leben, das so vollkommen anders war, als mein früheres in Deutschland, verlassen. Seit einer Woche führe ich wieder mehr oder weniger mein altes Leben in meiner alten Umgebung.

Der Abschied in Peru war recht zweigeteilt. Einerseits freute ich mich wieder auf Deutschland, auf meine Familie und Freunde, auf das Essen, auf die grüne Landschaft und auf den Sommer,… Andererseits wurde mir vor allem in den letzten Tagen bewusst wie eng manche Freundschaften wurden, wie gut ich mich in Peru eingelebt hatte und wie wenig ich Deutschland in den letzten Wochen und Monaten vermisste.

In den letzten Wochen vor dem Heimflug kauften wir die letzten Mitbringsel ein, besuchten zum letzten Mal bestimmte Orte Limas, trafen uns zum letzten Mal mit unseren Freunden und Bekannten, schrieben Abschiedskärtchen mit unseren Fotos, setzten uns mit dem Abschied auseinander.

Am letzten Donnerstag in Peru verabschiedeten Verena und ich uns von den Kindern. Vormittags bereiteten wir ein besonderes „Refrigerio“, ein besonderes Vesper, vor. Vor dem Mittagessen versammelten sich alle Kinder im Essensraum, sangen ein Lied und übergaben uns Briefe und kleine Geschenke. Nachmittags verabschiedeten wir uns wiederum zuerst in unseren Gruppen und anschließend von allen Kindern im Speisesaal.

Am Freitagabend machten wir ein Abschiedsfest mit dem gesamten Personal des Heimes sowie unseren Freunden, tagsüber waren wir mit den Vorbereitungen wie Kochen beschäftigt. Es war eine schöne Feier, es wurde getanzt, wie es zu jedem peruanischen Fest dazu gehört. Das Wochenende und den Montag verbrachten wir mit unseren engsten Freunden, beim Friseur und im Supermarkt, um Ají, Choclo, Obst und andere Dinge, die es in Deutschland nicht gibt, einzukaufen. Schließlich brachten uns am Dienstag schon frühmorgens der Direktor, zwei Erzieher sowie Jakob, der noch einen Monat länger in Peru bleibt, an den Flughafen. Während dem Flug nach Caracas waren wir in Gedanken noch in Peru, während dem zweiten Flug schon in Deutschland. Wieder auf deutschem Boden war alles wieder unerwartet normal, auch wenn ich in Frankfurt doch etwas überrascht war, dass aus dem Wasserhahn nur warmes Wasser kommt.

In den vergangenen Monaten bekamen wir die Chance, auch einen kleinen Einblick in das Leben der Oberschicht zu bekommen. Wir besuchten das Colegio Humboldt – die deutsche Schule Limas. Die Humboldt-Schule kann man sich wie einen deutschen Kindergarten, eine deutsche Grundschule und ein deutsches Gymnasium in einem vorstellen, nur mit dem großen Unterschied, dass auf dem Pausenhof Spanisch gesprochen wird und die Schule von einer fünf Meter hohen Mauer und einem Elektrozaun vor der Außenwelt geschützt wird. Im Kindergarten lernen die Kinder wie in anderen peruanischen Kindergärten schon Buchstaben zu malen, hier treffen wohl zwei verschiedene Bildungssysteme aufeinander. Mit dem Beenden der elften Klasse erhalten die Schüler den peruanischen Abschluss, diejenigen, die weitermachen möchten, können in der zwölften Klasse das baden-württembergische Abitur erwerben. Nach Auskunft eines deutschen Lehrers bietet die Humboldt-Schule ihren Schülern abgesehen von einer riesigen Auswahl an AGs nicht mehr und nicht weniger als ein durchschnittliches Gymnasium. Jedoch zahlen die Humboldt-Schüler 380 US $ (knapp 300 €) monatlich für die gleiche Bildung, wie wir in Deutschland kostenlos erhalten! Damit gehört die Humboldt-Schule aber noch lange nicht zu den teuersten Perus. Das Colegio Roosevelt, eine amerikanische Schule, verlangt rund 900 US $ (etwa 700 €).

Später besuchten wir einen Lehrer der Humboldt-Schule. Er wohnt mit seiner Familie in einem geschlossenen Wohnviertel, das von einer Mauer umgeben ist sowie von einer Sicherheitsfirma bewacht wird. Dieses Wohnviertel wirkt wie eine Oase, es erinnert nichts an den Stress und an den Schmutz der Megastadt Lima. In einem hübschen Park spielen hellhäutige Kinder Fußball umgeben von villenartigen Einfamilienhäusern mit Swimming-pool und großem Garten. Alles ist grün, nichts lässt vermuten, dass das Wohnviertel sich in der Wüste befindet. Häuser in solchen Wohngegenden haben gewöhnlich einen getrennten „Dienstmädcheneingang“ für die „Empleada“, die Hausangestellte. Eine Hausangestellte zu beschäftigen, die kocht, wäscht und putzt, ist in der peruanischen Mittel- und Oberschicht normal und wird von der Gesellschaft auch erwartet, da so ja auch Arbeitsplätze geschaffen werden.

Dieser Lehrer zeigte uns noch ein Wohnviertel, in dem die Superreichen, wie beispielsweise Botschafter, wohnen. Von dort aus hat man einen sagenhaften Blick auf Lima, einige Villen sehen aus wie kleine Schlösschen und auf einem Grundstück gäbe es sogar einen künstlich angelegten Wildwasserbach zum Kajakfahren. Ein paar Kilometer weiter leben Familien, die ihr Wasser durch einen Gartenschlauch vom Nachbarn bekommen und es in Regentonnen speichern… Lima ist in jeglicher Hinsicht eine Stadt der Extreme.

Eine etwas andere Erfahrung war der Besuch meiner Eltern im April. Sie wohnten bei mir im Hogar. Elf Tage reisten wir in den Süden des Landes, besuchten Arequipa, den Titicacasee, Cusco und Machu Picchu, eben die typische Perureise, touristisch, anstrengend und schön. Als wir wieder zurück in den Hogar kamen, wartete eine Überraschung für uns: Der Rückflug werde sich auf unbestimmte Zeit dank eines isländischen Vulkans verschieben. Das war für meine Eltern eine durchaus unangenehme Nachricht, aber dafür konnten sie in den vier Tagen, die sie länger blieben, mehr von meinem Alltag erleben und mitleben.

Für mich war die Zeit mit meinen Eltern einerseits schön, ich konnte ihnen etwas von „meinem“ Land zeigen, andererseits aber auch anstrengend, da sie von mir sehr abhängig und immer an meiner Seite waren. Zudem fiel es mir auch nicht immer ganz leicht, zu verstehen und zu akzeptieren, dass Peru auf sie anders wirkte als auf mich. Schließlich verstand ich im Gegensatz zu ihnen die Sprache und hatte schon einige Monate Zeit, um mich einzugewöhnen.

Jetzt muss ich mich erstmal wieder in Deutschland eingewöhnen, wobei mir schon wieder alles recht normal und erschreckend gleich wie früher erscheint. Mitte August werde ich an dem Rückkehrerseminar in Köln teilnehmen, Mitte Oktober beginnt schon mein Studium - ein neuer Lebensabschnitt.

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Verena Herrmann

Juli 2010 - Nr. 3

Endbericht

Eigentlich hatte ich vor, meinen dritten Bericht  in den letzen Wochen meines Peruaufenthalts zu schreiben. Doch leider sind diese nur so dahin geflogen. Deshalb  bemühe ich meine Erlebnisse und Eindrücke der letzen Hälfte nicht mehr an meinem Schreibtisch in Tablada niederzuschreiben, sondern schon nach gut einer Woche Eingewöhnungszeit in Deutschland.  

Alltag im Heim

Ja, mittlerweile ist es ziemlicher Alltag für mich geworden, im Heim mit zu helfen. Vor allem vormittags hat sich in den letzen Monaten nicht viel verändert. Klar habe ich die Kinder noch besser kennen gelernt, konnte leichter einschätzen, wer wirklich auf Hilfe angewiesen ist und habe den Kindern weiterhin Computerunterricht gegeben. Dieser bereitet ihnen so große Freude, dass wir einen Plan aufstellen mussten, um Streitereien zu vermeiden, wer an welchen Tag zu den Computern mitdurfte. Schon morgens wurde ich von dem jeweiligen Kind bei der Begrüßung daran erinnert, dass es mich an diesem Tag begleiten durfte. So eine positive Rückmeldung von den Kindern tat natürlich gut und verhalf auch dazu, dass der „Unterricht“ mir großen Spaß bereitete. Im Laufe der Zeit hat sich auch die Beziehung zu der Erzieherin Giowanna verbessert. Anfangs sagten wir uns nur das Nötigste, zum Schluss aber konnten wir  Gespräche  führen.
Nachmittags hatte sich so Einiges im Salon der Kleinen geändert. Judith, die Erzieherin, ging in Mutterschutz und so übernahm Hilda, eine Mitte fünfzig Jahre alte Frau, ihre Arbeit. Hilda ist mit einem Deutschen verheiratet und lebte 12 Jahre in Berlin, wo sie teilweise auch einem Kindergarten arbeitete. Durch Erziehungsmethoden, die mir von meinen Kindergärtnerinnen bekannt vorkamen (wahrscheinlich geprägt durch den deutschen Einfluss), versuchte sie mehr Ruhe und Ordnung in den Salon zu bringen. Meditationen oder Lesestunden, die den Kindern nach einer sehr schlecht abgeschnitten Leseverständnisprobe verschrieben wurden, tragen zu diesen Verbesserungen bei.
Anfang Juli machten wir mit den Kindern einen Ausflug in den Parque de las leyendas, den Zoo von Lima. Jeder Erwachsene bekam vier Kinder zugeteilt, die man nicht aus den Augen verlieren durfte. Diese Aufgabe war nicht immer ganz einfach, da Menschenmassen die Sicht auf kleine Kinder verhinderten, die aus Aufregung natürlich immer schnell zum nächsten Käfig wollten.  Ich verbrachte den Tag mit zwei Erstklassmädchen und zwei Zweitklassjungen. Die Mädels blieben meist lieb an meiner Hand und die Jungs meldeten mir immer wo sich gerade der andere aufhielt. So konnte ich den Tag eigentlich ganz genießen, lernte meine vier Kinder noch besser kennen  und baute eine tiefere Beziehung zu ihnen auf. Schade, dass dies erst so kurz vor Schluss passierte.

Besuch am Humboldt

Ein Lehrer von Karins ehemaliger Schule  unterrichtet jetzt an der deutschen Schule hier in Lima.  Dadurch hatten wir die Möglichkeit dieses Gymnasium kennen zu lernen. Herr Wagner, der Lehrer, führte uns einmal durch die Schule und beantwortete breitwillig unsere Fragen. Die Struktur der Schule ist sehr ähnlich wie eine Schule in Deutschland, nur dass noch mehr Aktivitäten angeboten werden und eine bessere Infrastruktur wie zum Beispiel ein Schwimmbad genützt werden können. Dies liegt zum einen daran, dass dieses Gymnasium eine Privatschule ist und die Schulgebühr mit 300 Dollar im Monat nicht unbedingt wenig ist. Vielleicht hängt es auch davon ab, dass das Bauen solcher Anlagen einfacher viel preisgünstiger ist als in Deutschland. Es war schon komisch, durch Schulkorridore zu laufen, die sehr einer Schule in Deutschland ähneln und doch so weit von zu Hause entfernt zu sein. Auch die vielen strohblonden Köpfe die man überall sah, erweckten meine Aufmerksamkeit, da ich irgendwie schon an dunkelhaarige Kinder gewohnt war. 
Die Einladung Herr Wagners, ihn mal zu Hause zu besuchen, nahmen wir an und machten so einen Sonntagsausflug in die andere Realität. Der Lehrer wohnt mit seiner Familie in einem Wohngebiet, das abgesperrt ist und mit mehreren Wachleuten überwacht wird. Zu jedem Riesengrundstück gehört ein Swimming-Pool, ein durch einen Gärtner gepflegten Garten, mindestens zwei Autos und ein wunderschönes Haus, in dem meistens auch eine Haushälterin fürs Rechte sorgt. Auf einer Fahrt mit ihm durch die reichste Wohngegend Limas, in der vor allem die Botschafter der verschiedenen Länder und auch peruanische Politiker leben, schienen mir die Gegensätze zwischen diesem reichen Gebiet und dem armen Tablada, welches nicht einmal eine Busstunde entfernt liegt, fast unbegreiflich. Für mich ist es unvorstellbar, im übertriebenen Saus und Braus zu leben, während hinter der Mauer die Menschen in Wellblechhütten ohne Fenster hausen.
Die Ansichten Herr Wagners, der nun schon vier Jahr in Peru wohnt, waren sehr interessant für mich und regten zum Nachdenken an, jedoch waren diese nicht immer nachvollziehbar für meine Einstellungen. Durch diesen Besuch haben wir eindeutig noch das andere Extrem Perus, den sehr starken Reichtum, kennen gelernt.

Besuch meiner Familie

Ende Mai war es so weit; meine Familie kam mich über die Pfingstferien besuchen. Da Karins Eltern einen Monat vorher bei uns waren, wusste ich schon ungefähr auf was ich mich einstellen musste und da wir auch die gleiche Reiseroute geplant hatten, konnte ich mich auf ihre Empfehlungen verlassen. An ihrem Ankunftstag fuhr ich also, nachdem ich zu Hause alles schön hergerichtet hatte, per Bus zum Flughafen. Das Gefühl der Gastgeber für meine Familie zu sein, bereitete mir schon Vorfreude. Außer, dass meine jüngere Schwester einen Wachstumsschub hatte, kam es mir so vor, als hätte ich sie gestern erst gesehen.  In den nächsten Tagen zeigte ich ihnen das Heim und stellte sie meinen Freunden vor. Auch durch meine Umgebung führte ich sie und es schien ihnen echt gut zu gefallen. Mein Vater wollte gar nicht mehr aus den combis aussteigen und zog diese eindeutig den Taxis vor. Dann gingen wir für 10 Tage auf Rundreise um Arequipa, Puno und Cuzco kennen zu lernen. Vor allem die Übernachtung bei Einheimischen auf dem Titicacasee und die Region um Cuzco mit dem Machu Picchu waren sehr beeindruckend und wunderschön. Ich genoss es, meiner Familie der Reiseführer zu sein, denn durch mein Spanisch und das Wissen über das Land lag ich ihnen doch im Vorteil. Sehr schön fand ich es, dass sie dies sehr gut angenommen haben und meine Tipps im Bezug auf Sicherheit und Bräuche sehr gut umsetzen. Obwohl keiner von ihnen richtig Spanisch kann, hatten sie die Fähigkeit sich mit Englisch oder einem Ansatz von Spanisch durchzuschlagen, wenn ich  mal nicht zur Stelle war. Dies lies mich die Reise sehr angenehm  verbringen, ohne alle Verantwortung für die Tage zu haben. Insgesamt kann ich sagen, dass es sehr toll war, dass die mich besucht haben, damit sie sich unter meinen Erzählungen mehr vorstellen können und auch mein peruanisches Leben kennen gelernt haben.

Der Abschied

Der 20. Juli, unser Abflugtag rückte immer näher. Schon relativ früh fing ich an, mich von den Leuten und Orten zu verabschieden, um nicht in  Stress zu geraten. Alle Freunde und Bekannte luden wir nochmal einzeln zu uns ein oder besuchten sie. Hauptsächlich mit Karin, da sie mit mir nach Deutschland flog, Jakob aber noch einen Monat länger blieb, fuhren wir zu den Orten, die wir in dem Jahr in Lima kennengelernt hatten, vor allem um Mitbringsel einzukaufen.
Am letzten Donnerstag im Heim verabschiedeten wir uns von den Kindern, zuerst mit einer besonderen Pause und dann mit denen von uns gebackenen Schneckennudeln von jedem Kind persönlich. Außerdem versammelten sich alle im Speisesaal, wo Luis eine Rede hielt, die Kinder uns ihre gebastelten Geschenke überreichten und uns Lieder sangen. Vor allem die Verabschiedung im Salon am Vormittag gefiel mir sehr gut, weil man auch den Kindern ansah, dass sie meinen Abschied bedauerten. Auch mir kullerten zum Teil die Tränen runter, weil ich die Kinder echt lieb gewonnen hatte und die Vorstellung sie vielleicht nie wieder zu sehen, ein sehr trauriges Gefühl in mir erweckte.
Von dem Personal und allen unseren Freunden verabschiedeten wir uns ein letztes Mal mit einem Abschiedsfest in unserem Wohnbereich. Karin und ich kochten den ganzen Morgen vier verschiedene Suppen, Jakob buk für uns zwei Kuchen und dank seiner Geburtstagsfeier zwei Wochen zuvor konnten wir unser Esszimmer auch ziemlich leicht wieder gemütlich herrichten. Der Abend wurde sehr schön, obwohl sehr viele schon relativ früh gingen, was an einem Freitagabend auch durchaus verständlich ist. Mit den wenigen Verbliebenen verbrachten wir tanzend und lachend den Abend, sodass Gedanken an den nahenden Abschied ziemlich verdrängt wurden. Früh morgens am 20. Juli kamen noch einige Freunde um uns zu verabschieden, was sehr schön war. Anita, Andy, Luz, Luis und Jakob begleiten und zum Flughafen wo wir mit einem lachendem Auge (mit Vorfreude auf Deutschland) und einem größeren weinendem Auge (aus Trauer um das Verlassens unseres peruanischen Lebens) gen Frankfurt flogen.
Eigentlich hatte ich überhaupt nicht das Bedürfnis mein Leben hier in Peru aufzugeben  um nach Deutschland zurück zukehren. Aber die Zeit war abgelaufen und eine neue Etappe meines Lebens fängt im Oktober mit einem Lehramtstudium an.

Liebe Grüße

Verena Hermann  

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Karin Kiefer  

Abschlussbericht Oktober 2010

Vor gut einem Jahr begann für mich das Abenteuer Peru, zehn intensive Monate, die mich noch lange begleiten werden. Es begann mit einem Flug ins Ungewisse, einem Flug mit gemischten Gefühlen. Einerseits Vorfreude endlich den Traum vom Auslandsjahr verwirklichen zu dürfen, andererseits Angst vor dem, was mich erwarten könnte und schließlich ein wehmütiges Gefühl das bisherige Leben sowie Familie und Freunde zumindest für zehn Monate zurücklassen zu müssen.

Während der ersten Wochen glich meine Gefühlswelt einer Achterbahnfahrt. Alles war spannend, aufregend, neu, aber auch ungewohnt und manchmal unangenehm, verwirrend. Kein Tag endete so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Die einfachsten Dinge konnten mich unbeschreiblich glücklich machen – eine Busfahrt durch Lima war einfach genial -, diese Glücksmomente wurden aber auch immer wieder vom Heimweh unterbrochen – Was, immer noch neun Monate?!
Die Menschen im Heim versuchten uns den Anfang leicht zu machen, sie kamen mit viel Herzlichkeit auf uns zu, versuchten uns ihre Welt zu erklären, versuchten geduldig unser stockendes Spanisch zu verstehen. Ich brauchte Zeit all die neuen Eindrücke zu verarbeiten, kämpfte manchmal mit dem Heimweh. Am Wochenende machten wir viele Ausflüge, um Limas verschiedene Stadtteile kennenzulernen oder besuchten peruanische Bekannte, unter der Woche waren wir tagsüber bei den Kindern. Mit ihnen spielte ich gelegentlich Mühle, Volleyball oder Fußball, meistens half ich ihnen aber bei den Hausaufgaben. Hierbei war ich manchmal ungeduldig, erwartete, dass die Kinder selbstständiger ihre Hausaufgaben erledigen könnten oder bessere Grundlagen hätten. Es deprimierte mich, wenn ich den Eindruck hatte, dass die Kinder und Jugendlichen in der Schule kaum Fortschritte machten. Andererseits freute es mich, die Herzlichkeit und Anhänglichkeit der Kinder zu erleben. Sie kamen immer wieder auf mich zu, suchten meine Aufmerksamkeit. Es war schön nicht die strenge Erzieherin spielen zu müssen, sondern eben „nur“ die Freiwillige zu sein.

Während der ersten Monate reisten wir auch viel, lernten die Anden kennen, die Sanddünen Icas und im Januar schließlich den Regenwald. Diese Reisen zeigten uns ein unheimlich vielfältiges Peru, versprachen immer auch Abenteuer.

Ende Januar, nach den vier Wochen in den Tropen, freute ich mich darauf nach Tablada zurückzukehren, nun fühlte ich es richtig, Tablada war mein Zuhause geworden. Meine Gefühle befanden sich längst nicht mehr auf Achterbahnfahrt, wirkliches Heimweh gab es nicht mehr. Beim Personal des Hogars fühlte ich mich integriert, eben ein Teil der Gruppe, ähnlich erging es mir mit den Kindern. Vor allem zu den Jugendlichen gelang es mir freundschaftliche Beziehungen aufzubauen, bei ihnen fühlte ich mich pudelwohl. Mein Spanisch reichte endlich etwas über den gewöhnlichen Smalltalk hinaus, ich konnte intensivere Gespräche führen und so meine Gegenüber besser kennenlernen, es entstanden Freundschaften.

Nach einer Spende aus Spanien wurden im März für die Kinder ältere Computer eingerichtet. Wir begannen mit einigen Gruppen am PC schreiben zu üben und die ersten Schritte in Tabellenkalkulation und im Internet zu machen. Die Jugendlichen verwendeten vor allem das Internet für ihre Hausaufgaben.
Abgesehen davon boten wir dem Personal des Heimes einen dreimonatigen Deutschkurs an. Anfangs war die Motivation groß, auch wenn sie schließlich nicht viel mehr lernten, als Begrüßungs- und Abschiedsformeln. Dafür verbrachten die Angestellten viel Zeit zusammen, lachten über- und miteinander. Ich hoffe, dass wir so etwas zur Stärkung des Teams beitragen konnten.
Im März und April bot sich uns auch die Chance die Familien der Kinder und ihre Lebensverhältnisse kennenzulernen. Mit einem Fragebogen der Heimleitung besuchten wir die Familien. Die Besuche gestalteten sich sehr unterschiedlich, einige freuten sich, dass wir kamen, anderen war es unangenehm. Für diese Besuche bin ich sehr dankbar, es half mir die Kinder vor dem Hintergrund ihrer Familien besser zu verstehen und gab mir einen Eindruck davon, aus welch unterschiedlichen Verhältnissen die Kinder kommen. Ein paar Kinder lebten in massiven Häusern, hatten Strom- und Wasseranschluss, manche sogar einen PC, andere lebten in einer 8 qm großen Hütte, schliefen zu dritt in einem Bett, der Boden war bloß festgestampfte Erde, das Wasser speicherten sie in einer Wassertonne.
Kurz darauf lernten wir auch eine andere Realität der Millionenmetropole Lima kennen. Wir besuchten die Deutsche Schule und einen deutschen Lehrer, der mit seiner Familie in einem reicheren Wohnviertel lebt. Dort wirkte der Reichtum geradezu verschwenderisch auf mich.
Armut zu definieren fällt mir nach wie vor schwer. Was ist Armut und gibt es sie in Deutschland überhaupt? Ist ein in Deutschland lebender Hartz-IV-Empfänger reicher, als eine Peruanerin, die zwar in weit ärmlicheren Verhältnissen lebt, aber vielleicht besser in der Gesellschaft integriert ist? Schließlich darf der Begriff „Armut“ nicht nur auf das Materielle begrenzt werden, Armut hat viele Gesichter.

Im Juli musste ich Freunde und mein dortiges Leben zurücklassen. Mit einigen halte ich natürlich noch Kontakt, Peru ist immer noch präsent, auch wenn es gerade mit dem Studienbeginn etwas in den Hintergrund gerückt ist. Ich konnte mit einem zufriedenen Gefühl zurückkehren und die letzten Wochen wieder daheim genießen. Ich hatte die zehn Monate genutzt, habe viel von Peru gesehen und erlebt, bin ein Stück weit selbständiger, selbstbewusster und vielleicht auch erwachsener geworden.

In Peru konnte ich auch über den eigenen Tellerrand etwas hinaussehen, meinen Blickwinkel auf die Deutschen und auf Deutschland in mancher Hinsicht weiten.
Ich habe den Luxus schätzen gelernt, Wasser direkt vom Hahn trinken zu können und sich sowohl tagsüber als auch nachts überall frei bewegen zu können, ohne Gefahr zu laufen, gleich überfallen zu werden.
Wenn man die Herzlichkeit, die Gastfreundschaft und den vielen Körperkontakt z.B. bei Begrüßungen der Südamerikaner kennengelernt hat, kann man sich leicht vorstellen, warum Deutsche von Ausländern oft als kalt empfunden werden. Während der Zugfahrt von Frankfurt nach Basel wurden Verena und ich auch erst mal von „den Deutschen“ enttäuscht, weil wir eben nicht gleich von fünf Freiwilligen umgeben waren, die unsere Koffer tragen wollten. Aber da hatten wir eben Pech, im Gegenteil, in den letzten Wochen wurden wir immer wieder von der Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit überrascht, auch hier wird einem ganz genau der Weg erklärt, wenn man sich mal verlaufen hat – nicht nur in Peru!
Die Deutschen jammern ja gerne und auf hohem Niveau. Klar, 500 € Studiengebühren pro Semester sind für einen Studenten viel, aber verglichen mit anderen Ländern ist das einfach nichts. In Deutschland hat jedes Kind weitgehend unabhängig vom Geldbeutel der Eltern Zugang zu einer vernünftigen Schulausbildung. Auf eine Schule, die mit einer deutschen Schule vergleichbar ist, kann in Peru nur ein Kind der Oberschicht gehen. Selbst für eine Berufsausbildung müssen Peruaner bezahlen – sie verdienen dabei nichts.
Dankbar zu sein für die Annehmlichkeiten und die Möglichkeiten, die mir Deutschland bietet, auch das habe ich aus Peru mitgenommen.

Im vergangenen Jahr habe ich viele unbezahlbare Erfahrungen gemacht, die ich nicht missen möchte! Ich bin froh, dass ich all das, also Freud und Leid, Schönes und Verwirrendes mit Verena und Jakob teilen konnte und immer noch kann. 

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Marie Giesen  

1. Erfahrungsbericht – 12. 12 2010

Es ist Dezember und es sind schon fast drei Monate vergangen, seit ich mich ins entfernte Peru gewagt habe... Zeit also, die Erfahrungen und Erlebnisse der letzten Monate zusammenzufassen! =)

Viel ist seidem passiert, ich habe neue Menschen kennen gelernt, die ich nicht mehr missen moechte und auch an die Umgebung habe ich mich nun langsam gewoehnt... mein „castellano“ wird langsam besser, und auch wenn ich an manchen Tagen noch denke, dass ich gar nichts verstehe, oder dass dieser oder jener Satz wohl nicht verstanden werden konnte, habe ich mich an die Sprache gewoehnt und mich mehr oder weniger eingehoert.

Um mein Leben hier besser beschreiben zu koennen, habe ich es in verschiedene Bereiche eingeteilt, dich ich nun im Folgenden naeher erlaeutern werde.

Das Leben im Hogar

Wie wahrscheinlich jede Freiwilligengruppe durften wir die ersten vier Wochen in jede der Altersgruppen reinschauen, um dann anschliessend zu entscheiden, in welche Gruppen wir wollen. Diese vier Wochen gingen fuer mich unglaublich schnell herum und man hatte kaum Zeit, sich in den Gruppen einzufinden. Wir haben es dennoch schnell geschafft, uns zu einigen. Anfangs waren alle von den ganz kleinen begeistert und Miriam und ich hatten uns geeinigt, dass wir zum Halbjahr wechseln. Mir ist jedoch mit der Zeit bewusst geworden, dass ich mit den 3-6-jaehrigen doch nicht so viel anfangen kann und ich lieber in meiner Gruppe des ersten Halbjahres bleiben moechte.

Vormittags bin ich zusammen mit Valentin nun bei den „campeones“. Man sollte meinen, bei einer Educadora und zwei Voluntarios sollte man die anfangs fuenf, jetzt nur noch drei Kinder unter Kontrolle bekommen... Judith, die Erzieherin, kommt jeden Tag eine Stunde spaeter, weil sie ein kleines Kind hat, und so sind Valentin und ich fast schon seit Beginn jeden Morgen auf uns alleine gestellt, um die Rasselbande zu baendigen! Anfangs war es ziemlich chaotisch, jetzt ist es schon besser. Wir haben eine Zeit, in der die Kinder Zaehne putzen sollen, dann lesen sie etwas und danach koennen sie noch eine halbe Stunde spielen, bevor Judith um neun kommt und die Kinder mit den Hausaufgaben anfangen... es klappt mal mehr und mal weniger gut! =)

Die drei Kids hatten jedoch bei mir von anfang an ein Stein im Brett und ich war froh, als ich in die Gruppe durfte. Sie haben ein aehnliches Alter wie die Kinder der Pfadfindergruppe, die ich in Deutschland hatte und ich war ueberzeugt, dass ich es schon irgendwie schaffen wuerde. Und natuerlich gab und gibt es noch immer viele Momente, in denen die Kinder total lieb sind, einen umarmen und sich stundenlang begeistern koennen, wenn man mit ihnen Wattepusten spielt.

Nachmittags bin ich bei Giovana und der Gruppe „de la manana“. Es war anfangs nur meine zweite Wahl, und ich war froh, dass ich zum Halbjahr mit Miriam wechseln sollte. Sie sind chaotisch, aergern sich gegenseitig, beschweren sich dann, wenn sie eins auf die Muetze bekommen und (ver)petzen sowieso alles und jeden... es ist unglaublich anstrengend, die Kinder haben in manchen Momenten keinen Respekt vor mir als Autoritaetsperson und bei den vielen Leuten (es sind fast 20 Kinder!) ist es fuer die Kinder teilweise schwierig, sich auf die Hausaufgaben zu konzentrieren.

Dennoch sind sie mir unbewusst ans Herz gewachsen und obwohl sie immer noch viel Nerven kosten koennen, haben wir uns aneinander gewoehnt und ich moechte nun auf keinen Fall mehr wechseln.

Fuer die Weihnachtszeit haben wir Freiwilligen in den Gruppen den Adventskalender eingefuehrt. Waehrend meine Vomittagsgruppe sich beschwert, wenn einer mal zwei Saeckchen oeffnen darf und der Rest nur eins, wartet meine Nachmittagsgruppe jedes mal ganz gespannt darauf (meistens sind sie in der Zeit sogar ruhig!), dass eine der anderen ihr Tuerchen aufmachen darf. Der/die „Glueckliche“ freut sich so, dass er das Armbaendchen, das ich den Kindern aus Perlen gemacht habe, den anderen nur heimlich zeigt, aber mit einem Grinsen so breit wie bei einem Honigkuchenpferd. In dieser Zeit sind die Kinder ganz friedlich, ganz anders als in der sonstigen Zeit. Vielleicht hab ich auch deswegen meine Meinung geaendert, ich hab gesehen, dass es bei den Kindern auch noch eine ganz andere Seite gibt.

Die ruhige Seite kommt auch beim Floetenprojekt zum Vorschein, das ich mit Mimi seit gut zwei Wochen angefangen habe. Manche koennen es recht gut, da schon Voluntarios der letzten Jahre mit ihnen geuebt hatten. Ich habe mir aber erstmal die Anfaenger geschnappt. Eigentlich wollte ich nach Weihnachten anfangen, aber nachdem die Kinder mitbekommen haben, dass Miriam vormittags mit den Kindern Floete spielt, wollten meine Nachmittagskinder natuerlich auch! Im Moment versuche ich den Kindern, durch Gehoer, „Blanca Navidad“ (dieselbe Melodie wie „Jingle Bells“) beizubringen, ueber die Ferien will ich mir aber einen ausgereifteren Plan ueberlegen, sodass ich im Februar geordnet anfangen kann, den Kindern die Grundlagen beizubringen!

Seit Beginn unserer Zeit haben wir im Hogar immer wieder Besuch aus aller Welt/Europa gehabt. So gab es zwei Spanier, die zum Einen mit den Kindern gemalt bzw. gezeichnet, zum Anderen versucht haben, den Kindern trockene Grammatik beizubringen. Dann hat uns Anne besucht, die schon vor zwei Jahren einmal hier im Hogar eine Zeit lang gelebt hat. Zu ihrer Abschiedsfeier habe ich versucht, Salsa zu tanzen - das muss ich jedoch noch etwas ueben! =)

Waehrenddessen waren auch fuer eine Woche Schueler der deutschen Humboldt-Schule aus Lima da. Das Hogar war fuer sie eines der Aktionen, die sie aussuchen und „besuchen“ konnten. So hatten wir in der Woche in unserer Vormittagsgruppe einmal ein Kind, zwei Voluntarios, zwei Humboldt-Schueler und eine Educadora... welch Luxus (?!) fuer das Kind! ;-)

Im Moment sind zweimal die Woche zwei Belgierinnen da, die eigentlich im nahe gelegenen medizinischen Zentrum „Amor de Dios“ als Physiotherapeutinnen arbeiten, an ihren freien Tagen aber zu uns kommen und uns mit den Kindern unterstuetzen.

Dass wir gerade mitten im Avent sind, zwei Wochen vor Weihnachten, laesst mich immer wieder neu aufschrecken. Es stehen immer wieder Events an, die eigentlich elementar sind fuer die Weihnachtszeit, die ich aber sofort wieder verdraenge und in mir so keine Weihnachtsstimmung aufkommen lassen.

So war Ende November der Weihnachtsbasar der deutschen Gemeinde in Miraflores, an dem wir Weihnachtsdekorationen aus Holz verkauft haben. Miriam und Daniel haben zwar auf ihrer Querfloete bzw. Geige Weihnachtslieder vorgespielt, aber bei strahlendem Sonnenschein kommt einem der Basar dann doch eher wie ein grosses Picknick vor als wie eine weihnachtliche Aktion. Auch werden dienstags schon seit Wochen fleissig Weihnachtslieder geprobt, es wurde sogar extra ein Chor fuer die Weihnachtsmesse eingefuehrt.

Dies alles vergesse ich aber wieder, wenn ich rausschaue, die heisse Sonne sehe und nirgends Schnee finden kann. Ich hoere von zuhause in Deutschland, dass alle eingeschneit sind und kann es fast nicht glauben, so unwahrscheinlich scheint mir diese Tatsache.

In der Weihnachtszeit habe ich Leuchten und Froebelsterne eingefuehrt, die ich manchen Kindern dann beigebracht habe. Ein Stueck Weihnachten bzw. weihnachtliche Tradition von meiner Familie.

Fuer die Weihnachtsmesse will Anita, die Erzieherin, die mit den Kindern immer bastelt, fuer jedes Kind eine Leuchte basteln. Wir haben hier im Hogar zur Zeit 100 Kinder, ich weiss nicht, wie wir das schaffen sollen. Ich helfe ihr gerne, aber das wird noch ein Haufen Arbeit, vor allem, weil die Messe schon naechste Woche ist. =)

Hier im Hogar gibt fuer die Kinder die Moeglichkeit, in Schreinerei, Baeckerei oder Bastelecke ihre Kreativitaet auszuleben. Mir gefaellt vor allem die Baeckerei! Jede Woche gibt es ein anderes Brot oder eher Broetchen, das gebacken wird und mittwochs, wenn ich meistens da bin, werden suesse Koestlichkeiten zubereitet. So gab es schon Apfelstrudel oder jetzt in der Weihnachtszeit selbstgemachten Paneton. Ich schreibe immer fleissig mit, weiss schon, wie man arabisches oder franzoesisches Brot macht oder was richtig lecker war, eine Art Quiche mit Mangold und Huehnchenstreifen!

Fuer uns Freiwillige kommt ueber Nacht Senora Luz zu uns. Sie hat normalerweise immer fuer uns gekocht und dann nachts hier geschlafen und so aufgepasst, dass uns nichts zustoesst. Ihre Gerichte waren immer herrlich (wenn auch sehr reichhaltig) und ich hoffe, dass ich sie genauso hinbekomme, wenn ich sie in Deutschland fuer meine Freunde kochen will.

Letztens hatte sie aber einen Unfall und so hatten wir im letzten Monat niemanden, der fuer uns da war. Da wir uns aber schon ans Leben hier im Hogar gewoehnt haben, war es fuer uns bis jetzt kein Problem. Es ist auch eine gute Moeglichkeit, mal selber das Kochen auszuprobieren und etwas frueher essen zu koennen, denn bei ihr haben wir teilweise erst spaet abends um zehn oder so gegessen.

Eine weitere Moeglichkeit, die Koestlichkeiten der peruanischen Kueche zu probieren, ist unser Mittagessen im Hogar. Es wird von zwei Koechinnen gekocht, die alle ihre Energie hineinstecken, sodass die Kinder abwechslungsreiche Mahlzeiten bekommen. Letztes Jahr war es moeglich, ein paar Morgende auch in der Kueche mitzuhelfen. Das wuerde ich unheimlich gerne in Anspruch nehmen. Ich habe mir vorgenommen, in diesem Jahr kochen zu lernen und da waere das doch eine grosse Hilfe. =)

Mein Leben ausserhalb des Hogars

Um fuenf Uhr gehen die Kinder nach ihrem „Lonche“ (Snack) nach Hause. Fuer uns beginnt in diesem Moment unsere Freizeit. In diesen drei Monaten haben wir unsere Freizeit schon reichlich genutzt.

Hilda hat uns gezeigt, wo es die Moeglichkeit gibt, Gitarre zu lernen. Jetzt gehen wir, wenn die Zeit reicht, zweimal die Woche zum Unterricht und lernen Huayno, traditionelle peruanische Musik! Valentin hat sich noch zusaetzlich eine Cajon gekauft und versucht, die Rhythmen Perus zu erlernen, was teilweise gar nicht so einfach ist, wenn man alles nur uebers Gehoer und uebers Abgucken macht.

Montags gehen wir immer fuer die Woche einkaufen und mittwochs spielen wir mit den Educadores in unserem Innenhof Volleyball. Wir haben also immer fast jeden Tag etwas zu tun. Teilweise ist es ganz schoen anstrengend, weil man sich lieber mal ausruhen wuerde, aber es macht Spass und die Menschen, die wir z.B. ueber den Gitarrenunterricht kennen gelernt haben sind auch richtig nett!

Armut

Ich finde es ganz schwierig, die Armut hier in Worte zu fassen. Im Hogar ist sie zwar an der Kleidung und auch teilweise am Verhalten der Kinder sichtbar, aber auch andere Kinder koennten diesen Kategorien zugeordnet werden. Vielleicht werde ich eine andere Sicht haben, wenn ich eines der Kinder einmal zuhause besuchen darf. Vielleicht wird mir dann eher bewusst, wie wenig die Familien hier wirklich haben.

Bevor ich hier nach Tablada kam, habe ich mir die Armenviertel einer Grossstadt nur aus Blechhuetten vorgestellt. Hier sind aber viele Haeuser aus Stein, zwar fast alle noch im Rohbau, aber dennoch festes Material. Tablada ist zwar auch schon etwas fortschrittlicher entwickelt als andere Gegenden, aber ich glaube, ich habe die Armut ganz anders eingeschaetzt und als viel deutlicher sichtbar erwartet.

Wenn ich mit dem Combi, dem hiesigen Verkehrsmittel (=Bus), durch die Strassen fahre und die Leute aus-und einsteigen sehe, frage ich mich oft, ob die Personen wohl arm sind oder nicht? Auch wenn er gerade Hemd und Stoffhose traegt, vielleicht ist das seine einzige gute Kleidung, die fuer die ganze Woche reichen muss...

Die Kinder, die das Glueck haben, hier im Hogar sein zu duerfen, erhalten viel Hilfe bei den Hausaufgaben. Teilweise frage ich mich, ob sie es ohne die Hilfe im Hogar schaffen wuerden. Ob sie so selbststaendig denken wuerden, um die Matheaufgaben erst selbst verstehen und dann noch selbst rechnen zu koennen? ...und dann denke ich an die vielen anderen armen Kinder, die keine Hilfe haben, aber dennoch zur Schule gehen und ihre Hausaufgaben machen muessen...

Ich bin froh, dass ich wenigstens hier im Hogar den Kindern eine kleine Hilfe sein kann und ich freue mich, wenn sie am naechsten Tag noch immer den Trick wissen, mit dem man einfacher „Minus“ rechnen kann.  

Reisen

Wir hatten gluecklicherweise schon viele Moeglichkeiten, Lima und Peru kennen zu lernen. Zum einen gab es viele Feiertage, die wir bis jetzt immer ausreichend genutzt haben und zum anderen hat uns Hilda immer wieder mitgenommen und uns Plaetze rund um Lima gezeigt. Mit ihr waren wir in Miraflores, haben zum ersten Mal ein „menu“ gegessen (relativ guenstig mit drei gaengen), waren am Strand von Chorrillos, einem Kuestenviertel Limas, haben die ersten Sonnenstrahlen genossen... An einem anderen Wochenende waren wir im Zentrum von Lima, hauptsaechlich auf dem „Plaza de Armas“ (der Hauptplatz in Perus Staedten heisst hier nicht Marktplatz, sondern Waffenplatz! =) ) und ich habe zum ersten Mal Ceviche probiert, roher Fisch in einer Marinade aus Zitrone und Zwiebeln! Ich wusste nie, ob ichs probieren sollte, da man einen ja hier immer vor den hygienischen Umstaenden warnt, aber es war echt lecker! Es wird also bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein!

Der Plaza de Armas ist ein gutes Beispiel fuer die Ueberbleibsel der Kolonialzeit. Man findet viele Haeuser mit reich verzierten Holzbalkonen, alte Kirchen und Strassen, die frueher einmal das Zentrum der Menschen waren, heute aber etwas heruntergekommen wirken.

Ich glaube, dass wir vier Freiwilligen alle gerne reisen... besonders Valentin hat das Reisefieber gepackt und er wuerde am liebsten alles sehen, was Peru zu bieten hat. =)

Einen Teil davon, haben wir auch schon moeglich gemacht... nach gerade einmal drei Wochen sind wir bereits losgezogen und haben uns uebers verlaengerte Wochenende die Oasenstadt Huacachina im Sueden angeschaut. Erst da wurde mir klar, in welch verstaubter und trister Umgebung wir in den letzten Wochen gelebt hatten. Ich fuehlte mich wie im Paradies, fern von verstopften Strassen, bellenden Hunden und dem staendigen Nebel, der uns in dieser Zeit noch taeglich heimgesucht hat.

Kaum waren wir 4 Wochen wieder im Hogar ging es erneut los. Eigentlich wollten wir in die Anden, aber Miriam ging es nicht so gut und so sind wir nach Caral und haben uns die aelteste Stadt bzw. Ausgrabungsstaette Suedamerikas angeschaut... ausser ein paar Steinpyramiden, Sand, Staub und greller Sonne konnte man leider nicht mehr so viel sehen! =)

Letztes Wochenende haben wir dann noch mal die Moeglichkeit gehabt, uns ein paar Tage frei zu nehmen und wir sind in den Sueden, nach Arequipa! Das „Highlight“ war definitiv die 19h-Hin/Rueckfahrt ohne Klo und mit nur einer halbstuendigen Pause! =)

Jetzt sind wir wieder im Hogar, der Alltag hat uns wieder, aber wir sind schon wieder eifrig am Planen, wie wir den Januar, unser Ferienmonat, am besten nutzen... es gibt einfach zu viele Orte in Peru, die wir sehen wollen. Die Selva muss aber auf jeden Fall dabei sein! =)

Ich bin richtig gespannt, was die naechste Zeit bringen wird! Ich werde zum ersten Mal Weihnachten bei strahlendem Sonnenschein verbringen, an meinem Geburtstag werden keine Ferien sein und im Januar brechen wir zu unserer grossen Reise auf! Ich wuensche mir fuer das neue Jahr, dass wir vielleicht noch mehr Leute aus Tablada kennen lernen, sodass wir uns dort besser integrieren koennen.

Ende Januar werden wir auch auf das Seminar in Bolivien gehen. Ich freue mich schon sehr darauf und hoffe, dass ich genauso viele Eindruecke und neue Freunde aus den Tagen mitnehmen kann wie damals in Koeln!

Frohe Weihnachten und ein schoenes neues Jahr!

Marie Giesen

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Miriam Hapig  

1. Erfahrungsbericht – 13. 12 2010

Manchmal stocke ich immer noch mitten in irgendeiner Beschäftigung, um mir klarzumachen, dass ich wirklich hier in Peru bin und tatsächlich all das und noch viel mehr erlebe, als ich mir in Deutschland ausgemalt habe!

Seit dem Tag unserer Ankunft sind jetzt drei Monate vergangen. Drei Monate, in denen ich viele tolle Menschen kennen gelernt habe. Drei Monate, in denen ich zusammen mit meinen Mitvoluntarios schon viele größere und kleinere Abenteuer erlebt habe, und in denen ich mich in mein neues, anderes, spannendes Leben eingefunden habe, von dem ich jetzt gerne berichten möchte.

Das Leben im Hogar

Am 12. September 2010 bin ich, zusammen mit Marie, Valentin und Daniel, in Peru angekommen. Ich war aufgeregt und gespannt auf das, was vor mir lag, aber auch noch etwas traurig vom Abschiednehmen von Familie, Freunden, der Heimat.

Doch durch die Herzlichkeit mit der wir empfangen und in die Gemeinschaft des Hogars aufgenommen wurden, habe ich mich gleich wohl gefühlt.

In den Wochen nach unserer Ankunft hatten wir genug Zeit, die Tagesabläufe im Hogar, und die vier bestehenden Gruppen kennen zu lernen, um uns dann zu entscheiden, in welcher wir für die kommenden Monate bleiben und mithelfen wollen.

Ich war vormittags bisher bei den Ältesten (13-17 Jahre), und nachmittags bei den Jüngten (3-6 Jahre). In beiden Gruppen gefällt es mir super, ich genieße die Abwechslung, die ich durch die Arbeit mit den Jugendlichen einerseits, und die mit den Kleinsten andererseits erlebe und habe die Kinder schon richtig ins Herz geschlossen.

Bei den Großen helfe ich vor allem mit den Hausaufgaben, die Jugendlichen arbeiten größtenteils schon ziemlich selbstständig.

Nachmittags müssen die Kleinen erstmal zum Zähneputzen eingefangen werden, danach werden Hausaufgaben aus dem Kindergarten (!) gemacht und ab 16.00 Uhr wird draußen gespielt. Es macht mir großen Spaß mit ihnen Schreiben und Rechnen zu üben, zu Malen und zu Basteln, obwohl ich manchmal das Gefühl habe, man könnte die Kinder noch mehr in ihrer Kreativität fördern und sie diese mehr ausleben lassen.

Abgesehen von der Betreuung und Unterstützung bei schulischen Aufgaben, bietet das Heim den Kindern die Möglichkeit, dreimal die Woche in der integrierten Bäckerei und Schreinerei, sowie der Bastelwerkstatt ihre Kenntnisse und Erfahrungen auf anderen Gebieten zu erweitern. Auch für uns Voluntarios ist es interessant, Einblicke in die verschiedenen Werkstätten zu erhalten, und ich genieße die Möglichkeit, dadurch ab und zu den  „Arbeitsalltag“ aufzulockern.

Dienstags findet zusätzlich zu diesem Angebot für alle Gruppen eine Chorstunde statt, in der die Kinder, neben peruanischen Volksliedern, in den letzte Wochen vor allem Weihnachtslieder geübt haben.   

Anders, als ich in Deutschland befürchtet hatte, war mein Heimweh schon nach kurzer Zeit verflogen. Ich habe mich hier schnell eingelebt und fühle mich sowohl mit meinen deutschen Mitreisenden wie auch mit den peruanischen Erziehern total wohl.

Das liegt zum einen wahrscheinlich auch daran, dass ich in der Schule Spanischunterricht hatte und ich mich dadurch schon einigermaßen gut unterhalten kann – auch, wenn es manchmal Tage gibt, ab denen ich das Gefühl habe, „ich versteh nur Bahnhof“. Zum anderen spielt aber auch die herzliche Offenheit, mit der uns hier alle begegnen, eine große Rolle.

Dank der Tatsache, dass ich schon nach kurzer Zeit das Gefühl hatte, angekommen zu sein, konnte ich bald mit dem ersten Projekt beginnen: Englischunterricht für die Ältesten.

Die Englischkenntnisse der Jugendlichen sind erschreckend dürftig. Das liegt vor allem daran, dass der Unterricht in den öffentlichen (kostenlosen) Schulen zu großen Teilen ziemlich schlecht ist. Ich versuche, ihnen die englische Sprache in kleinen Schritten näher zu bringen und arbeite dabei zum Beispiel auch mit Auszügen aus Liedtexten der bevorzugten Sänger und Bands der Jugendlichen, was bisher gut angekommen ist.

Schon in Deutschland hatte ich mir vorgenommen, den Blockflötenunterricht, den einige meiner Vorgängerinnen für die Kinder angeboten haben, fortzusetzen. Zu diesem Zweck hatte ich zu einer „Blockflötenspende“ aufgerufen, und kann jetzt berichten, dass ich vor zwei Wochen mit dem Unterricht begonnen habe und die ersten Flöten bereits in Gebrauch sind. Die Kinder sind mit absoluter Begeisterung dabei, und es gibt eine unglaublich große Nachfrage nach einem neuen Anfängerkurs, sodass Marie und ich das Ganze umorganisieren, und wahrscheinlich mehrere Kurse für verschiedene Gruppen anbieten werden.

Auch Valentin hat sich relativ bald an sein erstes Projekt gemacht und den Tischkicker renoviert, der hier seit mehreren Jahren kaputt und unbrauchbar herumstand. Der Tischkicker steht jetzt auf der Terrasse im Hof und die Kinder (und wir) nutzen jede sich bietende Gelegenheit, um zu spielen. 

Ein weiteres Projekt, das zwar nur temporär sein wird, aber trotzdem mit viel Arbeit für uns verbunden war, waren die Adventskalender, die wir Voluntarios für unsere Gruppen gebastelt haben. Wie viele Tütchen ein Kind im Laufe der Adventszeit öffnen darf, hängt von der Anzahl der Kinder in den einzelnen Gruppen ab. Die Tüten sind mit Süßigkeiten und einem kleinen, dem Alter entsprechenden Geschenk gefüllt. Die Kinder sind von den Kalendern absolut begeistert, denn in Peru gibt es diesen Brauch nicht. 

Freizeit und Leben außerhalb des Hogares

Unter der Woche ist unsere Freizeit bereits gut mit verschiedenen Aktivitäten ausgefüllt. Jeden Montagabend machen sich zwei von uns auf den Weg zum nahe gelegenen Supermarkt, um uns für die kommende Woche mit Lebensmitteln zu versorgen.

Dienstags und Donnerstags besuchen Marie, Valentin und ich den Gitarrenunterricht in Villa María, bei dem uns neben Grifftechniken und verschiedenen Begleitungen auch die vielfältige peruanische Musik näher gebracht wird.

Mittwochs finden nach 17.00 Uhr, sobald die Kinder abgeholt wurden oder sich auf den Heimweg gemacht haben, im Innenhof des Heimes regelmäßig kleine Volleyballturniere statt, bei denen wir in gemischten Mannschaften, gemeinsam mit Erziehern und Personal des Hogares, gegeneinander antreten. Das Spielen macht mir großen Spaß und stärkt das ohnehin tolle Gruppengefühl noch weiter.

Die Wochenenden nutzen wir vier unter anderem für kleinere Ausflüge, beispielsweise ins Zentrum Limas oder in die nähere Umgebung, die wir entweder alleine, oder zusammen mit Hilda unternehmen, die uns während unserer ersten Zeit hier in Peru mit Rat und Tat zur Seite stand.

Bis vor einigen Wochen durften wir abends von den Kochkünsten von Senora Luz profitieren, die typisch peruanische Gerichte für uns zubereitete, uns hilfreiche Tipps zum peruanischen Alltag und zur Umgebung gab und nachts im Heim blieb, damit wir – sollte etwas passieren - sofort einen Ansprechpartner in der Nähe hätten.

Die peruanische Küche ist generell unglaublich abwechslungsreich und sehr lecker. Was mir aber mindestens genauso gut gefällt wie die peruanischen Gerichte, ist die Vielfalt an Obst. Früchte, die in Deutschland als exotisch oder als Luxus gelten können, wie Mangos, Papayas, Maracujas usw. sind hier absolut alltäglich und ziemlich günstig zu erstehen. Außerdem lerne ich hier Früchte kennen, von denen man in unseren Breitengraden noch nicht einmal gehört hat, wie zum Beispiel „pepino dulce“ ( = Süße Gurke).

Zu Beginn des Aufenthaltes hier hatte mein Magen etwas mit der Umstellung der Ernährung und den hygienischen Bedingungen, die außerhalb des Hogars herrschen, zu kämpfen, mittlerweile ist das aber vorüber.  

Leider hatte Senora Luz vor drei Wochen einen Unfall, bei dem sie sich das Bein angebrochen hat und es nun einen Monat lang nicht belasten darf. Es geht ihr zum Glück aber schon wieder gut.

Obwohl wir es natürlich schade finden, dass sie krankgeschrieben ist, haben wir dadurch die Möglichkeit, uns nun selbst und unabhängiger zu organisieren, selbst zu kochen was und vor allem wann wir möchten, und auch einfach unter uns zu sein.

Meine Befürchtungen, wir Voluntarios könnten uns untereinander nicht verstehen, haben sich ziemlich schnell in Luft aufgelöst. Das Leben in unserer Wohngemeinschaft gefällt mir sehr gut, jeder hat theoretisch die Möglichkeit, sich zurückziehen falls er möchte, trotzdem ist man nie weiter als eine Tür von jemandem entfernt, mit dem man reden und lachen kann.

Die Mittagspausen und vor allem die Abende verbringen wir meistens gemeinsam auf unserer Terrasse, und auch, wenn dabei manchmal das Spanisch zu kurz kommt, finde ich es toll, dass wir uns untereinander austauschen und unsere Erlebnisse teilen. 

Auch unsere Wohnsituation finde ich sehr schön, ich genieße den Luxus über eigene Bäder und eine eigene Küche zu verfügen, in der wir uns abwechselnd mit unterschiedlich großer Begeisterung ans Kochen machen. (Was uns an Erfahrung fehlt, machen wir durch Motivation wett!)

Was ich an unserer Unterbringung außerdem toll finde, ist die Tatsache, dass hier auf dem Gelände des Heims Bäume wachsen. Das hört sich im ersten Moment wahrscheinlich komisch an, aber wenn man von Staub und  Müllbergen umgeben ist und von der Terrasse aus auf ein Meer von Wellblechdächern schaut, genießt man das Grün auf einmal noch viel mehr als sonst.

Generell fällt mir die Armut der Menschen hier aber nicht so sehr auf, wie ich vorher geglaubt hatte. Man gewöhnt sich relativ schnell an den Anblick von Müll und streunenden Hunden und den kleinen Behausungen, die sich zwischen den Hügeln von Tablada aneinanderdrängen. Erst, wenn man sich dann wieder klarmacht, dass dort mehrköpfige Familien teilweise in einem einzigen Zimmer leben, nimmt man wahr, wie arm die Menschen sind.

Auch den Kindern merkt man meistens nicht an, was sich bei ihnen zu Hause abspielt und welche familiären Hintergründe sie haben. Sie spielen und lachen und machen Blödsinn wie andere Kinder auch.

Hier im Heim erhalten die Kinder die Unterstützung bei schulischen Fragen, die vielen von ihnen zu Hause z.B. aus Zeitmangel der Eltern nicht zukommt, oftmals aber auch, weil diese selbst nur eine mangelhafte Bildung erhalten haben.

Ich freue mich darüber, dass ich den Kindern und Jugendlichen zumindest ein kleines Stück weit eine Hilfe sein kann. Es macht mir Spaß, ihre Fortschritte zu sehen und wenn sie etwas geschafft haben, ist es oft auch für mich irgendwie ein kleines Erfolgserlebnis.

Dass sie teilweise eben ganz andere Probleme haben, als beispielsweise das große Einmaleins zu beherrschen, muss ich mir wieder vor Augen führen, wenn ich mal frustriert bin, weil die Fortschritte nicht so groß sind, wie erwartet, oder sie nicht die Motivation zeigen, die ich mir gewünscht hatte.

Trotzdem glaube ich, dass es wichtig ist, sie zum Lernen zu motivieren, denn eine gute Bildung kann hier eine der wenigen Möglichkeiten darstellen, der Armut zu entfliehen. 

Das andere, wohlhabendere Gesicht von Lima haben wir auf verschiedenen Ausflügen (zum Beispiel in den Stadtteil Miraflores, oder ins Zentrum) kennen gelernt.

Auch durch Daniels Vater, der für mehrere Monate im Jahr geschäftlich in Lima ist, hatten wir schon mehrmals die Gelegenheit, neue Seiten an Lima kennen zu lernen.          

Mittlerweile finden wir uns in der peruanischen Hauptstadt schon relativ gut zurecht, vor allem Dank Marie, die von uns vieren wahrscheinlich den besten Orientierungssinn hat. Jedenfalls ist es immer eine Erfahrung, mit einem der Combis über die staubigen, mit Schlaglöchern übersäten Pisten zu rattern, oder über eine der Hauptverkehrsadern Limas zu rasen.

Haltestellen oder Fahrpläne gibt es nicht, die Combis werden bis zum Bersten mit Passagieren gefüllt, wenn man Pech hat, steht man -  und das mit gebeugtem Rücken, denn als Gringo (=Hellhäutiger) ist man viel zu groß um sich im Combi aufrichten zu können. Trotzdem hat man aus irgendeinem Grund ziemlichen Spaß dabei.

Die Menschen sind alle unglaublich freundlich und aufgeschlossen,  oft werden wir angesprochen und nach unserer Herkunft gefragt – und im Gegenzug bekommen wir dann je nach dem die ganze Lebensgeschichte des jeweiligen Gesprächspartners erzählt.

Auch der Umgangston ist, wenn die Gemüter nicht gerade erhitzt sind und das lateinamerikanische Temperament zum Vorschein kommt, meistens sehr freundlich. So kommt es vor, dass man vom fremden Busfahrer mit „amiga“ ( = Freundin) angesprochen wird oder dass Männer im Combi einem (vor allem Marie und mir) den Sitzplatz überlassen.

Dass wir dabei natürlich den Bonus der Gringas haben, ist nicht von der Hand zu weisen. Da Marie blond ist, zieht sie noch mehr Aufmerksamkeit auf sich, als wir anderen, aber auch an die neugierigen Blicke haben wir uns mittlerweile schon etwas mehr gewöhnt.

Abgesehen davon, dass die Peruaner unglaublich freundlich und offen sind, trifft noch ein anderes Cliché auf sie zu: sie sind nicht die Pünktlichsten.

Ich habe mich ziemlich schnell daran gewöhnt und übe mich in Geduld, bzw. nehme die Uhrzeit selber nicht mehr so genau wie in Deutschland. Die Umstellung zurück in der überpünktlichen Heimat wird mir vermutlich nicht so leicht fallen…

Ein weiterer Zug, der die meisten Peruaner auszeichnet, ist, dass sie sehr stolz auf ihr Land sind.  Wir haben mit den Kindern und Jugendlichen zwei Ausflüge ins Theater gemacht, zuerst mit den Jüngeren, dann mit den Älteren, und beide Stücke handelten von Peru und seiner Kultur.

Auch bei den Weihnachtsliedern, die die Kinder Dienstags lernen, wird der Stolz auf das eigene Land deutlich. In den peruanischen Weihnachtsliedern kommt das Christuskind in den Anden zur Welt und wird mit Ponchos beschenkt, das hat mir sehr gefallen.  

Reisen

Abgesehen von Ausflugszielen in und um Lima, haben wir schon einige Kurzreisen an verlängerten Wochenenden unternommen. Das erste Reiseziel war Huacachina, eine kleine Oase inmitten einer Wüstengegend. Es war für uns alle angenehm, statt Müllbergen und Häusern so weit das Auge reicht, einfach nur Palmen, die Lagune und vor allem den blauen Himmel zu sehen, den es so – zu dieser Jahreszeit – über Lima nicht gibt.

Unsere nächste Reise ging nach Barranca, ein Küstenort vier Stunden nördlich von Lima.

Während die ersten beiden Reiseziele nicht weiter als sechs Stunden entfernt lagen, sind wir vergangenen Freitag zu einer sechstägigen Reise nach Arequipa aufgebrochen. Für die An- und Rückreise in einem ziemlich langsamen, schon sehr klapprigen Reisebus haben wir je 19 Stunden benötigt.

Arequipa liegt auf einer Hochebene in den Anden und daher gibt es abgesehen vom Misti, dem Vulkan, der sich im Hintergrund über die Stadt erhebt, leider kaum Berge zu sehen. Die Stadt an sich erscheint sauberer als Lima. Wir haben ein paar tolle Tage dort verbracht, ein ehemaliges Kloster besichtigt, das so groß ist, dass es als „Stadt in der Stadt“ bezeichnet wird, die Sonne genossen, und typische Gerichte der Region verspeist.  

Wir vier reisen alle sehr gerne und freuen uns schon sehr auf die Ferien im Januar. Valentin und Daniel werden zunächst nach Chile fliegen, um dort einen Freund von Valentin zu treffen. Marie und ich wollen währenddessen in die Selva, nach Cusco, auf den Machu Picchu und danach zusammen mit Valentin und Daniel weiter zum Lago Titicaca. Von dort aus reisen wir weiter nach Bolivien zu unserem Zwischenseminar, auf das wir uns schon sehr freuen, und das hoffentlich genauso toll wird, wie das Vorbereitungsseminar in Köln.

Wie wir all unsere Pläne in der Zeit, die uns zur Verfügung steht, in die Tat umsetzen wollen, haben wir noch nicht genau herausgefunden, ich freue mich aber auf jeden Fall sehr darauf,  weitere neue Seiten Perus zu entdecken.

Leider steht vorher sozusagen schon ein erster kleiner Abschied an, denn im neuen Jahr werde ich mit Valentin die Vormittagsgruppe tauschen. Die Gruppe zu verlassen ist traurig, denn ich verstehe mich mit den Jugendlichen sehr gut und würde am liebsten noch länger mit ihnen zusammenarbeiten. Doch ich habe auf jeden Fall vor, auch weiterhin als Ansprechpartner und Freundin, besonders für die älteren Mädchen, da zu sein, und hoffe, dass ich mich in der neuen Gruppe (die Zweitjüngsten, 6-9 Jahre), in der ich zusammen mit Marie mithelfen werde, auch wohl fühle und mir die Arbeit mit den Kindern genauso viel Spaß machen wird.

Jetzt steht aber zuerst einmal das Weihnachtsfest an, auch wenn man davon bei sommerlichen Temperaturen nicht wirklich etwas merkt.

Ab und zu vermissen wir hier die vorweihnachtliche Stimmung, den Schnee, die Weihnachtsmärkte… Trotzdem freue ich mich auf diese neue Erfahrung, Weihnachten und Silvester mal auf eine ganz andere Weise zu verbringen.

Es ist kaum zu glauben, dass ich jetzt seit genau drei Monaten hier bin. Einerseits ist die Zeit wie im Flug vergangen, andererseits habe ich manchmal das Gefühl, ich sei schon ewig hier.

Ich versuche, jeden Moment auszukosten und auch die alltäglichen Dinge und die kleinen Erfolgserlebnisse zu genießen. 

Ich freue mich sehr auf die Monate, die noch vor mir liegen, und in denen ich hoffentlich noch mehr Bekanntschaften schließen und mein Umfeld, und auch das der Kinder, noch besser kennen lernen werde.

Ich bin schon gespannt auf die neuen Erfahrungen und Erlebnisse, die ich gemeinsam mit Marie, Valentin und Daniel, und den Menschen, die ich hier kennen gelernt habe, machen werde.  

Ich wünsche allen Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!  

Miriam Hapig

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Valentin Schepperle  

1. Erfahrungsbericht – 14. 12 2010

Am 12. September 2010 wurde für mich ein Traum wahr: Ein Auslandsjahr in Südamerika.

Nach langer und intensiver Vorbereitung, und etlichen vorübergehenden Abschieden von Freunden, Familie und Heimat stieg ich in den Flieger nach Lima, Peru, um knapp ein Jahr lang im „Kinderheim Tablada“ als Voluntario (Freiwilliger) zu arbeiten.

Nach einem – emotional gesehen – sehr schwierigen Flug mit vielen Zweifeln, und ohne die Vorfreude der vergangenen Monate wurden wir (Marie, Miriam und Ich, Daniel flog separat) herzlichst am Flughafen empfangen. Dieser Fürsorge, sowie der familiäre Umgang im Hogar halten bis heute an, sodass ich mich hier sehr wohl und gut aufgehoben fühle.

Mittlerweile sind bereits drei Monate vergangen in denen ich viel gelernt, erlebt und an Erfahrungen gesammelt habe. Ich versuche die wichtigsten meiner Erfahrungen und Erlebnisse im Folgenden zusammenzufassen.

Im Kinderheim: „Hogar de Tablada“

Das Team

Seit über 20 Jahren arbeiten bereits Freiwillige im Hogar, diese langjährige Erfahrung erklärt vermutlich, warum wir als Voluntarios in Tablada so freundlich und auf unsere Bedürfnisse als „Fremde“ in einem anderen Land abgestimmt, betreut werden. Allen voran war und ist der Heimleiter Luis bis heute eine große Hilfe für uns. Von Beginn an gab er uns viele hilfreiche Tips zu Land und Leben, begleitete uns zu Behördengängen und Ähnlichem und fördert und fordert uns bis heute mit viel Feingefühl für unsere Bedürfnisse. Weiterhin steht uns Senora Luz, die - außer sonntags - ihre Nächte in unserer Anfangszeit im Hogar verbringt, mit Rat und Tat zur Seite. Sie kochte in den ersten beiden Monaten abends für uns, was uns die peruanische Küche von ihrer besten Seite näher brachte. Auch die Gespräche, die wir am Essenstisch führten, waren meiner Meinung nach sehr hilfreich um sich zurechtzufinden und die spanische Sprache zu trainieren. Alles in Allem fühle ich mich im Team sehr wohl, auch wenn dies nach außen meiner Ansicht nach nicht immer den Eindruck macht. Da ich von Natur aus eher zurückhaltend und still bin und zudem (verglichen mit den anderen Voluntarios) mit verhältnismäßig wenigen spanischen Sprachkenntnissen nach Peru kam habe ich zu Anfang gewirkt, als fühle ich mich unwohl. Dies fiel mir auf, da ich von einzelnen Mitarbeitern mehrmals gefragt wurde ob ich mich denn wohl fühle, was ich stets verwundert mit ja beantwortete und danach zu erklären versuchte, dass ich wohl aufgrund der mäßigen Sprachkenntnisse nicht so viel rede wie andere und dadurch unzufrieden wirke.

Im Gegenteil ich merke sehr oft, wie es mir hier immer besser gefällt und auch die Tatsache dass aus Arbeitskollegen teilweise bereits Freunde geworden sind, mit denen man Billard spielen oder tanzen geht trägt dazu bei. Im Allgemeinen herrscht im Team eine sehr freundschaftliche und familiäre Atmosphäre, die ich sehr genieße.

Dies drückt sich zum einen in der Hilfsbereitschaft und Offenheit aller Teammitglieder aus, die sich von Beginn an viel  Zeit nahmen mir zu helfen mich einzufinden, sich geduldig mein stockendes Spanisch anhörten und mich verbesserten. Außerdem ist auch zu spüren dass zusammen gearbeitet und sich unterstützt wird, anstatt alleine seine Arbeit zu machen.

Aus gemeinsamen Aktivitäten wie dem wöchentliche Volleyball spielen, den gemeinsam gefeierten Geburtstage oder dem gemeinsame Abendessen zum Ende jeden Monats resultiert ein tolles Gemeinschaftsgefühl, das man sich in jeder sozialen Einrichtung wünscht.

Die Arbeit im Heim

Bereits am zweiten Tag nach der Ankunft in Tablada begann für mich der erste Arbeitstag in der Gruppe „Los sin fronteras“, der 13 – 17 Jährigen, und somit ältesten Besucher des „Hogars“. Dort ging es, wie in den darauf folgenden vier Wochen zunächst darum die Kinder, Erzieher, sowie den Tagesablauf im Hogar kennen zu lernen und sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. In diesen ersten vier Wochen wechselten wir Voluntarios wöchentlich die Gruppen, um sich danach für eine Vor- und Nachmittagsgruppe zu entscheiden, in denen man die kommenden Monate verbringt. Ich entschied mich nach Absprachen mit Marie, Miriam und Daniel, die gemeinsam mit mir das Jahr in Perú verbringen, bis Ende Dezember in der Vor- sowie der Nachmittagsgruppe der „Campeones“ (6 – 9 Jährige) zu arbeiten. Nach den Sommerferien im Januar werde ich dann  morgens in die Gruppe der „Los sin fronteras“ wechseln.

In Peru geht man als Schüler nur entweder morgens oder nachmittags in die Schule, sodass der Tagesablauf im Heim ebenfalls in Vor- und Nachmittagsgruppen aufgeteilt ist. Somit verbringen die Kinder jeweils die Tageshälfte, in der sich nicht in die Schule gehen, im Hogar de Tablada. In den vier „Salones“ (Gruppen) werden die Hausaufgaben mit Hilfe der Erzieher und Voluntarios erledigt, die Kinder helfen in den Werkstätten der Schreinerei, Bäckerei oder der Kreativwerkstatt und es wird gemeinsam gespielt und gegessen. 

Die Vormittagsgruppe der Campeones in der ich gemeinsam mit Marie arbeite und die momentan nur drei Jungen besuchen wird morgens von 8.00 Uhr bis 9.00 Uhr von uns Voluntarios geleitet, bevor die „Educadora“ (Erzieherin) Judith hinzukommt, die aufgrund ihres neugeborenen Babys eine Stunde später zu arbeiten beginnt.

Morgens werden zuerst gemeinsam die Zähne geputzt, bevor es dann daran geht, eine halbe Stunde lesen zu üben. Dies hört sich zunächst einfach an, gestaltet sich aber, durch Sprachbarrieren und anfänglich mangelnden Respekt der Kinder gegenüber mir als Voluntario teilweise schwierig. Hinzukommt, dass die Kinder es von zu Hause oft nicht gewohnt sind, oder nicht die Möglichkeit haben sich regelmäßig und richtig die Zähne zu putzen (Eltern kennen es teilweise nicht anders). Nach einigen Wochen im Hogar entschied ich mich als erstes kleines Projekt einen Tischkickertisch mit Hilfe einzelner Kinder zu reparieren. Durch dieses Projekt, welches mir viel Spaß bereitete und bei den Kindern heute großen Anklang findet fehlte ich einige Vormittage in der Gruppe. Dies führte meiner Meinung nach dazu, dass ich heute in der Vormittagsgruppe immer noch kleine Machtkämpfe mit den Kindern auszufechten habe, die sich meine Erfahrung zufolge normalerweise nach drei Monaten schon gelegt haben.

Ich merke auch, wie bereits in den Jahren meiner Ausbildung als Erzieher, dass mir die Arbeit mit Jugendlichen / älteren Kindern mehr Spaß macht und besser liegt, sodass es mir bei den „Campeones“ am Vormittag gefällt, ich mich aber auch sehr darauf freue, ab dem kommenden Schuljahr mit den Jugendlichen zu arbeiten. Die Nachmittagsgruppe der „Campeones“ umfasst beinahe zwanzig Kinder, die im Gegensatz zur Vormittagsgruppe nur zweieinhalb Stunden im Hogar verbringen. Diese beiden Aspekte führen dazu, dass beispielsweise die Lesestunde wegfällt, die für einige Kinder sehr wichtig wäre, zeitlich aber nicht durchzuführen ist. Im Allgemeinen zweifle ich oft am peruanischen Schulsystem, in dem es den Lehrern allzu oft egal, oder nicht möglich scheint einem Kind Lesen und Schreiben beizubringen, geschweige denn auf seinen Entwicklungsstand zu achten, dem entsprechende Förderung zu bieten, und Hausaugaben zu geben. Dies führt dazu dass ich bei der Hausaufgabenhilfe allzu oft einem Kind seine Hausaufgaben vorlesen und erklären muss, da es derartige Aufgaben nie zuvor gesehen hat, oder keine zusammenhängenden Wörter lesen kann und trotzdem viel zu schwere Hausaufgaben aufbekommt. Einzelförderung wäre nötig, ist aber personell nicht zu machen, sodass einige Kinder sich auch in Zukunft nicht ihre Aufgaben erschließen werden können, da sie sie nicht lesen können, aber immer schwerere Aufgaben bekommen. Das schwierigste an diesem Thema finde ich, dass dies noch die Kinder sind, die Unterstützung im Heim bekommen, was machen aber diejenigen, die zu Hause ganz auf sich allein gestellt sind, da ihnen ihre Eltern beispielsweise aus zeitlichen Gründen nicht helfen könne?

Im Allgemeinen macht mir die Arbeit am Nachmittag aber sehr viel Spaß auch wenn ich mir ab und zu eine weitere Helferin wünschen würde, um die Bedürfnisse der Kinder besser abdecken zu können. Ab Februar plane ich, in der Nachmittagsgruppe einen Handwerkskurs für einige Kindern in der Schreinerei anzubieten.

Im Allgemein vergesse ich bei der Arbeit mit den Kindern viel zu oft, dass die meisten aus sehr schwierigen Familien- oder Wohnverhältnissen stammen und nicht umsonst im Kinderheim Hilfe finden. Alleinerziehende Mütter oder schwierige finanzielle Verhältnisse sind beispielsweise Probleme mit denen die Kinder ins Heim kommen, sodass ich mir immer bewusst machen muss, dass das ein oder andere schwierige Verhalten eines Kindes durchaus seine Rechtfertigung hat.

Das Leben außerhalb des Hogars / Freizeit

Bevor ich meinen Aufenthalt in Peru antrat hatte ich ab und an Bedenken, wie wir vier Voluntarios uns wohl verstehen würden, da ich Marie und Miriam erst einige Male getroffen hatte und Daniel sogar erst im Heim selbst kennen lernte. Heute bin ich sehr froh sagen zu können, dass sich meine Bedenken nicht bestätigt haben und wir uns, bis auf gelegentliche kleine Problemchen, die in jeder Wohngemeinschaft vorkommen, sehr gut verstehen. Ich denke ich profitiere sehr viel vom Austausch mit meinen Mitvoluntarios und genieße das Leben und die Selbständigkeit momentan sehr. Besonders im Hinblick auf die Sprache sind mir meine Kollegen und Kolleginnen eine große Hilfe, die bereits einige Jahre Schulspanisch vorweisen können, und mir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Allerdings hat das Zusammenleben mit anderen Deutschen in Peru auch den Nachteil, dass man unter sich meist deutsch spricht und somit vermutlich weniger von der spanischen Sprache profitiert, als ein Voluntario, der auf sich allein gestellt ist. Ich bin heute auch sehr froh dass mit Daniel ausnahmsweise ein „vierter Mann“ im „Voluntarioboot“ sitzt und somit nicht wie bisher oft zwei Voluntarias und ein Voluntario zusammen leben. Zum Einen gibt es meiner Erfahrung nach bei drei Personen immer einen „Verlierer“ der einen weniger guten Kontakt zu den anderen hat, zum Anderen lässt es sich unter dem gleichen Geschlecht offener reden und Gespräche finden auf einer anderen Basis statt.

In meiner Freizeit versuche ich vor allem viel von der Südamerikanischen Musik für mich mit zu nehmen. Seit Anfang Oktober besuche ich mit den beiden Voluntarias zwei Mal wöchentlich den Gitarrenunterricht der lokalen Musikschule. Außerdem versuche ich mich seit einigen Wochen im Salsa Tanzen, was mir eine geduldige Arbeitskollegin beibringt. Ab Februar möchte ich mich zudem zum Percussionunterricht anmelden um meine Fähigkeiten am Schlagzeug auszubauen. Neben dem erwähnten Volleyball Spielen erledige ich einmal wöchentlich die Einkäufe mit den anderen Voluntarios und treffe mich gelegentlich mit Mitarbeitern des Heimes zum Billards- oder Fußballspielen.

Um uns die Vielseitigkeit Limas näher zu bringen wurden wir zu Beginn unseres Aufenthaltes von Hilda, einer ehemaligen Schwangerschaftsvertretung betreut, mit der wir bereits Ausflüge in verschiedene Stadtteile machten, betreut. Auch durch Herrn Geyer, Daniels Vater, der mehrere Monate im Jahr in Lima lebt, hatten wir schon mehrmals die Gelegenheit verschiedene Seiten der Stadt kennen zu lernen. 

Des Weiteren hatten wir bereits mehrere Male die Möglichkeit, neben Lima auch andere Teile Perus kennen zu lernen, die wir an verlängerten Wochenenden bereisten. Unsere Reisen führten uns bisher nach Ica, Barranca und Arequipa. Für mich war es jedes Mal eine große Freude ein Stückchen mehr eines Landes kennen zu lernen, welches im Hinblick auf Armut, Reichtum sowie Landschaft unglaublich viele Facetten zu bieten hat. 

Besonders positiv überrascht war ich aber von den Menschen, die wir auf unseren Reisen trafen. Auf jeder Kurzreise gab es Begegnungen, bei denen die Menschen ihre Hilfe, Zeit und ihr Wissen mit Freude anboten, ohne dafür eine (materielle) Gegenleistung zu erwarten. Dies führte dazu, dass mein anfängliches Misstrauen und die Unsicherheit im Alltag schnell abnahm. Im Januar stehen nun die Sommerferien in Peru an die es uns ermöglichen einen Monat das Land (sowie die Nachbarländer Chile und Bolivien) zu bereisen, bevor ich dann Ende Januar Besuch von meiner Familie bekomme.

Im Allgemeinen kann ich nach drei Monaten sagen, dass der erwartete Kulturschock ausblieb.

In Bezug auf meine – zu Beginn – verhaltenen Sprachkenntnisse denke ich dass ich im Großen und Ganzen beachtliche Fortschritte gemacht habe, was auch daran liegt, dass Spanisch meiner Meinung nach eine sehr schöne Sprache ist und ich dadurch viel Spaß am sprechen und lernen habe.

Die vergangenen drei Monate vergingen aus heutiger Sicht wie im Flug, was sich wohl auch in Zukunft, aufgrund etlicher Termine in der Vorweihnachtszeit (Messe, Weihnachtsverkauf, Chocolatada) so schnell nicht ändern wird. Ich habe mich sehr gut eingelebt und freue mich auf die kommende Zeit im Hogar mit allen Höhen und Tiefen.  

Ich wünsche allen ein frohes Weihnachtsfest und ein schönes neues Jahr.

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Daniel Geyer  

1. Erfahrungsbericht – 14. 12 2010

Wenn man mit den Kindern zusammen im Salón sitzt, ihnen bei den Hausaufgaben hilft, mit ihnen spielt oder sich auch einfach nur mit ihnen unterhält, vergisst man oft dass das einige der ärmsten Kinder aus Tablada sein sollen. Das Kinderheim ist eine wunderbare Einrichtung, die ihnen hilft die Hausaufgaben und sonstige Schularbeiten in Ruhe und mit Hilfe der Educadores (Erzieher) oder der Freiwilligen zu erledigen, ihren persönlichen Entwicklungsprozess in eine wahrlich gute Richtung lenkt und ihnen ein Gefühl für viele chrsitliche Werte und Pünktlichkeit vermittelt, wobei letzteres für einen Peruaner im allgemeinen nicht allzu leicht zu erlernen ist, da die peruanischen Uhren normalerweise immer nach gehen.

Schon fast drei Monate bin ich jetzt hier in Perú, seit dem 12. September 2010. Als wir, die anderen Freiwilligen und ich gestern von der Reise nach Arequipa, der „Weisen Stadt“ im Süden von Perú zurückgekommen sind, hat Valentin, mein Zimmerkollege gemeint es ist ein gutes Zeichen wenn man sich freut ins Hogar (Heim) zurückzukehren, endlich wieder „daheim“ zu sein. Tatsächlich habe ich mich hier schon sehr gut eingelebt, fühle mich vollkommen wohl und verstehe mich auch mit allen sehr gut.

Das mag mitunter auch an der Konstellation der Freiwilligen dieses Jahr liegen, zwei Mädchen und zwei Jungen, es tut gut wenn sich ab und zu mal die Mädchen und die Jungen zusammentun können um etwas zu unternehmen, manchmal erleben Valentin und ich die Sachen eben doch etwas anders als die beiden Mädchen, man fühlt sich in dieser oder jener Hinsicht besser verstanden, wenn man mit einem Kollegen des gleichen Geschlechts darüber reden kann. Dennoch finde ich alle Freiwilligen sehr symphatisch und ich finde wir sind ein tolles Team, es macht mir viel Spass meine Zeit mit den Freiwilligen hier zu verbringen.

Um meine Eindrücke und Erfahrungen nun ein wenig zu gliedern, fasse ich sie in folgende Abschnitte hier zusammen:

Das Leben/ Die Arbeit im Heim

Als ich hier vor drei Monaten im Kinderheim ankam, wurde ich gleich mit offenen Armen empfangen. Ich hatte mir das eventuell etwas anders vorgestellt, dass sich Kinder etwa fragen würden was denn nun schon wieder der nächste Deutsche hier wolle, warum er hierher nach Perú kommt, wenn es die Deutschen in Deutschland doch so schön haben. Doch nichts von alledem ist eingetroffen. Ich wurde mit solch einer Herzlichkeit von allen Seiten empfangen, dass ich mich sofort wohl und heimisch fühlte.

Am ersten Tag wurde uns vom Heimleiter und Direktor Luis Rodriguez so einiges erklärt, die vier Salones samt jeweiligen Kindern und Educadores vorgestellt, von denen jeder für eine andere Altersgruppe von  Kindern zuständig ist.

Es gibt die „Conejitos felizes“ (glücklichen Kaninchen), das sind die Kleinsten die noch nicht in der Schule und zwischen 3 und 5 Jahre alt sind, verantwortlich dafür ist Linda.

Dann gibt es die „Campeones“ (Champions), die Zweitkleinsten, die zwischen 6 und 9 Jahre alt sind mit der Educadora Judith.  

Die zweitgrössten heissen „Chicos del mañana“(Die Kinder von Morgen), die Kinder sind zwischen 9 und 12 Jahre alt, die Educadora ist Jowanna.

Und schliesslich die, „Chicos sin fronteras“ (Kinder ohne Grenzen), das sind die Grössten, zwischen 13 und 17 Jahre alt, der Educador in dieser Gruppe ist Andy.

Er hat uns auch im übringen Heim herumgeführt und weiteres erklärt, auch dass ich mein Zimmer mit einem anderen Freiwilligen teilen würde, was ich mir zu Anfang etwas komisch vorgestellt habe, da ich angenommen hatte ein eigenes Zimmer zu bekommen. Luis hat uns angeboten, dass einer nach ein paar Wochen auch wieder ausziehen könnte, wenn das andere Zimmer dann hergerichtete wäre, aber daran ist für mich imomment überhaupt nicht zu denken, da ich in Valentin einen guten Zimmerkollegen und Freund gefunden habe, mit dem man sich über alles unterhalten und zusammen lachen kann.

Dann wurden wir während der ersten paar Wochen von Luis mal hierhin mal dorthin mitgenommen, mal zu Fuss oder mit dem alten VW-Bus, um uns so einiges über Tablada (was im Stadtteil „Villa Maria del Triunfo“ liegt, der zu Lima gehört), Lima und Perú zu erklären. Auch jede Menge Unterstützung haben wir von der Señora Luz, der Frau von Don Carlos (,der auch hier im Heim arbeitet und für alles zuständig ist was mit reparieren, streichen, austauschen, Besorgungen machen oder andere handwerklichen Sachen zu tun hat) bekommen, die uns auch jede Menge in Tablada herumgeführt hat, uns gezeigt hat wo man einkaufen kann und welchen der kleinen Busse man nehmen muss um wo hin zu gelangen (obwohl dass immer noch fast unmöglich ist zu erkennen wo der Bus hinfährt, wenn man nicht hört was der Mann aus dem Bus schreit oder man sich nicht verdammt gut auskennt). Die Señora Luz hat die erste Zeit auch abends für gekocht und uns wirklich wunderbar in die Perunanische Küche eingewiesen, die ich seit meiner zeit in Perú hier wirklich immer mehr zu lieben beginne. Da sie aber vor 3 Wochen leider von einem Auto angefahren wurde, kochen wir jetzt abends und versuchen uns an den Rezepten der Peruanischen küche, die Marie, eine der beiden freiwilligen Mädels, aufgeschrieben hat.

Viel geholfen hat uns auch Hilda, die eine Freundin von Luis ist und uns die Anfangszeit über viel von Lima gezeigt und auch über Perú erklärt hat. Wir können sie selbstverständlich immer anrufen wenn wir fragen haben oder wissen wollen, mit welchem der unzähligen „Combis“ (Kleinbusse) man wo hin kommt, wo und wie oft man umsteigen muss und was es kosten darf (wenn man das vorher nicht so ungefähr weiss wird man als Gringo [so werden hier normalerweise hellheutige Leute genannt, die aus den USA kommen] oftmals übers Ohr gehauen wo es nur geht, da „Gringos“ immer Geld haben, so ist das allgemeine Vorurteil hier).

Da es hier vier Salones gibt, die jeweils eine Vormittags- und eine Nachmittagsgruppe beherbergen, (da hier in der Gegend drei mal am Tag die Schule stattfindet, weil man sonst nicht alle Kinder unterbringen würde: vormittags, nachmittags und abends) hatten wir uns zu Anfang darauf geeinigt, dass jeder eine Woche lang in einer Gruppe ist und danach rotiert wird, bis wir nach einem Monat alle Gruppen durchhaben und uns dann einigen können, wie wir die Gruppen das restlich Jahr über unter uns vier verteilen.

Ich habe mich für die Vormittagsgruppe der Zweitgrössten, den „del Mañana“ und für die Nachmittagsgruppe der grössten, den „Sin fronteras“ entschieden und diese Entscheidung in keiner Sekunde bereut.  

In der Vormittagsruppe der „del mañana“ verstehe ich mich mit allen  gut, zu anfangs gab es ein Kind das dass scheinbar etwas Angst oder Abneigung gegenüber mir hatte, obwohl ich mir das nicht erklären konnte. Andy hat gemeint vielleicht bin ich einer Person ähnlich die dem Kind schon einmal etwas getan hat o.ä, jedenfalls ist das mit der Zeit verschwunden und ich freue mich, dass nun auch dieses Kind ein Vertrauensverhältnis zu mir aufgebaut hat. Auch mit Jowanna, der Educadora verstehe ich mich sehr gut. Ich habe in dieser Gruppe schon etwas Coputerunterricht gegeben, und versucht den Kindern anzugewöhnen mit 10 Fingern zu schreiben, einigen hat es gefallen, anderen nicht, aber im allgemeinen hat es gut funktioniert.

Auch habe ich angefangen ein wenig Englischunterricht zu geben, ein mal die Woche, um den Kindern die absoluten Grundkentnisse noch einmal näher zu bringen, da das Niveau das sie bereits in der Schule vorgelegt bekommen schon Klassen über dem ihren ist, da wie es mir scheint die Lehrer nicht genügend auf den Einzelnen eingehen können oder wollen.

Zundem habe ich den Kindern in stundenlanger Arbeit einen Adventskalender gebastelt, bei dem jedes Kind an einem anderen Tag ein Säckchen öffnen darf in dem ein kleines Porzellantierchen und etwas Süsses versteckt ist. Das ist immer ein besonders freudiges Ereignis für die Kinder, da sie diesen Brauch hier in Perú nicht kennen.

Die Nachmittagsgruppe der „Sin fronteras“ war ebenfalls ein Glücksgriff für mich. Ich verstehe mich mit allen Kindern sehr gut und auch besonders mit dem Educador Andy, er ist 29 Jahre alt und wir verstehen uns wirklich super gut, er ist schon genauso ein Freund für mich wie ein Educador, es macht Spass sich mit ihm zu unterhalten, er erklärt mir immer gerne und sehr geduldig wenn ich etwas auf spanisch nicht verstehe, spielt ab und zu mit mir Schach und zeigt mir alles in Mathe was ich gerne wissen möchte, da er Mathematik studiert hat. Ausserdem gehen wir oft zusammen zum trainieren ins Fitnessstudio, das fünf bis zehn Minuten zu fuss entfernt ist.

Mit den Mädels aus der Gruppe verstehe ich mich auch sehr gut, am Anfang waren sie etwas eingeschüchtert von mir, vielleicht nicht zuletzt weil ich angeblich einem Sänger namens „Justin Bieber“ ähnele, was einmal ein Mädchen in einem Markt bemerkt hat und mich gefragt hat ob ich nicht etwas singen möchte. Seitdem nennt mich Andy scherzhaft „Justin“, ich muss jedes Mal lachen wenn er das sagt.

Die Jungs sind im allgemeinen auch sehr nett, nur manchmal versuchen sie mich ein wenig auf die Schippe zu nehmen, wahrscheinlich ganz normal für pupertierende Jungen in ihrem Alter. Sie haben schon gemerkt dass ich mir nicht auf der Nase herumtanzen lasse und so auch schon einigen Respekt, in positiver Hinsicht, vor mir.

Auch dieser Gruppe habe ich einen Adventskalender mit kleinen Keramiktierchen und etwas Süssem gebastelt, besonders den Mädchen gefallen diese.

Ein Projekt um dessen Umsetzung Luis uns gebeten ist der Bau und die Inbetriebnahme eines Komposts. Doch der uns zur Verfügung gestellte Platz ist etwas ungeeignet dafür, ein flaches quadratisches Loch mit  niedriger Betonmauer und ein paar Brettern darauf, wahrscheinlich müssen wir dafür selbst etwas konstruieren.

Das Leben ausserhalb des Heims

Wie weiter oben bereits erwähnt, hat uns Hilda schon einiges von Lima gezeigt und erklärt, darunter das Zentrum von Lima, ein Museum mit Fundstücken aus der Incazeit, den Stadtteil Miraflores, der zu einen der besten zählt und ein Colegio (eine Schule), in der traditionelle Tänze aus Perú vorgeführt wurden und in dem uns der Dirktor sofort auf die Bühne beordert hat als er erfahren hat, dass wir Deutsche sind und uns darum bat eine kurze Ansprache zu halten, was wir ziemlich amüsant fanden.

Wie schon angemerkt gehe ich oft zum trainieren, mit Andy aber auch schon alleine, da er mir die Leute vorgestellt hat und mich inzwischen schon alle dort kennen. Wir waren auch schon mit Javier, dem Verantwortlichen der Schreinerei mehrere Male unterwegs zu Billard spielen, was auch sehr interessant und schön war.

Vor ein paar Wochen haben wir Raffael und seine Frau kennen gelernt, der gleich neben dem heim Wohnt und einer der Mitbegründer des Heimes ist. Er stellt Holzarbeiten her und verkauft diese mit seiner Frau in Barranco, einem schönen Stadtteil an der Küste von Lima. Die beider wohnen zusammen Mit Anita, die auch im Heim arbeitet, ehemals Heimleiterin war und jetzt eine Handwerks- und Kunstwerkstatt für die Kinder leitet. Es war ein sehr schöner Abend, an dem wir Anne verabschiedet haben, die auch einmal freiwillig im Heim gearbeitet hat und das Heim nun jedes Jahr aufs Neue wieder besucht, an dem getanzt und gelacht wurde, wir haben zusammen „Causa“ zubereitet, ein peruanisches Nationalgericht, das zwischen zwei mit Limonensaft verfeinerten kartoffelbreiähnlichen Schichten ganz fein auseinander gezupfte Hühnchenstreifen und Gemüsestücken beinhaltet und kalt gegessen wird.

Letzte Woche (am ersten Advent) waren wir in der Deutschen Gemeinde im Stadtteil Miraflores zum Ökumenischen Gottesdienst und anschliessend haben wir zusammen mit Javier, Luis, Andy und zwei weiteren Kindern aus dem Heim die selbst hergestellten Holzspielsachen verkauft, wobei Miriam, eine der beider Mädels mit der Querflöte und ich mit der Geige bei uns am Stand Weihnachtslieder gespielt haben. Dieses Jahr wurde soviel verkauft wie noch nie.

Ein Abenteuer ist es immer, wenn man wie ich bereits erwähnt habe mit dem Bus unterwegs ist, wobei sich die Busse hier von den deutschen in jeglicher Hinsicht unterscheiden. Es sind fast immer Kleinbusse, „Combis“ genannt, bei denen Einer fährt und ein Zweiter aus der Schiebetüre kuckt und die Orte herausschreit zu denen der jeweilige Combi fährt. Ausserdem ist er für das Abkassieren der Fahrgäste zuständig, das zu jedem möglichen Zeitpunkt erfolgen kann, manchmal gibt man ihm das Fahrgeld noch beim Aussteigen in die Hand. Ausserdem sind die Busse zu den Stosszeiten derart überfüllt, dass man manchmal wenn man nicht das Glück hatte einen Sitzplatz zu ergattern total zuzammengepfercht irgendwo zwischen mehreren Personen eingeklemmt ist und versuchen muss irgendmöglich das Gleichgewicht zu behalten, während der Combi über löchrige Strassen brettert, ohne zu bremsen um die Kurve fährt und sich zwischen anderen Autos hindurchschlängelt, was in Perú IMMER mit viel Gehupe und Geschrei verbunden ist.  

Reisen

Unsere erste Reise, die wir im Oktober unternahmen, führte uns ins ungefähr 300 kM entfernte, südlich gelegene Ica, eine Stadt auf die immer die Sonne herunterprallt, unabhängig von der Jahreszeit, wobei wir unseren Aufenthalt eher in einer wenige Kilometer entfernten Wüstenoase Namens Huacachina verbracht haben. Eine kleine von hohen Sanddünen umgebene Oase, die einen in eine ganz anderen, fast schon orlentalischen klene Welt versetzt. Auch haben wir Paracas besucht, eine Küstenstadt nicht weit entfernt von Ica, von wo aus man mit einem Boot die berühmten „Islas Ballestas“ besichtigen kann, einige Inseln mit jede Menge Seelöwen und tausende von Möven als Bewohnern.

Die Zweite Reise führte uns im November in eine Stadt in Norden namens Barranca, eine Stadt in der wie es uns schien Touristen eher unüblih sind, da wir ständig mit grossen Augen angeschaut wurden. Auch diese Stadt liegt am Meer, zum Baden war es aber noch etwas zu kalt. Von dort aus haben wir die nahegelegene Ausgrabungsstätte „Caral“ besucht, die als die bislang älteste Stadt Südamerikas glit.

Unsere letzte Reise unternahmen wir nach Arequipa, der „weissen Stadt“, eine Stadt ziemlich weit im Süden von Perú, ungefähr 19 Studen mit dem Bus von Lima entfernt. Tagsüber prallt die Sonne geradezu auf die Stadt herab, während man abends schon mit einer Jacke aud dem Haus gehen sollte.

Obwohl wir schon den 13. Dezember haben, hat mich die weihnachtlche Stimmung hier alles andere als gepackt. Obgleich unglaublich viele Fenster mit bunten sich schnell bewegenden und blinkenden weihnachtlichen Lichtmotiven geschmückt sind, man in den Geschäften jede Menge Weihnachtssachen kaufen kann und einige Angestellte mit Nikolausmützen unterwegs sind, ist es wohl das Sommerliche Wetter, das mich davon abhält mir vorzustellen, dass schon in elf Tagen Heilig Abend ist. Wie wir ihn verbringen ist noch nicht ganz sicher, aber ich bin sicher dass es ein schönes und besonderes Weihnachstfest wird.

Ich sende allen Lieben daheim und in Deutschlad liebe Grüsse und denke an euch und bin gespannt was ich in den nächsten Monaten erlebe und wieder in in meinem nächsten Bericht festhalten darf.  

Euer Daniel

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Valentin Schepperle

2. Erfahrungsbericht - März 2011

Letzten Samstag war es ein halbes Jahr her, dass ich in den Flieger in Richtung Tablada stieg – Wahnsinn wie schnell die Zeit vergeht. Seit dem letzten Erfahrungsbericht sind bereits gut drei Monate vergangen, die sehr ereignisreich, interessant und spannend waren. Im Folgenden versuche ich einen Einblick in meine Erfahrungen und Erlebnisse, sowie mein Leben im Hogar in der letzten Zeit zu geben.

Die Arbeit mit den Kindern

Nachdem ich von September bis ende Dezember ganztags in der Gruppe „Los Campeones“ (6-9 Jährige) mithalf, wechselte ich im Februar, nach den peruanischen Sommerferien in die Vormittagsgruppe der „Los sin fronteras“ (12-17 Jährige). Nachmittags unterstütze ich weiterhin bei den „Campeones“.

„Los sin fronteras“

Nachdem ich mich die letzten Wochen vor den „großen“ Ferien mehr und mehr auf meinen Wechsel zu den „sin fronteras“ gefreut hatte, wurde mein Enthusiasmus zu Beginn des neuen Schuljahres ein wenig gedämpft.

Da die „großen“ schon sehr selbstständig sind, ihre Werkstätten (Bäckerei, Schreinerei,…) besuchen und ihre Hausaufgaben erledigen, ohne viel Unterstützung zu brauchen, fühle ich mich hin und wieder ein wenig überflüssig, was sich aber hoffentlich in der nächsten Zeit noch erübrigen wird. Ein wenig unzufrieden bin ich auch mit den Beziehungen, die sie bisher zu den Kindern entwickelt hat. Es kam bisher leider zu wenigen guten Gesprächen oder schönen gemeinsamen Momenten, was sicherlich auch daran liegt dass ich aufgrund des Besuchs meiner Familie, vermehrten Arztbesuchen und Ähnlichem in der letzten Zeit einige Vormittage nicht in der Gruppe verbringen konnte. Ich denke dass die Zeit einen besseren Kontakt zu den Jugendlichen bringen wird und auch mein „Tischtennisprojekt“ (Tischtennisplatte bauen) welches ich (vor allem) mit den älteren umsetzen möchte positiv zu meiner Integration im Salón beitragen wird.

Im Großen und Ganzen macht mir die Arbeit mit Jugendlichen nach wie vor viel Spaß, ich verstehe mich mit Andy, dem Educador gut und hoffe im nächsten Zwischenbericht von einer positiven Entwicklung im Hinblick auf meine Arbeit bei den „Los sin fronteras“ berichten zu können.

„Los Campeones“

Im Hinblick auf  die Arbeit bei den „Campeones“ kann ich nur positives berichten.

Nachdem mir zum Ende des Schuljahres ein wenig der Spaß bei der Arbeit in der Gruppe – aufgrund fehlender Vielseitigkeit -  verloren ging, bin ich jetzt wieder mit viel Freude und Energie dabei.

Die Arbeit am Nachmittag gestaltet sich nicht immer als ganz einfach, da die Erzieherin Judith und ich gemeinsam 23 Kinder betreuen, die oft einen - nicht ihrem Alter entsprechenden – Wissens- und Entwicklungsstand haben. Es besteht weiterhin die Schwierigkeit, des Zeit-/Personalmangels, da viele Kinder neben der Hausaufgabenunterstützung eine Einzelbetreuung (z.B Buchstaben lernen/vertiefen) benötigen, dies aber nicht machbar ist. Auch die Tatsache dass viele Kinder zu diesem Schuljahr neu ins Heim kamen oder eingeschult wurden vereinfacht die Situation nicht. Es ist schwer sich an den Gedanken zu gewöhnen aber viele Kinder werden ihre Schulprobleme wohl nicht in absehbarer Zeit lösen können (da die Unterstützung momentan nicht geboten werden kann) und somit in den kommenden Schuljahren wohl oder übel immer größere Probleme in der Schule bekommen.

In Bezug auf meine Spanischkenntnisse fällt mir besonders in der Gruppe der Campeones auf, dass mein Spanisch fließender geworden ist und mir weniger Probleme bereitet. Gerade in dieser Gruppe mit vielen kleineren Kindern in der oft schnell und viel gesprochen werden muss um den Bedürfnissen möglichst aller Kinder gerecht zu werden, profitiere ich heute sehr von den Fortschritten der letzten Wochen und Monate.

Aufgrund der hohen Anzahl an Kinder in der Gruppe war es mir bisher noch nicht möglich mein „Schreinereiprojekt“ umzusetzen, da ich in der Gruppe helfe. Ich hoffe dass in der nächsten Zeit eine weitere Person zumindest ein einigen Tagen in der Woche zur Unterstützung hinzukommt und ich so mit meinem Projekt beginnen kann.

Urlaub

In den Sommerferien, die in Peru vom 1. Januar bis 28. Februar dauern hat auch das Hogar einen Monat lang geschlossen. Somit konnten wir Voluntarios den kompletten Januar nutzen um die Vielseitigkeit Perus kennen zu lernen und sogar zwei Nachbarländer zu besuchen.

Nach einem tollen Start ins Jahr 2011, den wir mit drei Freunden aus Tablada am Strand mit Zelt, Lagerfeuer und Feuerwerk und unzähligen weiteren Jugendlichen verbrachten, ging es bereits am 2. Januar auf Reise.

Daniel und ich stiegen in den Flieger nach Santiago de Chile (nachdem wir unfreiwillig einen Tag am Flughafen verbrachten) und die „Chicas“ Marie und Miriam machten sich auf den Weg nach Cuzco, wo wir uns eine Woche später dann trafen. Nachdem wir „Chicos“ eine spannende Woche in Valparaiso und Santiago de Chile verbrachten, einen Freund von mir aus Deutschland besuchten (ein Chilene der gerade seine Familie besuchte) und auch die chilenische Gastfreundschaft kennen und schätzen lernten trafen wir uns am „Nabel der Welt“, wie Cuzco von den Inkas genannt wurde. Von dort aus ging es mit Marie und Miriam weiter Richtung Puno am Titicacasee wo wir eine Nacht auf einer Insel bei einer Gastfamilie verbrachten, um uns anschliessend auf den Weg Richting Santa Cruz in Bolivien zu machen, wo wir unser einwöchiges Zwischenseminar besuchten. Im Hinblick auf die Woche muss ich sagen, dass ich die Zeit mit den anderen Freiwilligen (aus Peru, Chile, Bolivien, Nicaragua) teils sehr genossen habe, und auch sehr froh bin dass ich einen kleinen Teil von Bolivien kennen lernen durfte. Andererseits muss ich aber auch ehrlich zugeben, dass mir das Seminar an sich sehr wenig gebracht hat, vielleicht auch wegen den hohen Erwartungen nach dem hilfreichen und spannenden Vorbereitungsseminar in Köln. Zum Einen war da die hohe Teilnehmerzahl von 40 Freiwilligen, die von drei Teamleitern begleitet wurden, was meiner Ansicht nach wenig persönlichen Kontakt der Teamleiter zu den Teilnehmern ermöglichte.

Weiterhin hatte ich das Gefühl kein Seminar zu brauchen, da wir vier Voluntarios im Heim sehr viel miteinander besprechen und so für mich kein Bedürfnis vorhanden ist mich eine Woche lang über das Erlebte auszutauschen. Auch merkte ich dass wir in Tablada im Gegensatz zu vielen Anderen eine stabile Einrichtung, sowie ein funktionierendes Team und Umfeld haben, sodass kaum Probleme entstehen die es in einem jeweiligen Seminar zu lösen gilt. Bei anderen Freiwilligen, wie allein in ihrer Einrichtung arbeiten war aber doch zu merken dass sie ein großes Bedürfnis hatten sich auszutauschen aber vor Allem selbst zu erzählen und ein offenes Ohr zu bekommen. Nicht zuletzt riss mich das Seminar ein wenig aus meinem Leben im Heim und auch ein wenig aus meinem Abenteuer Auslandsjahr. Eine Woche fast ohne spanisch zu reden, ohne großen Kontakt zu Einheimischen und Ähnliches gefiel mir in diesem Moment gar nicht und ich sagte auch zu einem der Teamleiter, dass ich wohl mehr von einer weiteren Woche im Hogar profitiert hätte.

Nach dem Abschied vom Seminar verbrachten wir die übrigen Urlaubstage in Tablada, wobei wir mehrere kleine Ausflüge rund um Lima machten. Anfang Februar ging es für Marie, Miriam und Daniel dann wieder an die Arbeit, während ich mit meiner Familie für weitere zwei Wochen durch Peru reiste. Ich bekam dafür Extraurlaub mit der Kondition des Heimleiters Luis danach „como loco“ also „wie verrückt“ zu arbeiten J. In den Zwei Wochen, sowie in einer weiteren Woche, die meine Familie im Hogar verbrachte bot sich mir die Möglichkeit selbst weitere Teile Perus wie Machu Picchu oder die Selva (Regenwald) kennen zu lernen, aber auch meiner Familie einen vielseitigen Einblick in das Land und die Einrichtung in der ich arbeite zu ermöglichen. Ich finde es sehr wichtig seine Liebsten „live“ an seinem Auslandsjahr teilhaben zu lassen, da man im Nachhinein noch so viel berichten kann, wenn man nicht dabei war kann man sich oft doch kein richtiges Bild von der jeweiligen Situation manchen.

Freizeit

Die Freizeit, von der ich hier genug habe weiss ich meist gut zu nutzen. Ich versuche mich weiterhin, wie auch schon vor den Ferien im Salsa tanzen was mir längst (Salsa tanzen und die Musik an sich) sehr ans Herz gewachsen ist. Einmal wöchentlich wird das Tanzbein geschwungen und an Geburtstags- oder Weihnachtsfeiern, sowie Diskobesuchen mit Freunden bietet sich immer wieder Gelegenheit das Geübte in der Öffentlichkeit auszuprobieren. Gelegentlich gehe ich mit Javier, dem Schreiner des Hogars, der mittlerweile zu einem sehr guten Freund wurde, und mit einigen Nachbarn zum Fußballspielen, was oft viel Spaß und Abwechslung bringt. Allerdings merke ich hier immer noch deutlich, dass ich – vermutlich da ich „Gringo“ bin – eine Art Sonderbehandlung bekomme, was sich mit der Zeit und dem besseren Kennenlernen der Mitspieler hoffentlich legen wird. Mittwochs wird nach dem Arbeiten nach wie vor Volleyball mit dem Hogarteam gespielt, was oft sehr amüsant ist, aber meiner Ansicht nach hin und wieder zum Wettbewerb wird. Dies nimmt mir gelegentlich ein bisschen den Spaß an der Sache. Die im letzten Jahr begonnen Gitarrenstunden wurden momentan auf Eis gelegt, da der Unterricht nicht sehr effizient war. Ich möchte aber unbedingt wieder Unterricht bekommen und habe bereits einige neue Kontakte sodass es in wenigen Wochen wohl weitergehen kann.

Des Weiteren lese ich in meiner Freizeit viel auf spanisch oder schaue abends hin und wieder mit den Voluntarois einen Film auf spanisch um meine Sprachkenntnisse auszubauen und die Kommunikation im Alltag zu erleichtern.

Unser „Wohnzimmer“, die Terrasse der Voluntarios wird von uns gerne und viel genutzt und diente bereits für zahlreiche schöne Abende an denen gemeinsam mit Freunden gegessen, Filme geschaut oder sich unterhalten wurde.

Die Wochenenden werden von uns meist genutzt um kleinere Ausflüge in Lima zu unternehmen oder sich von der Arbeit zu erholen und mit der Familie oder Freunden in Deutschland zu telefonieren oder zu skypen. Einzig und allein diese Tage (oft  sonntags) an denen man mit den Daheimgebliebenen spricht und viel Zeit zum nachdenken hat fällt es mir manchmal ein wenig schwer das Leben in Tablada zu geniessen.

Allgemeines

Im Allgemeinen finde ich dass mein Alltag in Tablada längst routiniert von Statten geht. Die Beziehungen zu den Voluntarios – vor allem zu den Chicas  - verbesserten sich, durch das gegenseitig bessere Kennenlernen. Wo es früher kleine Problemchen gab wird heute zusammen gelacht und über Gott und die Welt gesprochen.

Freundschaften zu Personen ausserhalb der Voluntariogruppe festigten und vermehrten sich, was mich sehr freut. Auch gestaltet sich der Arbeitsalltag / Alltag im Allgemeinen als viel einfacher, da sich die Sprachkenntnisse in der letzten Zeit weiterhin sehr zum positiven entwickelten. Das viele Lesen, Musik hören und Filme schauen auf spanisch, sowie das Gespräch zu den peruanos zu suchen trägt mehr und mehr seine Früchte und motiviert sehr, immer besser sprechen zu wollen.

Nichts desto trotz habe ich Phasen in denen es mir vorkommt als könne ich mir keine Vokabeln mehr merken oder wie aktuell, in der mir das „spanische r“ nicht mehr über die Lippen kommen möchte.

Für die restlichen Monate, die ich noch im Heim verbringen werde möchte ich gerne noch mehr Kontakt zu den „Tabladeños“ finden und ein die Abende eher in Tablada selbst (Billard, Fußball spielen,…)  verbringen als isoliert auf der Terrasse der Voluntarios zu sitzen. Weiterhin habe ich mir vorgenommen die Zeit und die „Chancen“ die hier geboten sind zu nutzen. Beispielsweise habe ich an den Sonntagen, die wir oft zum entspannen nutzen oft das Gefühl einen Tag zu „verlieren“ an dem man einen Ausflug in die Stadt hätte machen können etc. Auch die Möglichkeit Fallschirm zu springen möchte ich in jedem Fall noch einmal nutzen.

Zum Bereich Chancen nutzen gehört aber auch, die Tradition unserer Vorgänger Verena, Karin und Jakob fortzuführen und die Familien, deren Kinder in diesem Jahr neu ins Heim kamen zu Hause zu besuchen. Um für die Erzieher des Hogars mehr über die Lebensverhältnisse und Hintergründe der Kinder zu erfahren, aber auch um uns Freiwilligen einen einmaligen Einblick in das Leben der Kinder ausserhalb des Heimes zu bieten, werden wir vermutlich in den nächsten Wochen mit den Hausbesuchen beginnen. Weiterhin steht mein Tischtennisprojekt (TTPlatte bauen) aus, hierfür bedanke ich mich recht herzlich bei meinen Großeltern, den zwei Yannicks, sowie meiner Familie die fleissig gespendet haben und ich so einen Teil dieses Geldes für die Materialien der Tischtennisplatte verwenden kann.

Ich hoffe ich kann meine Chancen und die Zeit, die so schnell verfliegt nutzen (bei meinem nächsten Zwischenbericht werden Marie und Mimi schon wieder in Deutschland sein) und viele wichtige Erfahrungen „mitnehmen“, durch meine Arbeit aber auch etwas hier lassen was die Kinder auf eine Art bereichert und weiterbringt.

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Marie Giesen

2. Erfahrungsbericht 26.03.2011

Hola con todos!

Es sind weitere drei Monate vergangen und der naechste Bericht steht an. Mehr als die Haelfte meiner Zeit als Freiwillige in dieser wunderbaren Kindertagesstaette mit einzigartigen Kindern und lieben Erziehern ist nun schon vergangen und ich kann auf viele Momente zurueckblicken, die ich sicher nicht so schnell vergessen werde.

Um die letzte Zeit etwas zu gliedern und sie so wieder etwas uebersichtlicher zu machen, habe ich sie erneut in Themen unterteilt.

Dezember - Feiern am anderen Ende der Welt

Der Dezember war voll von Feierlichkeiten, im Hogar aber auch ausserhalb.

Am letzten Wochenende vor Weihnachten gibt es im Hogar immer eine „Misa de Navidad“, die Weihnachtsmesse. Alles wird schoen dekoriert, der Pfarrer der deutschen Gemeinde kommt ins Hogar und am Ende gibt es fuer jedes Kind ein kleines Geschenk (dieses Jahr Unterwaesche), das dieses Jahr von der neuen Junta, des Vereines hier vor Ort, ausgeteilt wurde. Der Chor, der die ganzen Wochen vorher mit Carlos geuebt hatte, durfte seine Weihnachtslieder vortragen, die Erzieher haben gesungen und wir Freiwillige haben „als Hoehepunkt“ am Ende der Messe „Ojos azules“, ein peruanisches Volkslied, das ich immer mit meiner Zeit hier in Peru verbinden werde, und zwei Weihnachtslieder vorgetragen, die wir musikalisch begleitet haben. Es war sehr viel Spass gemacht, besonders das gemeinsame Ueben vorher! Als Dekoration wurden unter anderem meine Sternleuchten als Lichterkette verwendet, was mich sehr gefreut hat. So bleibt etwas deutsche Weihnacht hier im Hogar, wenn sie naechstes Jahr vielleicht wieder aufgehaengt werden.

Die Kinder haben in der letzten Woche keine Hausaufgaben mehr und teilweise auch schon Ferien. Alle Examen zum Ende des Jahres waren geschrieben und so ueberlegten wir uns, diese Woche mit Spielen und Aktionen zu gestalten. Es war mehr Arbeit als Anfangs gedacht, aber die Kinder hatten bei Olympiaden, Holzarbeiten, Gruppenspielen oder einer kleinen Schnitzeljagd durchs Hogar definitiv ihren Spass. Ich war diese Woche leider etwas angeschlagen, sodass ich den Schwimmbadbesuch und das Festessen am 24.Dezember nicht mitbekommen konnte. Es gab „Pollo a la Brasa“, Schniposa, nur mit Huehnchen!

Heiligabend waren wir bei einer Arbeitskollegin von Daniels Vater eingeladen, die auch seit diesem Jahr in der Junta ist. Das Essen war sehr lecker, es gab verschiedene Arten von Fleisch, traditionell gibt es hier Truthahn, und dazu einen Apfelsalat. Weihnachten wird hier aber ganz anders gefeiert als in Deutschland. Miriam und ich waren zuvor zwar noch in der Kirche gewesen (mussten aber nach einer Stunde am Anfang des Vorspiels schon wieder gehen - ich will nicht wissen, wie lange sie insgesamt gedauert haben mag! =) ), aber ansonsten gleicht der Abend eher Silvester. Um zwoelf Uhr gab es ein riesiges Feuerwerk und man wuenschte sich Schoene Weihnachten, bevor man sich wieder den Spielen oder Gespraechen widmete, die man unterbrochen hatte. Miriam, Daniel und Valentin sind danach noch zu Anita nach Hause und haben bis in die fruehen Morgenstunden weitergefeiert, waehrend ich ins Bett bin, um mich etwas zu erholen.

Fuer die Kinder begannen die Ferien, fuer uns Erzieher und Freiwillige begann nach den Feiertagen wieder das Arbeiten, es hiess, das Inventar zu zaehlen und das Hogar aufzuraeumen. Es war aber nicht sehr anstrengend, denn die Kinder kamen nur mittags, um sich ihr Mittagessen abzuholen und wir arbeiteten jeder fuer sich.

Zum Ende des Jahres, an Silvester, sind wir mit allen Erziehern zusammen in einem Fischrestaurant essen gegangen. Wir haben auch noch ein Gruppenfoto gemacht, denn fuer die zwei Belgierinnen Charline und Stephanie war dies das letzte gemeinsame Treffen, bevor sie zuerst reisen und dann anfangen, in Ayacucho in den Anden zu arbeiten.

Die letzte Woche haben auch wir Freiwillige ausreichend genutzt und viel mit Freunden zusammen gemacht. Bei gemeinsamem Kochen oder einfach nur Zusammensitzen habe ich sie eindeutig besser kennen und moegen gelernt. Ich freue mich schon auf die gemeinsame Zeit, die uns noch zusammen bleibt.

Mein Geburtstag fiel ebenfalls in diese Woche. Ich hatte alle Erzieher und Freunde eingeladen. Es kam sogar Milena mit ihrer Familie, die letzten Winter zwei Monate bei meiner Familie in Deutschland verbracht hat. Es wurde Salsa getanzt, das ich mittlerweile einigermassen kann, Miriam hat fuer mich Gluehwein gemacht (es kam sehr gut an, obwohl es abends immer noch ziemlich warm war! =) ) und es gab wieder sehr leckeren Marmorkuchen, den mir Daniel, Valentin und Miriam gebacken hatten! Es war komisch, dass mein Geburstag bei warmem Sommerwetter statt fand und ich ihn auch nicht mit meiner Familie feiern konnte. Ich habe es trotzdem sehr genossen mit all den Menschen zusammen zu sein, die mir hier wichtig sind.

Silvester haben wir zusammen mit Freunden und unendlich vielen anderen Jugendlichen zeltend am Strand. Es war genial! Wir hatten ein Feuer, an dem wir Wuerstchen gebraten haben und uns gewaermt haben und es gab ein unglaubliches Feuerwerk! Am naechsten Morgen konnten wir sogar eine Gruppe von Delfinen sehen, die die Bucht passierten. Ich hatte zuerst gedacht, es sei ein Haifisch, was einen Freund sichtlich amuesierte! =)

Januar - wir erkunden Peru

Den Januar ueber war das Hogar geschlossen, sodass wir die Zeit genutzt haben und so schnell wie moeglich in den grossen weiten Sueden Perus aufgebrochen sind.

Als erstes grosse Stadt stand Cusco auf unserem Plan, eine wunderschoene, alte Stadt. Kein Wunder, dass die Inca sie damals zu ihrer Hauptstadt erklaert hatten. Auf Grund ihrer Hoehe dachten wir anfangs, dass wir vielleicht Probleme mit der Hoehenkrankheit bekommen koennten, aber wir haben am ersten Tag viel ‘Mate de Coca’ getrunken, sodass wir abends nur leichten Schwindel bemerkten.

Am zweiten Tag ging es direkt wieder etwas runter, wir hatten eine viertaegige Tour in den ‘Parque Nacional de Manu’ gebucht. Hin und zurueck sollte es eigentlich mit einem Touristenbus gehen, da aber nur drei fuer die Tour zugesagt hatten, beschlossen sie kurzerhand mit dem Taxi zu fahren. Die Fahrt war wunderschoen, wir sind durch viele kleine Andendoerfer gefahren, steile Bergstrassen entlang in den tropischen Hochwald/Nebelwald hinein. Schlagartig aenderte sich die Vegetation, es gab mehr Farne und alle Pflanzen schienen dauerbefeuchtet zu sein. Auf der Hinfahrt durften wir teilweise laufen. Es war herrlich, die Natur von ganz nah zu sehen und im stroemenden Regen den Nationalvogel Perus, den Gallo de las Rocas, zu beobachten.

Unsere Lodge wurde per Kurzboottrip und Ueberqueren zweier Fluesse erreicht! Sie war mitten in der Natur, anscheinend in einem Jaguargebiet (ihn haben wir aber leider nicht gesichtet!) und wir konnten uns erstmals erholen auf unserer Reise. Auf verschiedenen Exkursionen sahen wir viele verschiedene Pflanzen, ganz suesse kleine Totenkopfaeffchen, ganz viele Voegel und einen Capiware, eine Art Wasserschwein. Kaimane konnten wir leider nicht entdecken, aber die Stille auf der Lagune war einfach schon atemberaubend genug!

Zurueck ging es wieder den gleichen Weg, ueber Schlagloecher, vorbei an Wasserfaellen und Ruinen!

In Cusco planten wir gleich unser naechstes Abenteuer. Wir wollten uns auf eigene Faust die archaeologische Inkastaette ‘Machu Picchu’ anschauen. Das Wetter hat nicht perfekt mitgespielt, sodass wir auf dem Hinweg in den Regen kamen und plaetschnass an unserem Hostal ankamen. Dennoch hatten wir am naechsten Tag Glueck, als wir fruehmorgens auf dem Machu Picchu waren und zusehen konnten, wie die Sonne durch die Wolken brach und den Nebel fuer kurze Zeit mitgenommen hat.

Wieder in Cusco haben Mimi und ich uns mit Daniel und Valentin getroffen, die die Woche in Chile verbracht hatten. Zusammen sind wir weiter nach Puno an den Lago Titicaca gefahren. Puno selbst ist eine recht beschauliche Stadt, aber wir haben eine Inseltour mitgemacht, die einmalig war. Zuerst waren wir auf den beruehmten schwimmenden Inseln der Uros, das aber sehr touristisch aufgemacht war. Dann sind wir jedoch weitergefahren auf die Insel Amantani, auf der wir bei einer Gastfamilie uebernachten konnten. Ich war an dem hoechsten Punkt, den ich im Leben je bestiegen habe (ca. 4100m) und abends gab es ein kleines Fest, bei dem wir ihre traditionelle Kleidung tragen durften. Am naechsten Tag sind wir weiter zur dritten Insel Taquile gefahren. Die Bewohner tragen ganz spezielle Muetzen, an denen man den Ehestand erkennen kann. Wir hatten als Mittagessen koestlichen Fisch! Die ganze Zeit ueber hatten wir eine unglaubliche Aussicht auf den See und die bolivianischen schneebedeckten Anden im Hintergrund!

Viel zu schnell war die Zeit zu Ende und wir sind Richtung La Paz aufgebrochen, wo wir dann den Flieger nach Santa Cruz zu unserem Zwischenseminar genommen haben.

Das Seminar war alles in allem sehr gut, die Teamer und die Leute sehr nett, aber es waren insgesamt viel zu viele Teilnehmer (40!) auf nur drei Teamer! Die Einzelbetreuung kam viel zu kurz, es kam sehr auf die Gruppe an, wie intensiv man die Zeit auf dem Seminar genutzt hat. Ich hatte sehr viel Glueck mit meiner Gruppe und ich kam im Seminar auf meine Kosten!

Als wir mit dem Flugzeug wieder in Lima gelandet sind, habe ich mich zum ersten Mal so gefuehlt, als ob ich „nach Hause“ kommen wuerde. Die Sonne ist wunderschoen ueber dem Meer untergegangen und das Licht hat sich  die Haeuser Limas angeleuchtet. Ich dachte, ich wuerde es nie sagen, aber ich war froh, nach all der gruenen Natur wieder nach Lima mit all ihrem Sand, dem Staub und der Kargheit zu kommen.

In Lima war mittlerweile der Hochsommer eingekehrt. Es war mehr als heiss, man konnte sich selbst auf der Terrasse fast kaum mehr aufhalten und wollte sich nur noch duschen. 

Die letzte Januarwoche habe ich sehr gebraucht, um wieder im Hogar anzukommen und noch etwas auszuruhen, bevor wir Erzieher uns Anfang Februar wieder getroffen haben. Wir waren einen Tag auf dem ‘Cerro Cristobal’ und hatten eine wunderschoene Aussicht auf Lima. Ich habe erneut gesehen, wie gross Lima einfach ist - Haeuser, so weit das Auge gereicht hat! Ein Abend sind wir noch zu Wasserspielen gegangen, die durch Musik untermalt wurden. Es war ein schoener Park und ich war froh, ein bisschen laufen zu koennen, da wir die restliche Woche nur im Hogar verbracht hatten.

Februar - neues Jahr, neues Glueck

Die ersten zwei Wochen wurden damit verbracht, alle Moebel von der Terrasse wieder in die jeweiligen Salons zurueckzuraeumen. Es wurde alles sauber gemacht und schoen hergerichtet. Wir Freiwilligen haben dafuer Willkommensschilder gebastelt. Ausserdem wurden die Ziele und Termine fuer das kommende Jahr festgelegt, die mit den Kindern erreicht bzw. durchgefuehrt werden sollen. Dabei blieb jedoch viel Zeit fuer Spaesse wie z.B., als wir mit den Erziehern abgewaegt haben, welche der zwei Kalendermodels jetzt huebscher waere. =)

Die Zeit hat Valentin leider nicht mitbekommen, denn Ende Januar kam seine Familie aus Deutschland und fuer die ersten zwei Wochen im Februar waren sie in Peru auf Reisen.

Rechtzeitig zu seinem Geburtstag und zur Oeffnung des Hogars war er aber wieder da und so konnten wir zusammen am 15. Februar die Kinder begruessen. Anfangs waren es noch recht wenige und ich fuehlte mich daher noch wie in den Ferien, denn es war wunderbar ruhig, die Kinder durften viel spielen und es gab keinen Stress durch Hausaufgaben (die Schule begann erst im Maerz).

Ich habe mich richtig gefreut, dass das Hogar wieder offen war und die Kinder wieder kamen. Wo ich die Kinder vor den Ferien teilweise noch als anstrengend und ermuedend empfand (ich war wohl wirklich ferienreif! =) ), begann ich jetzt wieder mit neuer Energie und Freude auf die naechste Zeit.

Zum Abschluss der Ferien sind wir Ende Februar alle noch an den Strand gefahren, ein Riesen-Akt! =) Ich frag mich immer noch, wie wir alle Kinder und Erzieher in den Bus (Stil: amerikanischer Schulbus) gepasst haben. =) Den Kindern hat es viel Spass gemacht und die Grossen durften sogar im Meer schwimmen, waehrend die Kleinen in einem mit dem Meer verbundenen Becken herumplantschen konnten. Mittags gings dann schon wieder zurueck (raus aus der Mittagshitze) und im Hogar gab es dann noch lecker ‘Arroz con Pollo’ (Reispfanne mit Huehnchen) fuer alle!

Maerz - wo ist er nur hin?

Der Monat Maerz ist fuer mich leider viel zu schnell herumgegangen - oder besser gesagt, ich hab viel zu wenig davon mitbekommen, denn ich war zwei Wochen davon krank.

Ich hatte mir schon im Januar in Bolivien einen heftigen Husten geholt (sehr warm draussen - Klimaanlage in den Seminarraeumen) und jetzt kam auch noch hohes Fieber und Schnupfen dazu. Miriam hat sich aber ruehrend um mich gekuemmert und mich bestens unterhalten. Danach war ich aber total abgeschwaecht und musste mich erst langsam wieder erholen. Auch habe ich mich auf einmal voellig fremd im Hogar gefuehlt. Das Leben war ohne mich weitergelaufen und es war anfangs schwierig, den Rhythmus zu finden. Zum Glueck hat sich das aber schnell wieder gelegt.

Waehrend meiner Krankheit kamen gleichzeitig noch Bewerbungsstress und abermals eine Rueckflugunsicherheit hinzu. Zum Einen kamen erneut die Absagen von den Universitaeten (Medizin) und ich sah mich gezwungen, mich nun auch nach Ausbildungen im medizinischen Bereich umzusehen. Dabei wurde es leider etwas eng mit den Bewerbungsfristen. Zum Anderen wurde uns gesagt, dass unser Rueckflugdatum vielleicht doch wieder nicht sicher waere, da wir es dummerweise vor Vertragsende gelegt hatten. Die Situation kam etwas ueberraschend, da wir das Problem eigentlich schon als geklaert gesehen hatten. Jetzt wurde aber Gott sei Dank eine Loesung fuer alle gefunden und Miriam und ich koennen das Datum beibehalten.

Als ich krank war, fand auch ein Kleiderverkauf, von der Schwester Aurora des nahegelegenen medizinischen Zentrums, statt. Es wurden Decken und Hosen, aber auch Lebensmittel wie Reis und Nudeln verkauft. Alles waren Spenden aus Spanien, mit dem Erloes wurden nur die Transportkosten beglichen. Es waren anscheinend viele Eltern da, sodass am Ende fast alles ausverkauft war.

Ende Maerz fand dann fuer alle Eltern (bevorzugt: starke Maenner^^) das Anstreichen des Hogars statt. Mit guten vierzig Vaetern, Bruedern, Onkeln, Cousins und Nachbarn wurden Fenster abgeschliffen, Decken und Waende gestrichen und zum Schluss alles wieder blitzeblank sauber gemacht. Zwischendurch gabs noch lecker Brot als kleine Verstaerkung, von unserem Baecker Ricardo. Es war ein anstrengender aber schoener Tag, der fuer die Vaeter am Schluss noch mit einem Fussballspiel belohnt wurde! =)

Was ich an Peru liebe bzw. vermissen werde

Als ich Anfang September nach Peru kam, war fuer mich alles noch neu, spannend und wohl auch etwas gewoehnungsbeduerftig. Jetzt, nach gut einem halben Jahr habe ich dieses Land neben all seinen liebenswuerdigen Menschen mit seinen zahlreichen Facetten besser kennen und lieben gelernt.

Zum Einen waere da die peruanische Art, sich auf den Strassen Perus aufzuhalten. Einfach herrlich! =) Ich muss zugeben, dass ich am Anfang auch etwas Angst hatte, wenn z.B. drei Fahrbahnen auf eine reduziert wurden und die drei nebeneinander fahrenden Autos einfach mit derselben Geschwindigkeit weitergefahren sind (ich mittendrin) ... jeder war sicher, das Rennen zu gewinnen! =)

Jetzt finde ich den Verkehr aber einfach nur faszinierend und ich liebe es, mit dem Combi, dem hiesigen Transportmittel (Kleinbus), durch die ueberfuellten Strassen Limas zu fahren. Man kann das Treiben auf den Strassen beobachten, die vielen Marktstaende, die Obst, Essen oder alle moeglichen Autoersatzteile verkaufen, dann das Hupen, wenn es nicht schnell genug geht oder aber auch die Selbstverstaendlichkeit, dass man auf den eigenen sandigen Fahrbahnrand ausweicht, wenn der Gegenverkehr 20m vor einem noch am Ueberholen ist. Eine Fahrt mit dem Combi ist jedes Mal ein Abenteuer und ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig Unfaelle es doch gibt (ich selbst bin im Combi nur zweimal an anderen Autos vorbeigeschrabbt). Dabei wird auf Grund der vielen Schlagloecher und Geschwindigkeitshuegel/ -bremsen so haeufig die Geschwindigkeit gewechselt und es ist nicht selten, dass man auf einer viel befahrenen Strasse (=Stadtautobahn) einfach ein stehendes Autos sieht.

Erst nach und nach haben wir uns (mit Hilfe) den Combiplan Limas erarbeitet und wenn wir immer noch nicht wissen wohin, hoeren wir einfach auf die ‘Cobradores’ (sind fuer das Eintreiben der Fahrtgelder zustaendig), die aus dem Combifenster gelehnt die Stationen ihrer Route herunterschnattern! =)

Desweiteren liebe ich das peruanische Essen! Es stimmt zwar, dass fast jedes Gericht mit Reis zubereitet wird und es, wenn ueberhaupt, haeufig Huehnchen gibt, denn Rind oder Schwein ist hier ein Luxusgut, aber das heisst noch lange nicht, dass die Gerichte Perus einfaeltig sind! Es gibt in Peru so viele Kartoffelsorten wie wir in Deutschland verschiedene Apfelsorten haben... und wer je auf einem ‘mercado de frutas’ in Peru war, kommt aus dem Staunen ueber die vielen verschiedenen Fruechte gar nicht mehr raus! Als Snack fuer zwischendurch gibt es bei uns Freiwilligen immer wieder Mango oder Maracuya und wir probieren neue Fruechte wie Kaktusfrucht, Lucuma (Eierfrucht) oder Guanabana aus... ein Paradies! Auch die warmen Gerichte hier sind koestlich, wenn ich auch teilweise beim Essen von Lunge oder Magenwand etwas ins Straucheln gerate! =)

Wenn man meint, man koenne nur bei absoluter Stille schlafen, wird man hier schnell eines besseren gelehrt... denn hier erscheint es einem schon fast komisch, wenn mal eine Nacht lang keine Hunde bellen, geschweige denn die Katzen, die sich im Hogar kleine Fights abliefern und auch schon mal gegen unsere Zimmertueren knallen! Auch feiern unsere Nachbarn gerne und lange, und zu Festen wird nicht haeufig bei Diskolautstaerke unser ganzes Viertel beschallt! =) (...man kann sich an alles gewoehnen! =) )

Vermissen werde ich z.B. auch die Musik unseres Nachbarn, ein Techo-Pop-trad. Volklieder- Mix, die wir jeden Morgen beim Duschen hoeren koennen. Es ist eine wunderbare Moeglichkeit zum Aufwachen! =)

Ausserdem werde ich sowohl die Landschaft um Lima als auch die Landschaft der ‘provincias’ vermissen. Die sandige Umgebung Limas, aber durch das Reisen durch Peru auch die Landschaft der ‘provincias’, die ackerbebauten Felder an den Haengen der Anden, die halbfertigen Haeuser, die alle mit Wahlwerbung (Buergermeister/Praesident)angestrichen sind, dazu die Huehner, Kuehe, Schweine und Esel, die teilweise frei auf den Strassen rumlaufen... es wird fuer mich immer ein Teil meines FSJ hier bedeuten!

Spanisch - ein Auf und Ab

Ich dachte, dass ich nach meiner Krankheit wieder total draussen gewesen waere, aber das war wohl eine Fehleinschaetzung. Denn danach konnte ich den Kindern Maerchen erzaehlen, ohne ich grosse Schwierigkeiten bei den Woertern hatte.

Es bleibt wohl aber noch immer bei guten Tagen und bei schlechten Tagen... manchmal klappt es gut und ich bin ueberrascht, dann gibt es aber wieder Tage, an denen gar nichts klappt. Ich kann mich aber immer noch mit allen verstaendigen und verstehe auch so gut wie alles! =)

Mein Alltag im Hogar

Durch das neue Jahr haben sich einige Dinge im Hogar veraendert. Dies haengt sowohl mit dem Kommen neuer Kinder als auch mit dem Erzieherwechsel nachmittags zusammen...

Vormittags

Diese Gruppe war letztes Jahr ziemlich anstrengend, obwohl es am Schluss nur noch 3 Kinder waren. Jetzt sind es fuenf und ich finde, dass sie etwas ausgeglichener ist als zuvor. Einer hat in die groessere Gruppe gewechselt, ein Maedel ist unter anderem dazu gekommen...

Dieses Halbjahr helfe ich nun zusammen mit Miriam, da sie mit Valentin fuer die kommende Zeit gewechselt hat. Es ist gut, dass wir zu dritt sind, denn durch ‘Neuzugaenge’ gibt es zur Zeit erhebliche Unterschiede im Lernniveau! Z.B. gibt es bei uns zwei Jungs (Edwin und Carlos), die beide in dieselbe Klasse gehen. Edwin kann selbststaendig relativ fluessig lesen und schreiben, Carlos jedoch kannte am Anfang nicht einmal den Namen eines einzigen Buchstabens. Durch viel Einzelbegleitung hat Anfangs vermehrt Miriam, jetzt auch ich, ihm geduldig einige Buchstuben beigebracht und wie sie zu schreiben sind (er kopierte immer nur alles und sah es deswegen nur als Bild, nicht als aneinander gehaengte Buchstaben!). Im Moment versuchen wir, dass er lernt, die Buchstaben zu Silben miteinander zu verknuepfen, aber es haengt sehr davon ab, ob er einen guten Tag hat oder nicht und wie lange er sich dementsprechend konzentrieren kann.

Wahrscheinlich waere Carlos auch so langsam im Lernen gewesen, aber ein triftiger Grund ist wohl, dass er den Kindergarten/ die Vorschule nicht besucht hat, aus Kostengruenden... leider!

Ich hab schon von einem Maedchen gehoert, das in die siebte Klasse kommen sollte (secundaria) und weder lesen und schreiben konnte... aus Scham hatte die Mutter dem Lehrer Geld gegeben, dass ihre Tochter das Jahr bestehen durfte.

Nachmittags

Die letzten zwei Jahre hatte Giovana die Gruppe geleitet, anscheinend nur als Uebergangsloesung fuer Martin, der die Jahre davor da war.

Jetzt ist Martin schon seit gut zwei Monaten da und er hat die Gruppe fest in der Hand. Er gibt ihnen viel Eigenverantwortung und schafft es durch viel Gruppenarbeit, dass die Kinder etwas ruhiger geworden sind. Anfangs wusste ich noch nicht so recht, wo ich gebraucht werde, aber das liegt vielleicht auch daran, dass die Kinder noch keine Hausaufgaben hatten. Jetzt habe ich meinen Platz aber gefunden, am Tisch der 4.Klaessler, wo ich ihnen bei ihren Hausaufgaben helfe und vor allem versuche, ihnen das kleine Einmaleins beizubringen... gar nicht mal so einfach, wenn ein Maedchen mit 9 Jahren immer noch Schwierigkeiten mit Rechenaufgaben wie 10+2 rechnen hat! Auch ist die Selbststaendigkeit der Kinder teilweise noch sehr gering und sie versuchen nicht einmal, sich die Aufgaben anzuschauen, sondern erwarten gleich, dass man ihnen die Loesung verraet. Das ist auch das Prinzip, das sie in der Schule lernen, Frontalunterricht und die Schueler schreiben ab! Wenn das Kind nicht selbst will, ist es schwierig ihnen das eigenstaendige Lernen beizubringen. So habe ich immer eine Handvoll zu tun, wenn mich gleichzeitig fuenf Kinder „am Aermel zupufen“ und ihnen geholfen soll!

Insgesamt sind es sehr viele und teilweise ist es schwer, ihnen etwas verstaendlich zu machen, wenn sie doch eigentlich lieber ihre eigenen Sachen machen oder rausgehen und spielen wollen, aber sie sind ein lieber Haufen und wenn es an einem Tag nicht klappen sollte, dann probiere ich es eben am naechsten! =)

April, Mai, Juni... ach, die Zeit geht so schnell vorbei!

Mir verbleiben noch gut sechs Wochen, bis ich leider meine Sachen erneut packen muss, diesmal voll von neuen Eindruecken, Bildern, Geschichten, Erinnerungen... mein peruanisches Leben!

Gerade waren wir in Huaraz und die ersten Mitbringsel wurden gekauft und auch sonst beschaeftigt man sich gezwungenermassen immer mal wieder damit, wenn es darum geht, ein Abschiedsfest zu organisieren oder noch ein „Denkmal“ zu setzen! =)

Auch wenn ich meine Zeit hier sehr vermissen werde, freue mich schon sehr auf zuhause... ich freue mich darauf, meiner Familie zu zeigen, wie ich in Peru gelebt habe und was ich hier so gemocht habe.

In der naechsten Zeit werde ich hoffentlich noch viel Spass beim Deutschunterricht haben, den wir angefangen haben, den Erziehern zu geben. Auch habe ich vor, einmal einen Blick in das Revier der Koechin Senora Zoila werfen, um so die Rezepte ihrer koestlichen Gerichte zu erlernen.

Desweiteren werden wir wahrscheinlich bald anfangen, die Kinder zuhause zu besuchen und so kennen zu lernen, wie sie mit ihrer Familie tagtaeglich leben. Wie viele Zimmer haben sie? Schlafen sie alle in einem Zimmer? Nur die Kinder oder sogar mit den Eltern oder nur der Mutter zusammen, weil der Vater fast nie nach Hause kommt?

Ich bin sehr gespannt auf diese Zeit und hoffe, dass ich noch viele weitere Eindruecke davon mitnehmen kann.

Ganz liebe Gruesse aus dem fernen Peru,

hasta pronto!

Marie Giesen

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Miriam Hapig

2. Erfahrungsbericht – 01.05.2011

Ich sitze gerade auf unserer Freiwilligenterrasse, die nach Feierabend eigentlich unser ständiger Aufenthaltsort ist, und stelle wieder mal fest, wie schwierig es ist, die vielen Erfahrungen und Erlebnisse der letzten Monate in Worte zu fassen. Um das Ganze übersichtlicher zu machen, habe ich den Bericht in mehrere Abschnitte unterteilt, in denen ich von den unterschiedlichen Bereichen in meinem Leben hier erzählen werde. 

Jahresende

Im Dezember standen gleich mehrere wichtige Ereignisse an.

Misa de Navidad

Am Sonntag vor Weihnachten wurde im Hogar mit den Kindern und deren Familien die „Misa de Navidad“, die Weihnachtsmesse gefeiert. Besonders berührt hat mich ein peruanisches Weihnachtslied der Kinder, in dem das Jesuskind in den Anden zur Welt kommt und mit einem Poncho beschenkt wird – ich finde es toll, wie stolz die Peruaner auf ihr Land sind. – Ein Christkind, das im Schwarzwald geboren wird und die Heiligen Drei Könige kommen in einem Boot über den Rhein? Undenkbar.

Nach Feierabend treffen wir Freiwilligen uns wie immer auf unserer Terrasse, schauen auf das von der untergehenden Sonne angestrahlte Tablada und erzählen von unserem Tag. Oft kommen Freunde vorbei und wir kochen zusammen, sehen uns einen Film an oder unterhalten uns.

Eigentlich ist es egal, was genau wir machen: was zu Lachen gibt es immer!

In dieser Zeit sind wir Freiwilligen als Gruppe noch enger zusammen gewachsen, aber auch der Kontakt und Freundschaften zu Peruaner haben sich gefestigt!

Weihnachten

Es ist 5 Uhr morgens und ich tanze in Mitten einer peruanischen Großfamilie im winzigen Hinterhof unserer Nachbarn Salsa. (Dem Hüftschwung nach könne ich keine Deutsche sein, ich müsse Peruanerin sein – gibt es ein besseres Kompliment?!)

Heute – oder besser gesagt gestern, am 24. - waren die Kinder zum letzten Mal in diesem Jahr im Heim, es gab ein besonderes Essen und danach hieß es dann: Bis Februar!

Abends bin ich mit Marie in die Kirche, und danach zum Essen zu einer Bekannten. 

Und seit vier Stunden bin ich hier, über den Zweigen der Sträucher und Bäume kündigt sich die Morgendämmerung an, aber mit dem Tanzen hören wir noch lange nicht auf…! 

Eines der schönsten Erlebnisse meines bisherigen Aufenthaltes war dann die „Noche Vieja“.

Mein Silvester war unbeschreiblich! Wir Freiwilligen feierten – wie außer uns noch hunderte andere Jugendliche - mit einigen Peruanern, die wir inzwischen kennen gelernt hatten, am Strand.

Wir hatten ein Lagerfeuer, grillten Würstchen, hörten Musik und tanzten, und um zwölf standen wir nicht frierend im Schnee, sondern mit nackten Füßen im Sand und beobachteten das Feuerwerk über dem Meer.

Auch, wenn ich weit weg von Heimat und Familie war – besser kann ein neues Jahr nicht anfangen!

Die Große Reise

Deutsch geplant, peruanisch umgesetzt…

Vor dem Zwischenseminar für Freiwillige, das wir Ende Januar in Bolivien besuchen sollten, hatten wir knapp drei Wochen Zeit, „unser“ Peru besser kennen zu lernen.

Die Vorbereitungen für die Reise gingen wir, das heißt Marie und ich, ganz „deutsch“ an. 

Wir zerbrachen uns die Köpfe, lasen Reiseberichte im Internet, suchten Adressen von Herbergen bis wir den Überblick verloren, und schließlich stellten wir ein genau durchgeplantes Konzept für die Reise auf die Beine, in dem für jeden Ort die Anzahl der Besuchstage und die zu besuchenden Stätten vermerkt waren. Angesichts unseres organisatorischen Eifers konnten viele peruanische Freunde nur den Kopf schütteln.

Letztendlich stellten wir dann fest, dass man lange und viel planen kann – es kommt doch anders.

Die Reise war super, zweieinhalb Wochen lang reisten wir erst ohne, dann mit den Jungs durch Peru, genossen die atemberaubende und abwechslungsreiche Landschaft und erlebten eine ganze Menge. Hier ein Beispiel.

Auf dem Rückweg von Machu Picchu nach Cusco:

Den Hinweg nach Machu Picchu hatten Marie und ich  in zwei Sammeltaxis und zu Fuß zurückgelegt, für den Rückweg haben wir Zugtickets, juhu, was für ein Luxus!

Wir besteigen nichts Böses ahnend den Zug und sind positiv überrascht über die Panoramafenster. Als uns nach zwanzig Minuten ein Drei-Gänge-Menü aus winzigen Portionen in einem Bastkörbchen serviert wird, werden wir skeptisch. Was für Tickets haben wir gekauft?

Dann halten wir plötzlich mitten im Nirgendwo und während drinnen auf dem Mittelgang den begeisterten und euphorisch klatschenden Asiaten, Peruanern und Amerikanern die neuesten Pullover aus Babyalpakawolle präsentiert werden, klopfen von außen großäugige Kinder mit den Händen gegen den Zug.

So krass habe ich den Unterschied zwischen arm und reich noch nie auf einen Schlag erlebt: hier drinnen die Reichen, draußen die Armen, die Kinder, die um Geld und Essen betteln.

Und wir? Sind eindeutig auf der falschen Seite der Zugwand! Oder?

Der Zug beginnt sich langsam wieder in Bewegung zu setzen und fast bin ich  erleichtert, wir haben ein riesiges schlechtes Gewissen, in einem Zug mit den ganzen reichen Schnöseln zu sitzen und schämen uns richtig.

Irgendwie müssen wir doch noch was für diese Kinder tun, bevor wir weiterfahren!

„Los, wir werfen unser Brot raus!!!“

Schnell knotet Marie die Brottüte auf,  während ich hektisch versuche, das Zugfenster zu öffnen. Es geht einfach nicht!

Ich rüttle und reiße, ein Mann hinter mir räuspert sich mahnend – wir müssen diesen Kindern jetzt unser Brot rauswerfen! – und habe plötzlich den Fenstergriff  in der Hand. Der gesamte Zug schaut entgeistert zu, wie ich den Fenstergriff in der Hand halte und Marie hektisch das Brot aus dem fahrenden Zug wirft.

Ich muss erst sehr über uns  lachen -  die Umsitzenden aber nicht.  

Den Rest der Fahrt stellen wir uns schlafend.

Alles auf der Reise war abenteuerlich, spontan und improvisiert, und so löste der Alltag im Kolping-Haus, in dem unser Seminar stattfand, bei mir einen kleinen Kulturschock aus. Mir kam alles so luxuriös vor, Frühstücksbuffet, die Snacks zwischendurch, die Zimmer mit sauberen Betten und Klimaanlagen, die Dusche mit warmem Wasser…

Leider kamen auf dem Seminar bei 40 Teilnehmern und drei Betreuern nur wenige wirklich gute Gespräche oder Diskussionen zustande.

Aber zumindest hab ich auf dem Seminar wieder einmal festgestellt, wie glücklich ich hier in Peru, in meinem Projekt und mit meinen Mitfreiwilligen bin.

Das Leben im Heim

Nach dem Seminar zog es mich dann so langsam wieder „nach Hause“.

Schon bei der Landung in Lima hatten wir das Gefühl: „Wir sind wieder zu Hause!“ und das Gefühl steigerte sich bei mir noch, als über dem Meer die Sonne unterging, wir in immer vertrautere Straßen einbogen und ich dann irgendwann von weitem das Heim sehen konnte!

Nachmittags

Zahlen üben:

Dyago (5) schaut sich mit kritischer Miene Nycolls Heft (4) an und meint: „Is ja baby-einfach, die Zahl 10 hinschreiben! Die Zahl 10 kann ich mit geschlossenen Augen, schau Mimi, schau mal!“

Sprichts, kneift die Augen zusammen, dreht den Kopf vom Heft weg und sagt laut: „Zehn!“

„Toll!“, lobe ich ihn brav.

Nycoll schaut beeindruckt, schließt dann die Augen, dreht den Kopf nach hinten, runzelt die Stirn und sagt vorwurfsvoll: „Ich seh’ gar nichts!“

Ich bin wie man sieht weiterhin bei den Kleinsten und vor allem hier brauchten die Neuen die nach den Ferien dazu gekommen sind, anfangs einfach bei allem Hilfestellung und Unterstützung (vor allem beim „Aufs-Klo-Gehen“, was schon öfter im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose gegangen ist).

Aber die Arbeit mit den Kleinsten macht mir immer noch viel Spaß, es gibt so viele witzige, schöne und rührende Momente mit ihnen und ich freue mich immer riesig auf die Bande!

Vormittags war allerdings ich es, die sich erstmal neu orientieren musste, da ich nach den Ferien wie vereinbart die Vormittagsgruppe mit Valentin getauscht hatte. Er ist jetzt bei den Ältesten, und ich bei den Campeones, den Zweitkleinsten, wo ich zusammen mit Marie und den Kindern täglich gegen einen Berg Hausaufgaben, die Rechtschreibung und die Defizite kämpfe, mit denen Lehrer und teilweise auch Eltern die Kinder allein lassen.

Anfang April:

Ich bin krank und liege im Bett. Marie hat gerade bei mir reingeschaut und erzählt, was sie mit den Zweitkleinsten so macht.

Ich bin frustriert. Letzte Woche hab ich mich vormittags so angestrengt  und habe das Gefühl, ich komme nicht weiter. Mit Carlos ist es schwierig, er ist in der zweiten Klasse, kann aber nicht lesen und schreiben. Ich lese ihm jeden Tag vor, habe eigene Arbeitsblätter für ihn gemalt und übe mit ihm so viel ich kann. Er hat überhaupt keine Lust. Ist ja klar, dass er frustriert ist, wenn alles, was jeden Tag in der Schule von ihm verlangt wird, viel zu schwer für ihn ist! Mittlerweile verzieht er schon das Gesicht, wenn er mich kommen sieht. Klasse.

Ich schlappe zum Bad und sehe unten im Hof die Jungs aus meiner Vormittagsgruppe.

„Mimi!!! Was ist mir dir?“

„Ich bin ein bisschen krank. Aber Montag komme ich wieder!“

Carlos  ruft laut: „Ja, komm wieder!“

Huch, das sind ja ganz neue Töne!

Ich grinse: „Dann wird aber auch wieder gelesen, mein Freund!“

Er reißt die Arme in die Luft „Jaaaa!“

Und da ist sie wieder, die Motivation!

Danach klappt es dann auch wirklich viel besser und wir haben auch viele lustige Momente zusammen.

Ich habe unter anderem für die Erstklässler ein großes Plakat mit dem Alphabet gemalt, auf dem zu jedem Buchstaben ein Tier abgebildet ist, sodass die Kinder jetzt selbst nachschauen können, wie der Buchstabe von „Löwe“, „Tiger“ oder „Elefant“ aussieht.

Ich habe zwar das Gefühl, es sind immer nur kleine Dinge, die ich tun kann, aber ich finde den Gedanken schön, dass beispielsweise das Plakat auch noch da sein wird, wenn ich wieder in Deutschland bin.

Ich habe mich in der Gruppe „Los Campeones“ gut eingelebt, habe aber festgestellt, dass mir die Arbeit mit dieser Altersgruppe nicht ganz so viel Spaß macht wie die mit den Jugendlichen.

Von Deutschen und Peruanern…

Dazu folgende Situationen:

Ich komme gerade von einer Geburtstagsparty zu der uns ein Freund mitgenommen hat. Die Stimmung war toll, ein typisch peruanisches Fest: die dicke grinsende Oma tanzt genauso ausgelassen wie die verführerische Latina im knappen Oberteil und die 3-jährige Enkeltochter mit rosa Kleidchen und auf Socken.

Es gibt Unmengen von Essen, und jeder Versuch, zu erklären, dass das Essen zwar sehr lecker sei, man selbst aber schon pappsatt, wird gekonnt überhört.

Man kommt an, und wird – obwohl unbekannt – sofort in die Familie integriert.

Ich fühle mich also wieder mal  so richtig peruanisch und zufrieden, als ich mich nach einer Runde Salsa neben eine der Nichten des Geburtstagskindes setze und diese eine Unterhaltung mit mir beginnt.

Wie ich hieße, wie alt ich sei, nein, keine Touristin, Voluntaria in einem Hogar, ja, daher auch das gute Spanisch, vielen Dank. Freunde? Doch doch, ein paar, die Arbeit ist auch super, Peru ist wunderschön, natürlich, hmmm schöner als Deutschland? Kann ich nicht sagen, anders natürlich...ob wir nicht Freundinnen sein wollen? Beste Freundinnen? Wie wunderbar. Aber vor der da hinten, in dem kurzen Rock, solle ich mich in Acht nehmen, die würde sich immer so an die Ausländer dranhängen!

Andere Situation vor Ostern:

Marie und ich waren auf dem Postamt um ein einkilogramm schweres Paket mit deutscher und schweizer Schokolade abzuholen (danke Oma!!!) und besteigen gut gelaunt einen Combi. Das Combifahren an sich ist schon eine Sache für sich – ich liebe es! Man quetscht sich mit eingezogenem Kopf unter das niedrige Dach und zwischen seine Mitreisenden (von denen einige sehr gut und einige  sehr schlecht riechen) und erwidert fröhlich das belustigte Grinsen einiger Peruaner.

In diesem Fall haben wir sogar richtig Glück und ergattern zwei Sitzplätze, eingequetscht zwischen mehreren Mitreisenden.

Marie und ich können natürlich nicht abwarten bis zu Hause und öffnen das Paket.

Mein Nebensitzer schielt in das Päckchen, grinst und meint: „Jesus Christus hat gesagt, teile was du hast mit deinem Nächsten!“

Ich muss lachen und biete ihm ein Stück Schoki an, das er nach höfliche Zögern gerne annimmt. Da sitzen wir also und verteilen Milka-Alpenmilch-Schokolade unter den Peruanern, wir müssen natürlich von uns erzählen, der Combi knattert durch Tablada, wir schlagen uns die Köpfe an und lachen uns schlapp.

Bevor der Peruaner neben mir aussteigt bedankt er sich noch mal lachend und sagt: „Gott segne dich!“

So, das war’s erst mal.

Bis zu unserer Heimreise bleibt Marie und mir noch ein guter Monat, aber die Zeit wird viel zu schnell vergehen.

Und dabei gibt es noch so viele Dinge, die ich tun oder sehen möchte!

Besonders gespannt bin ich auf die Hausbesuche, mit denen wir in der nächsten Woche beginnen werden, und von denen ich mir einen noch tieferen Einblick in das Leben der Menschen hier erhoffe.

Ich kann mir im Moment noch nicht vorstellen, das Heim und die Kinder und Peru zu verlassen, aber ich versuche einfach, möglichst wenig daran zu denken und die letzten Wochen in vollen Zügen zu genießen und noch einmal alle Energie in meine Arbeit hier zu stecken!

Muchos Saludos und bis bald!

Miriam

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Miriam Hapig

3. Erfahrungsbericht - Oktober 2011

Abschluss von Miriam Hapig                                                                 

Ich bin gerade vom Rückkehrerseminar der „fid“ in Köln zurückgekommen, bei dem ich fünf Tage lang die Gelegenheit hatte, mich noch mal richtig mit meinem Auslandsjahr zu beschäftigen.

Es ist wirklich unglaublich wie viel ich im letzten Jahr erlebt habe, wie viel sich verändert hat.

Jetzt will ich noch mal einen Blick zurück auf die unglaublichen neun Monate werfen, die ich in Tablada, am Rande der peruanischen Hauptstadt Lima im „Hogar Tablada“ erlebt habe…

Vor über einem Jahr bin ich zusammen mit Marie und Valentin von Zürrich aus in ein anderes Leben gestartet. Im Gepäck ganz viel Vorfreude - aber auch Unsicherheit.

Ich kann mich noch genau an den Flug erinnern, an die Landung, die ersten Eindrücke dort in Lima…

Der Kulturschock, auf den wir beim ersten Seminar in Köln so gut wie möglich vorbereitet worden waren, ist bei mir komplett ausgeblieben.

Ich habe mich sofort im Heim wohl und zu Hause gefühlt. Das lag zum einen bestimmt daran, dass ich schon auf fünf Jahre Spanischunterricht zurückblicken konnte. Mindestens genauso wichtig für mich war aber, dass ich mich so herzlich empfangen und aufgenommen fühlte. Dieses Gefühl „Hier gehöre ich hin“ in einer vollkommen anderen, fremden Welt unter zunächst noch fremden Menschen zu haben, ist ein tolles Erlebnis!

Ich habe mich schnell in den Alltag eingelebt und fing bald auch selbst an zu unterstützen, sei es bei den Hausaufgaben der Größten, bei denen ich Vormittags war, oder beim Basteln und Spielen mit den Allerkleinsten, die ich nachmittags mitbetreute.

Mit der Zeit kamen dann noch andere Angebote meinerseits hinzu, wie zum Beispiel Englischunterricht für die Ältesten. Wir haben Memorie-Lernkarten und Adventskalender für die Kinder gebastelt... Unfassbar, dass das jetzt bald ein Jahr her ist!

Die Weihnachtszeit dort zu erleben war auch sehr spannend und schön, ganz anders als bei uns, und während es jetzt hier immer kälter wird, kann ich nicht mehr verstehen, dass ich letztes Jahr tatsächlich den Schnee und die Kälte vermisst habe!

Es gab unglaublich schöne Momente, gerade in der Weihnachtszeit und an Silvester, genauso auf unserer Rundreise im Januar. Das alles sind Erfahrungen, die ich hoffentlich niemals vergessen werde! 

Nach den Sommerferien (im Januar) tauschte ich wie vorher vereinbart mit Valentin die Vormittagsgruppe und half so bei den Zweitjüngsten mit. Vor allem das Lesen und Schreiben klappte bei vielen Erst – und Zweitklässlern noch nicht. Es ist erschreckend, wie viele Kinder Schwierigkeiten bei den Grundkenntnissen in Mathematik oder eben beim Schreiben und Lesen haben. 

Und dabei haben die Kinder, die ins Heim kommen noch unglaubliches Glück. Denn sie haben die Erzieher und uns Voluntarios, die ihnen zur Seite stehen. In den peruanischen Schulen wird auf die individuellen Bedürfnisse und Wissensstände der Kinder keine Rücksicht genommen. Das meiste Wissen sollen sie sich durch reines Abschreiben aneignen: erklärt wird scheinbar kaum etwas. Viele Familienmitglieder der Kinder können weder lesen noch schreiben. Da fragt man sich, was aus den Kindern wird, die keine Unterstützung erhalten.

Ab März hatten wir Gelegenheit, bei verschiedenen Familien Hausbesuche zu machen.

Lima ist eine Stadt der krassen Gegensätze, Armut und Reichtum wohnen Tür an Tür und wirken dadurch noch extremer. Aber wir haben gemerkt, dass es auch in den ärmeren Vierteln immer noch Unterschiede gibt: Manche Häuser sind richtig massiv erbaut, haben einen Fußboden und im "Wohnzimmer" steht ein Fernseher, während man im Wohnraum der nächsten Familie direkt auf dem felsigen Untergrund des Hügels steht, der nachts mit Decken in ein provisorisches Schlaflager verwandelt wird.  Viel von dem, was ich bei den Hausbesuchen gesehen habe, hat mich betroffen gemacht, aber durch die peruanschen Familien war es jedesmal ein besonderes und schönes Erlebnis. Die Gastfreundschaft der Peruaner ist grenzenlos und wir haben viel Vertrauen erlebt, viele Schicksale und Geschichten erfahren!

In die Gemeinschaft der Erzieher im Heim hab ich mich gut integriert gefühlt. Aktionen wie gemeinsame Ausflüge, das wöchentliche Volleyballspielen, oder auch der Deutschunterricht, den wir Voluntarios einmal die Woche für anboten, haben das Gruppengefühl gestärkt.

Auch mit Valentin, Daniel und Marie hab ich mich sehr gut verstanden! Wir sind im Laufe des Jahres mehr und mehr zusammen gewachsen und waren immer füreinander da.

Wieder in Deutschland anzukommen war nicht so einfach wie ich dachte – viele Sachen, die früher ganz alltäglich waren, sehe ich auf einmal mit anderen Augen.

Bei uns zum Beispiel fahren Busse zu ganz bestimmten Uhrzeiten an ganz bestimmten Orten ab, und man kann nur an ganz bestimmten Stellen aussteigen - so umständlich hab ich das früher nie empfunden! In Peru ist das Leben oft - auch aus finanziellen Gründen - mehr auf das Hier und Jetzt ausgerichtet: man geht auf den Markt und kauft den Reis, den man fürs Abendessen braucht. Man geht in einen Laden und kauft eine Nähnadel, weil man gerade diese eine Nadel braucht. Aber auch abgesehen vom finanziellen Faktor hatte ich manchmal den Eindruck, dass die Peruaner einfach mehr für den Moment leben. Dieses Lebensgefühl ist eines von den vielen Dingen, die ich hier in Deutschland vermisse.

Hier wird alles genau geplant - und trotzdem machen wir uns Sorgen!

Dabei haben wir in Deutschland Zugang zu sauberem Trinkwasser, Bildung, medizinischer Versorgung, wir werden im Notfall durch den Staat finanziell abgesichert. Wir leben im puren Luxus, aber nur die Wenigsten sind sich darüber im Klaren.

Auch das ist etwas, das ich aus dem Jahr mitnehme und das mir hoffentlich bleibt.

Ich bin überzeugt davon, dass ich früher oder später wieder nach Tablada reisen werde und freue mich schon sehr darauf! 

Ich bin wirklich froh und dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, all diese Erfahrungen zu machen und so viele tolle Menschen kennen zu lernen! Danke an alle, die mich dabei unterstützt haben!

Murg,  26.10.11

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Valtentin Schepperle

3. Erfahrungsbericht - Dezember 2011

Knapp drei Monate bin ich schon wieder „zu Hause“ in Deutschland, eine sehr spannende und lehrreiche Zeit liegt hinter mir, die ich wohl nicht mehr vergessen werde. Meine letzten Monate in Tablada (ab März 2011), sowie die bereits vergangene Zeit – de vuelta – in Deutschland versuche ich nun im Wesentlichen zusammenzufassen.

Arbeit in der Gruppe: Los sin fronteras

Nachdem der Kontakt zu den Jugendlichen der Gruppe „los sin fronteras“ (12-17 Jahre) in den ersten Wochen nach den Sommerferien ( Ende Dezember Bis Mitte Februar) für meine Begriffe noch nicht zufriedenstellend zustande kam, entwickelte sich meine Rolle in der folgenden Zeit zunehmend zum Positiven. Je mehr Zeit ich im salón verbrachte, desto besser wurden die Kontakte und Gespräche, selbst mit einzelnen Jugendlichen, mit denen es mir zu Beginn sehr schwer fiel Kontakt zu knüpfen. Ich half zumeist bei den Hausaufgaben, überwiegend Englisch, und baute mit einigen Jugendlichen der Gruppe eine Tischtennisplatte, die später mit viel Freude genutzt wurde. Oft war es mir aufgrund des meist selbstständigen Arbeitens der Jugendlichen weiterhin möglich, selbst etwas zu lesen und mein Spanisch so zu verbessern, sowie beispielsweise Arbeitsblätter für den Erzieher zu verfassen oder außerhalb des salónes bei handwerklichen Tätigkeiten mitzuhelfen. Eine geplante Reise des salón konnte aufgrund der aufwändigen Vorbereitungen für das 25 jährige Jubiläum des Heimes leider nicht durchgeführt werden. Im Allgemeinen bin ich sehr froh über die Entwicklung die meine Arbeit in der Gruppe genommen hat. Besonders eindrücklich fand ich die Nachricht eines Jugendlichen zu meinem Abschied, der in mir einen guten, neugewonnenen Freund und eine Art großen Bruder sah, den er nie hatte.

Arbeit in der Gruppe: Los Campeones

Die Arbeit in der Gruppe „los campeones“ (6-9 Jahre) in der ich bereits seit September tätig war machte mir bis zum Ende sehr viel Spaß, auch wenn sich die schwierigen Arbeitsbedingungen (zu wenig Personal, nicht genügend Möglichkeiten individuell zu arbeiten) bis zum Schluss nicht verbesserten. Wie auch in den Monaten zuvor war das Thema der campeones hauptsächlich lesen, schreiben und rechnen zu erlernen/vertiefen wobei Zweitklässler teilweise auf dem Stand von Schulanfängern waren. Andererseits war das Niveau der zu erledigenden Hausaufgaben oft zu hoch oder war z.B. im Computerunterricht schlichtweg nicht durchführbar, da kaum eines der Kinder einen PC zu Hause hat. Gelegentlich konnte ich in der Zeit ab März, nach der allgemeinen Hausaufgabenzeit, ab 16.00 Uhr mit einzelnen Kindern oder Kleingruppen ungestört an den Hausaufgaben arbeiten. Da einige Kinder große Schwierigkeiten mit dem ständig hohen Lärmpegel hatten und sich sehr leicht ablenken ließen, war die dringend notwendig und brachte zumeist auch schnelle Erfolge. Leider ist dies jedoch dauerhaft weder in der Schule noch im Hogar mit allen bedürftigen Kindern durchführbar. Mein Schreinerprojekt konnte ich aufgrund des personellen Mangels leider bis zum Schluss nicht durchführen, allerdings nahm sich Javier der Schreiner des Hogars ab April dessen an und brachte den Kinder den Umgang mit Holz und Werkzeug näher. Insgesamt habe ich die Arbeit in der Gruppe sehr genossen, mit den Kindern wie auch mit Judith, der Erzieherin , mit der ich mich immer gut verstand und die mir auch beim Spanisch lernen mit Rat und Tat zur Seite stand.

Freizeit

Wie auch in den Monaten zuvor, blieb uns voluntarios nach der Arbeit im Heim immer genug Freizeit, die jeder gut für sich zu nutzen wusste.

Ich begann nach einer Pause wieder mit dem Salsa tanzen und lernte nach wie vor immer wieder Spanisch in Form von Filmen, Musik, Texten, was sich auch Stück für Stück bemerkbar machte. Auch das regelmäßige Volleyball spielen mit dem Erzieherteam blieb Bestandteil meiner Freizeitgestaltung. Weiterhin unternahm ich mehr und mehr mit zwei guten Freunden aus Tablada, und auch wir vier voluntarios verbrachten nach wie vor viel Zeit miteinander. Für ca drei Monate wurde es mir zu meiner großen Freude auch möglich Cajónunterricht zu nehmen, ich bekam dabei einen Einblick in die peruanische, traditionelle Musik und lernte als Schlagzeuger einige neue Musikstile und Rhythmen kennen. Leider war der Cajónlehrer dann ab August auf Reisen, sodass der Unterricht zum Ende meiner Zeit in Tablada nicht mehr weitergeführt werden konnte.

In der Zeit ab April kam zum Freizeitprogramm hinzu dass uns ermöglicht wurde die Kinder und ihre Familien zu Hause zu besuchen. Wir besuchten bis zum Schluss einen Großteil der Familien wobei man auf verschiedenste Situationen traf, Lebensgeschichten lauschte die die Erzählenden oft zum Weinen brachten und auch an uns keineswegs spurlos vorbeigingen. Beispielsweise muss eine siebenköpfige Familie mit täglich umgerechnet 2 Euro auskommen, was ohne die Unterstützung des Hogars gar nicht möglich wäre. Eine weitere neunköpfige Familie schläft in 4 Betten und einem Zimme , auf engstem Raum. Doch, sei die Situation noch so schwierig, erfuhren wir bei unseren Besuchen immer große Dankbarkeit an das Heim und „die Deutschen“ die so fleißig unterstützen. Auch war der Blick immer nach vorne, in Richtung Zukunft gerichtet, „seguiremos adelante“ das große Stichwort (sinngemäß : wir werden weiter machen, vorwärts gehen) , auch wenn diese Meinung vermutlich nicht immer so herrscht wenn die fragewütigen gringos gerade nicht zu Besuch sind.

Allgemein bin ich unendlich dankbar über die Möglichkeit die Familien besuchen zu können, da uns somit ein viel tiefgehender Einblick in das Leben der Kinder und die peruanische Realität geboten wurde. Ich werde mich an viele Besuche bestimmt noch lange erinnern. Als Anregung denke ich dass mit Sicherheit eine noch größere Vertrauensbasis und somit ein noch tieferer Einblick in das Familienleben geschaffen wäre, wenn eine Vertrauensperson des peruanischen Personals die Besuche mitbegleiten würde, da das Vertrauen der Familien zu den Freiwilligen vermutlich nie so ausgeprägt sein wird wie das zum langjährigen Personal.

Allgemeines

Im Allgemeinen verlief die Zeit seit dem 2 . Erfahrungsbericht recht routiniert, ich hatte mich gut in meine Arbeit in den Gruppen eingefunden, Freundschaften vertieften sich, auch der Kontakt zu Voluntarios, Team und Kindern wurde mit der Zeit noch mehr gefestigt. Ein immer größeres Gefühl eine neue, 2. Heimat gefunden zu haben kam auf, auch wenn klar war dass der Aufenthalt von begrenzter Dauer sein würde. Auch meine sprachlichen Fähigkeiten verbesserten sich stetig, was den Umgang in Tablada / dem Heim zunehmend einfacher machte. Natürlich habe ich bis heute Sprachdefizite und mit Sicherheit wird jeder einheimische noch immer schnell heraushören dass ich nicht aus Peru stamme. Ich bin aber im Großen und Ganzen ziemlich zufrieden mit der Entwicklung meiner Spanischsprachkenntnisse, so motiviert es natürlich auch im Urlaub bei der Hostalreservierung am Telefon für einen Lateinamerikaner gehalten zu werden.

Für die chicas Mimi und Marie, die mit Daniel und mir gemeinsam neun Monate in Tablada verbrachten, hieß es Anfang Juni Abschied nehmen. Sie flogen nach Deutschland um sich um ihre Zukunft in Sachen Studium zu kümmern, was einerseits sehr schade war, für uns chicos andererseits auch neue Wohnverhältnisse und eine etwas andere Situation im Heim mit sich brachte und auch eine Erfahrung wert war.

Gemeinsam mit Daniel hatte ich Ende Juli die Möglichkeit den Norden Perus kennenzulernen. Da sein Visum auslief musste er das Land verlassen, wir setzten uns also 20 Stunden in einen  Bus um kurz nach Ecuador ein- und wieder auszureisen um dann von Tumbes aus (die nördlichste Stadt Perus) Stück für Stück wieder Richtung Lima zu reisen und dabei den peruanischen Norden kennen und schätzen zu lernen. Auch nutzte ich nach wie vor gelegentlich die Wochenenden um mit Daniel oder meinen in Tablada gewonnenen Freunden weitere Orte in Peru kennen zu lernen.

Zu dieser Zeit (Juli ) neigte sich unser Aufenthalt im Hogar de Tablada bereits dem Ende zu. Bis Mitte August war unsere Zeit als Freiwillige im Heim angedacht, da wir beide aber einige Wochen länger in Lateinamerika blieben entschlossen wir uns nach separaten Reisen im September noch einmal eine Woche gemeinsam im Heim zu verbringen, um dann wieder nach Deutschland zurück zu kehren. Ab Juni/Juli kamen bereits immer wieder Gedanken an den nahenden Abschied auf, an Vorbereitungen, Dinge die man noch „ein letztes Mal“ hier machen muss, die folgende Zeit in Deutschland etc. Jetzt, da es also seit einigen Monaten ziemlich gut lief mit Sprache, Arbeit, Freunden und vielem mehr stand die Abreise vor der Tür. Es war vorherzusehen, auch weil ich schon von vielen ehemaligen Freiwilligen ähnliche Erfahrungen mitbekam. Nichts desto trotz genoss ich die letzte Zeit im Heim sehr, das Schöne daran: ich freute mich auf komplett alles was vor mir lag, die letzten Wochen in Tablada, die darauf folgende Reise und darauf, wieder nach Deutschland zurück zu kehren und meine Liebsten wieder zu sehen.

Gemeinsam mit dem Heimleiter Luis beschlossen wir unseren Abschied mit den Kindern und dem Team erst im September zu feiern, da Mitte August einige Besucher aus Spanien und Deutschland im Heim zu Gast waren. Der Abschied mit den Kindern, gefiel Daniel und mir trotz technischer Probleme (Fotoshow funktionierte nicht) und einem spontanen Notfallprogramm sehr gut. Im Nachhinein denke ich allerdings es wäre besser gewesen bereits im August Abschied zu feiern, da wir nach drei Wochen Abwesenheit in den Köpfen bereits „weg“ waren und sich das Team und die Kinder bereits darauf eingestellt hatten, dass in wenigen Tagen neue Freiwillige kommen würden. Nichts desto trotz verbrachte ich sehr schöne letzte Tage im Heim.

Wieder in Deutschland blieb der erwartete 2. Kulturschock aus, und alles war erschreckend normal, kaum Dinge an die ich mich wieder gewöhnen musste, was vielleicht an den ausgiebigen Gedanken lag die ich mir bereits in Tablada über meine Rückkehr gemacht hatte.

Ich begann nach gut einer Woche mit der Arbeit als Angestellter des Zimmererbetriebs meines Vaters. In meiner Zeit in Peru hatte ich viel in der carpinteria (Schreinerei) mitgearbeitet und bereits zuvor interessierte mich dieser Bereich sehr. Da ich mir auch nicht sicher war ob ich als Erzieher arbeiten wollte, entschloss ich mich in der Zeit nach Tablada einige Monate in den handwerklichen Bereich hinein „ zu schnuppern“, um neue Erfahrungen zu sammeln und mich beruflich eventuell neu zu orientieren. Mittlerweile denke ich auch über ein Studium im Sozialen oder Sprachlichen Bereich nach.

Ich bin sehr dankbar die Möglichkeit erhalten zu haben, ein Jahr in Tablada zu verbringen. Dabei habe ich viele neue Leute kennen gelernt und einige gute Freunde gewonnen , unzählige wertvolle Erfahrungen gemacht , mich menschlich und sprachlich weiter entwickelt und über den Tellerrand geblickt. Tablada und das Hogar sind für mich zu einer zweiten Heimat geworden, die ich bald wieder besuchen und nachhaltig unterstützen möchte, ich hoffe dieses vorbildliche Projekt wird noch viele Jahre erfolgreich weiterbestehen.

Valentin Schepperle

Laufenburg-Luttingen im Dezember 2011

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Lajescha Lütgarth

1. Erfahrungsbericht – Dezember 2011

Ehrlich gesagt, habe ich mir die ersten drei Monate hier in Peru anders vorgestellt. Zum einen hätte ich erwartet, dass ich zumindest zu Beginn wahnsinniges Heimweh bekommen werde. Meine Familie und Freunde sind mir so unheimlich wichtig und ich verbring so gerne Zeit mit Ihnen, dass ich mich kurz vor meiner Abreise wirklich fragen musste, warum ich diese vielen wertvollen Menschen für so lange Zeit verlassen will. Vor allem fällt es mir schwer, die Entwicklungen meiner kleinen Nichte (1Jahr 9Monate) für ein Jahr nicht miterleben zu können – zum Glück gibt es Skype! Aber ich muss sagen, dass es seit ich hier bin keinen Tag gab, an dem ich wirklich Heimweh hatte. Darüber bin ich sehr dankbar. Auch blieb der Kulturschock aus, mit dem ich eigentlich fest gerechnet hatte und das Zusammenleben mit meinen Mitfreiwilligen Lucia und Isabel verlief bisher auch ohne größere Probleme. Dass ich mich allerdings hier so wahnsinnig wohl fühle und alles so harmonisch verläuft, liegt, so glaube ich, größtenteils an der Freundlichkeit und großen Hilfsbereitschaft der Erzieher und vor allem dem Heimleiter Luis uns gegenüber und der guten und freundschaftlichen Zusammenarbeit untereinander. Nun sind es also schon drei Monate, die hier im Heim in Peru verbringen durfte. 3 Monate gefüllt mit Unsicherheit, neuen Erfahrungen, Frustration, lateinamerikanischer Musik aber vor allem sehr viel Freude.

Die Arbeit im Heim

Seit der Ankunft von Lucia und mir am 10.September (Isabel ist erst Mitte Oktober zu uns gestoßen) ist schon so einiges passiert und immer wenn ich mir bewusst werde, dass schon in wenigen Tagen Weihnachten sein soll (was schon aufgrund der hohen Temperaturen schwer vorstellbar ist), erschrecke ich gleichzeitig über die Tatsache, dass ich schon drei Monate in Peru lebe. Die Zeit rennt einfach viel zu schnell! Durch die freundliche Aufnahme im Heim hat man es uns zum Glück sehr leicht gemacht, sich hier schnell wohl zu fühlen. Da die derzeit 108 Kinder im Heim entsprechend ihrem Alter in vier Gruppen aufgeteilt sind, bekamen wir zu Beginn die Möglichkeit jeweils eine Woche in jedem salón zu verbringen, um uns anschließend zu entscheiden, in welchen salones wir zumindest für die erste Zeit mithelfen wollen. Meine Vormittage verbringe ich nun in der Gruppe „Los Campeones“ (Die Champions) mit den zweitkleinsten Kindern des Hogars (6 – 8 Jahre), die von Judith betreut werden und nachmittags helfe ich Martín bei den „Los niños y las niñas del mañanas“ (Die Jungs und Mädchen von morgen , 9 – 12 Jahre). Die Entscheidung für die erste Zeit mit diesen beiden Gruppen zu arbeiten habe ich bisher noch keine Sekunde bereut, da mir die Arbeit mit den Kindern und die Zusammenarbeit mit den Erziehern im Allgemeinen wirklich sehr viel Freude bereiten. Die Kinder kommen morgens um 7 Uhr ins Heim, frühstücken und helfen anschließend dabei, die Anlage des Heims zu fegen. Ein Großteil der Kinder geht anschließend in die Schule, für die anderen beginnt um 8 Uhr die Zeit in ihren jeweiligen salones, sowie auch für uns Freiwillige unsere Arbeit. Bei den Campeones wird, nachdem sich alle Kinder die Zähne geputzt haben, von 8.00Uhr bis 8.30Uhr gelesen. Carlos, 7 Jahre, 2.Klasse habe ich seit ich hier im salón bin unter meine Fittiche genommen. Er hat große Schwierigkeiten lesen zu lernen, kommt aufgrund dessen in allen anderen Unterrichtsfächern schlecht mit und wird nun auch die 2. Klasse wiederholen. Daher versuche ich so gut wie möglich mit ihm lesen zu lernen. Wir haben gute als auch schlechte und sehr anstrengende Tage. Im Grunde glaube ich, dass er sich selber unbedingt so schnell wie möglich verbessern will, vor allem um seinen Altersgenossen in nichts mehr nachzustehen, was er nämlich hin und wieder zu spüren bekommt. Jedoch lässt er sich auch sehr schnell ablenken, ist unkonzentriert und wird müde, wenn er merkt, wie viel Arbeit hinter dem Lesen lernen noch steckt. Dann ist es oftmals sehr nervenraubend und frustrierend mit ihm zu arbeiten und ihn zu animieren. Somit befinde auch ich mich in einem Lernprozess, und zwar mich in Geduld zu üben und nicht aufzugeben…

Von 8.30Uhr bis 10Uhr werden Hausaufgaben der Schule bzw. des Hogars gemacht und anschließend gibt es „refrigerio“ (Zwischenmahlzeit) , die meistens aus einen Saft und einem Brötchen besteht. Anschließend dürfen die Kids raus auf den Hof, um zu schauekeln oder zu rutschen und um Fußball, Volleyball, Tischkicker, Tischtennis oder was ihnen sonst noch einfällt zu spielen. Anschließend ist Zeit für die Kinder sich zu duschen und für die Schule ihre Uniform anzuziehen. Und wenn dann noch Zeit übrig bleibt, bevor um 11.45Uhr die Glocke zum Mittagessen klingelt, wird nochmal in den salones gespielt. Von 11.45Uhr bis 14.30 haben wir Freiwilligen Pause. Nachdem die letzten Kinder fertig gegessen haben und sich auf den Weg zur Schule machen, kommen schon die Ersten der Nachmittagsgruppe aus der Schule und essen dann ab 13.30Uhr zu Mittag. Unsere Kleinsten „Los Conejitos felices“ (Die glücklichen Kaninchen, 3 – 5 Jahre) sind nur nachmittags im Heim und werden zur Mittagszeit vom Kindergarten abgeholt, in dem nebenbei gesagt schon lesen und schreiben unterrichtet wird und die Kinder Hausaufgaben aufbekommen. Am Nachmittag werden die Kinder von 14.30Uhr bis 17Uhr im Heim betreut und ihr Programm ist dem des Vormittages sehr ähnlich. Auch gibt es für alle Kinder die Möglichkeit, sich an verschiedenen Werkstätten zu beteiligen. Das Heim hat eine eigene Bäckerei, in der montags und freitags Brötchen und mittwochs süße Leckereien hergestellt werden, die dann zum Frühstück, refrigerio und lonche verspeißt werden. Zu besonderen Anlässen, wie zum Beißspiel zur Feier des „Señor de los milagros“ oder zu Weihnachten werden zusätzliche Backwaren (Turrón, Panetón) hergestellt, die dann zum Großteil auch verkauft werden. In der Schreinerei haben die Kinder die Möglichkeit ihre handwerklichen Fähigkeiten auszuüben. Zu Weihnachten beispielsweise wurden Puzzle, Kerzenständer und Krippen hergestellt, welche anschließend beim Basar der deutschen Gemeinde in Miraflores verkauft wurden. Und für die an Kunst interessierten Kinder gibt es eine Kreativwerkstatt, in der gebastelt und gemalt wird. Besonders beeindruckend finde ich, dass viele recycelte Materialien wie leere Milchkartons oder Cornflakes-Schachteln zum Basteln verwendet werden, um so den Kindern bewusst zu machen, dass Müll nicht gleich Müll ist, sondern dass man daraus noch dekorative oder nützliche Dinge herstellen kann. Steht eine Messe an, wie zum Beispiel zu Ostern oder Weihnachten haben die Kinder auch die Möglichkeit sich einmal wöchentlich im Chor zu beteiligen, um anschließend bei den jeweiligen Messen die eingeübten Lieder mit ihren Stimmen zu unterstützen.

Das Heim nimmt sich allerdings nicht nur zu Herzen, den Kindern ein warmes, nährreiches Essen servieren zu können, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich täglich zu duschen oder sie in ihren künstlerischen Fähigkeiten und schulischen Aufgaben zu unterstützen und zu fördern, sondern vor allem macht es sich zur Aufgabe den Kindern Sozialkompetenzen wie Respekt, Verantwortungsbewusstsein, Hilfsbereitschaft und Toleranz zu vermitteln. Diese werden nämlich oft genug in den Familien und Schulen nicht beigebracht bzw. vorgelebt. Und auch auf Pünktlichkeit wird großen Wert gelegt. Da auch ich glaube, dass diese Arbeitsweise des Heims für die Kinder sehr lehrreich und fördernd ist, bin ich froh, auch noch für die nächsten 8 Monate meinen Teil in diese Arbeit investieren zu dürfen.

Armut

Die Armut hier in Tablada ist für mich nur schwer zu beschreiben. Zum einen weil der Begriff „Armut“ relativ und deswegen schwer zu definieren ist, zum anderen weil ich bisher nur wenige Einblicke in das „wirkliche“ Leben der Kinder bekommen haben. Wenn ich die Kinder im Heim beobachte, wie sie essen, ihre Hausaufgaben machen, spielen, lachen, dann zeugt höchstens die teilweise dreckige und kaputte Kleidung der Kinder von der finanziellen Armut ihrer Familien. Immer mal wieder bekommt man eben, durch die Erzieher oder die Kinder selber mit, wie ihr eigentliches Leben außerhalb des Hogars abläuft. Sei es, dass eine Familie als Wohnung nur ein einziges Zimmer zur Verfügung hat, dass ein Geschwisterpaar alleine wohnt, da schon beide Elternteile gestorben sind, oder das ein Junge, der gerade mal in der Grundschule ist, helfen muss Süßigkeiten auf der Straße zu verkaufen, damit die Familie versorgt werden kann. Bei solchen Nachrichten wird man schon nachdenklich... Auch erschreckend für mich ist, zu sehen, wie Kinder meist mit ihren Müttern in Müllbergen, die ja eigentlich überall zu finden sind, den Müll nach etwas Brauchbarem oder vielleicht sogar etwas Essbarem durchsuchen. Aber etwas das ich wirklich nicht erwartet hätte, sind die vielen hier vorzufindenden Vermisstenanzeigen von Menschen – in vielen Fällen von Kindern. Dass in Deutschland ein Kind vermisst wird, ist eher selten. Wenn doch, dann wird alles daran gesetzt, das Kind wieder zu finden. Und oftmals wird auch noch durch die Medien ein riesen Hype darum gemacht. Und hier? Es scheint schon fast normal, wenn auf dem Bild der am Laternenmast klebende Vermisstenanzeige keine Katze oder so abgebildet ist, sondern ein Mensch, da es eben nicht selten vorkommt. Und die Frage ist auch, wie viel Unterstützung beispielsweise der Polizei eine Familie bekommt, die ihr Kind sucht. Solche Dinge sind für mich nur schwer zu verarbeiten. Trotzdem hoffe ich, in Zukunft noch mehr Einblicke in das Leben und die Wohnsituation der Bewohner Tabladas zu bekommen, um sie besser zu verstehen und um mit ihnen auf eine bessere bzw. andere Art umgehen zu können.

Das Leben im Heim/ in Tablada

Wenn man durch die Straßen von Tablada läuft, ist unschwer zu erkennen, dass man sich in einem der ärmeren Viertel von Lima befindet. Die wenigsten Straßen sind geteert, überall liegt Müll, an jeder Ecke gibt es herumstreunende Hunde, die nicht selten aggressiv sind und Grünflächen findet man so gut wie keine vor. Die meisten Häuser sind aus solidem Stein gebaut, allerdings kann man am Rand von Tablada, also in den “neueren“ Gebieten Häuser vorfinden, die aus den einfachsten Materialien und Wellblech zusammengezimmert wurden. Dagegen haben wir es in unserem Heim sehr viel freundlicher, grüner und schöner. Wir voluntarias haben den Luxus eines eigenen Zimmers und eines eigenen Bads. Neben der Küche und einem kleinen Aufenthaltsraum gibt es noch eine große Terrasse, von der aus man eine wunderschöne Aussicht hat (da das Heim an einen kleinen Hügel gebaut ist) und vor allem abends das Lichtermeer der unzähligen Straßenlaternen Tabladas bewundern kann. Dass es bei uns grünt und blüht und wir sogar Gemüse aus eigenem Anbau essen können, verdanken wir unserem “abuelito“, der sich fast täglich um die Pflanzen in Heim kümmert. Aufgrund dessen halte ich mich sehr gerne im Hogar  auf. Allerdings tut es ab und auch sehr gut, aus dem Heim zu gehen, um auch anderes in der Umgebung kennen zu lernen. Montags zum Beispiel gehen wir immer mit Señora Luz einkaufen. Sie ist nachts da, um auf uns und das Heim aufzupassen und ist für uns mittlerweile auch eine wichtige Ansprechperson geworden. Bis vor kurzem wurden wir auch noch jeden Abend mit ihren peruanischen Kochkünsten verwöhnt, was allerdings ungefähr 5 Kilo mehr auf den Rippen bedeutete - es war einfach viel zu lecker! Seit Ende Oktober nehmen Lucia und ich jeden Donnerstag in Tablada Gitarrenunterricht, in dem wir typische peruanische Lieder und Rhythmen erlernen, sowie auch viel über die Musikgeschichte Perus erfahren.

Wir haben auch schon einige Ausflüge mit den Erziehern oder Luis in die nähere Umgebung gemacht. So besuchten wir beispielsweise zum ersten Mal das Zentrum Limas mit Luis und seiner Familie und haben dabei unter anderem die Katakomben der „ Iglesia Santo Domingo“ gesehen.

Ricardo, unserem Bäcker, hat uns zur Prozession des „Señor de los milagros“ ins Zentrum begleitet. Dieses Bildnis von Jesus am Kreuz, hat einst wie durch ein Wunder zwei schwere Erdbeben überlebt. Und zu Ehren dieses heiligen Bildes finden in Peru jährlich im Oktober Prozessionen des „Señor de los milagros“ statt - und die größten sind natürlich in Zentrum. So gut wie alle Menschen tragen violett, Musik wird gespielt, Lieder gesungen und die Straßen sind mit Millionen von Blütenblättern geschmückt. Ein wirklich sehenswertes Spektakel! Und auch kulinarisch wird man verwöhnt. Im Zuge der Ehrung des Señors wird Turrón - eine Art Kekskuchen ;) – zubereitet. Bunt, lecker, aber sehr süß!

Mit Judith durften wir in Pachacamac ein Kloster, La piedra del amor (ein gewaltiger Stein, der ein sich umarmendes Liebespaar darstellt) und Las ruinas de Pachacamcac (Die Ruinen von Pachacamac) besichtigen und anschießend Pachamanca essen, das nebenbei gesagt sehr zu empfehlen ist!

Ende Dezember war geplant, mit Linda – der Erzieherin der Kleinsten- ein Wochenende in einem Haus am Strand von San Bartolo zu verbringen. Leider sind Isabel und ich kurz vorher erkrankt, so dass wir diesen Ausflug nun auf Februar verschoben haben…

Und auch im Heim unternahmen wir schon einiges. Mit den zwei großen Gruppen waren wir in einem Naturkundemuseum und einen Tag später mit den kleinen Gruppen im „Parque de la Exposición“, um ein Puppentheater anzuschauen. Am 11. Dezember fand im Heim die Weihnachtsfeier statt. Vormittags wurden mit einer Gruppe von Pfadfindern Spiele gemacht. Anschließend wurde lecker „Pollo a la Brasa“ gegessen, wovon die Kinder schon im September schwärmten :) und später die Weihnachtsmesse gehalten. Nachdem die Kinder einige typisch peruanische Tänze vorgetragen haben, wurde noch Panetón und Chocolate verteilt und den Kindern ihre Weihnachtsgeschenke überreicht. Meiner Meinung nach, war es ein sehr schön gelungenes und harmonisches Weihnachtsfest, woran wir alle, vor allem jedoch die Kinder, sehr viel Freude hatten. Und jetzt kurz vor Beginn der Ferien des Hogars sind wir gemeinsam ins Freibad gegangen, was trotz bedecktem Himmel einen riesen Spaß für die Kids bedeutete und gleichzeitig ein erfolg- und erlebnisreiches Jahr des Heims abschloss.

Abschließend kann ich eigentlich nur sagen, dass ich sehr glücklich bin, hier sein zu dürfen und meine Zeit in Peru in vollen Zügen genieße. Natürlich bin ich sehr gespannt, was ich in den nächsten Monaten noch alles erleben werde und freue mich vor allem darauf, im Januar durch Peru und Bolivien zu reisen. Aber davon dann im nächsten Bericht …

Ein gesegnetes neues Jahr euch allen!

Lajescha

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Lucia Dunkl

1. Erfahrungsbericht – Dezember 2011

Wenn man so mit den Kindern zusammen sitzt und ihnen bei ihren Hausaufgaben hilft oder mit ihnen spielt, vergisst man manchmal, dass sie zu den Ärmsten von Tablada gehören und teilweise weder Strom noch fließend Wasser in ihren „Häusern“ haben. Wahrscheinlich, weil das Heim so gut eingerichtet ist und man dadurch leicht vergisst, dass die umliegenden Häuser nicht automatisch auch so gut ausgestattet sein müssen.

Das Hogar Tablada ist eine tolle Einrichtung für Tablada. Hier bekommen die Kinder nicht nur Unterstützung bei schulischen Aufgaben, Hilfe bei familiären Problemen und Essen sondern sie bekommen auch viele Werte (viele christliche Werte aber auch Pünktlichkeit o.ä.) vermittelt, die ihnen die Zukunft doch ein Stückchen leichter machen soll.

Ja und genau hier bin ich jetzt schon seit über 3 Monaten!!! Unglaublich wie schnell die Zeit bis jetzt verging!!!

Ich kann mich noch gut daran erinnern wie Lajescha und ich am 10.September von Luís (dem Heimleiter), Don Carlos (Hausmeister) und seiner Frau Señora Luz vom Flughafen „Jorge Chavez“ hier in Lima abgeholt wurden. Alles war so fremd und neu…und jetzt?- ja es ist zu unserem neuen Zuhause geworden!!!

Wir wurden so herzlich, so familiär empfangen, dass uns das Eingewöhnen gar nicht mehr schwer viel.

Luís hat uns am Anfang überall mit hin genommen, damit wir lernten uns zu orientieren und damit wir ganz viel über Tablada, Lima und Perú erfuhren. Und diese kleinen spontanen Ausflüge, ob zu Fuß oder mit dem alten, Heim eigenen VW-Bus, waren echt unbeschreiblich toll. Vor allem weil Luís so toll erklären kann und unser Spanisch am Anfang ja noch nicht so der Brüller war =)

Jetzt aber erstmal etwas zu den verschiedenen Gruppen/ Salones

Hier im Hogar gibt es vier verschiedene Salones, in denen die Kinder nach ihrem Alter aufgeteilt sind.

Die „conejitos felices“ (glückliche Kaninchen) sind die kleinsten, die 3-5jährigen und sie werden von Linda betreut.

Die zweit kleinsten, die „campeones“ (Champions) sind 6-8 Jahre alt und werden von Educadora Judith begleitet.

Dann die „los niños y las niñas del mañana“ (die Jungs und Mädels von Morgen) werden von Martín betreut und sind 9-12 Jahre alt.

Und der Salón mit den Großen (14-17 Jahre), die „sin fronteras“ (ohne Grenzen), wird von Andy geleitet.

Zu Beginn hatten Lajescha und ich (Isabel, unsere dritte Freiwillige kam erst Mitte Oktober zu uns) das große Glück jeweils eine Woche in einem der vier Salones zu verbringen, um uns dann danach entscheiden zu können wo wir für den Rest des Jahres bleiben möchten.

Ich habe mich für den Salón von Martín am Vormittag und für nachmittgas für den Salón von Judith entschieden und bin bis jetzt eigentlich noch ganz zufrieden mit meiner Entscheidung.

Vor allem bei Judith fühle ich mich richtig wohl und ich liebe es mit den Kindern zu arbeiten und wenn diese dann für eine toll gemachte Hausaufgabe eine veinte (20, ist bei uns wie eine eins) bekommen, dann freut mich das unbeschreiblich!!!

Jetzt im neuen Jahr werden wir wahrscheinlich die Gruppen wechseln und irgendwie ist es jetzt schon wie ein kleiner Abschied, weil man sicher mit ein paar Kindern dann eben nicht mehr so intensiv zusammen arbeiten kann wie bisher. Aber auf der anderen Seite lernt man dann auch mal die anderen Kinder besser kennen, die man bis jetzt quasi nur so vom „Pausenhof“ her kannte und darauf freue ich mich jetzt schon.

Unsere Wohnsituation

Unsere Wohnsituation hier ist nahezu perfekt.

Weil Lima ja in der Wüste erbaut wurde und somit der ganze Boden aus Sand besteht, wächst und gedeiht hier eigentlich nichts. Außerdem liegt überall immer jede Menge Müll herum und alles ist die ganze Zeit mit einer Staubschicht überzogen, die von den vorbei fahrenden Fahrzeugen aufgewirbelt wurde.

Im Gegensatz zu unserer Umgebung  ist unser Hogar wie eine kleine grüne Oase in der Wüste Limas. Zu dem Grundstück vom Hogar gehört ein riesiger Garten der (wie bei den Inkas) auf Terrassen angeordnet ist und von unserem abuelito (verniedlichte Form von abuelo = Opa) bewirtschaftet wird. Daher kommen auch die frischen und guten Zutaten für die Küche, z.B. alle mögliche Kräuter zum würzen, Spinat, Salat, …

Auch gehört ein kleiner Wald dazu, der auch vom abuelito liebvoll umsorgt wird, und da wachsen dann leckere Früchte wie Avocado, Mango, Maracuja,…

Also wir leben hier echt mitten im Grünen und es ist wunderschön mit Vogelgezwitscher aufzuwachen oder bei einem Frühstück auf der Terrasse einen Kolibri beobachten zu können.

Außerdem haben wir den Luxus, dass jede Freiwillige ihr eigenes Zimmer hat, das wir zwei große Bäder haben, eine Waschmaschine und sogar eine Küche nur für uns drei.

Weil das Grundstück vom Heim an einem steilen Berg liegt, haben wir (glaube ich zumindest) die beste Aussicht auf Tablada! Was vor allem bei Nacht sehr beeindruckend ist und von uns regelmäßig genossen wird =)

Reisen/ Ausflüge

Bis jetzt haben wir leider noch keine größeren Ausflüge bzw. kleine Reisen machen können. Irgendwie gab es dieses Jahr kein einziges verlängertes Wochenende und wenn wir dann trotzdem etwas geplant hatten, z.B. Markahuasi oder Strand-Wochenende mit Linda, dann fiel es kurz vor Beginn doch noch ins Wasser.

Nichts desto trotz haben wir bis jetzt viele kleine Ausflüge in Lima und Umgebung erleben dürfen.

So waren wir zum Beispiel mit Judith in Pachacamac, mit Ricardo (dem Bäcker) im Zentrum von Lima bei der Prozession vom „Señor de los milagros“, mit Luís in Tablada und Umgebung, in Miraflores und im Zentrum unterwegs und in Barranco.

Jetzt im Januar wird sich das allerdings –zum Glück- endlich ändern =)

Im Januar hat nämlich das Heim geschlossen (weil ja Sommerferien in Peru sind) und wir haben frei. Wir werden voraussichtlich quer durch Peru bis nach Bolivien reisen, weil wir dort Mitte Januar an einem Zwischen-/ Begleitseminar teilnehmen. Ich freue mich riesig auf die kommenden Wochen und auf die Austauschmöglichkeit mit anderen deutschen Freiwilligen aus Peru, Bolivien und Chile auf unserem Seminar.

Allerdings haben wir durch das Zwischenseminar nicht mehr wirklich viel Zeit zu reisen. Wir müssen einfach eine gute Mischung finden zwischen „stressfreiem Reisen“ und „doch möglichst viel sehen“.

Die Infrastruktur tut uns da nicht gerade einen großen Gefallen, man braucht hier (auch für kurze Strecken) einfach etwas länger.

Was mich auch gleich zu meinem nächsten Punkt bringt…

Die öffentlichen Verkehrsmittel

Ja am Anfang war es ein großes Abenteuer mit den öffentlichen Verkehrmitteln zu fahren…und jetzt ist es eigentlich immer noch eins =)

Also der Straßenverkehr ist ziemlich chaotisch und laut und es ist ganz normal, dass ständig gehupt wird. Das Hupsignal kann demnach so ziemlich alles bedeuten „He, geh weg da!“, „Achtung ich fahre jetzt rückwärts“, „Ich hab zwar schon rot, halte aber trotzdem nicht an!“, „keine Ahnung wer Vorfahrt hat, aber ICH überquere jetzt die Kreuzung“  oder es wird von Combi-Fahrern (Combis, das sind die Kleinbusse) dazu verwendet auf sich aufmerksam zu machen und Fahrgäste anzuwerben.

Ja und diese Combis die sind echt toll und gut, aber eben leider (logischerweise!!!) für Peruaner gebaut und nicht für Europäer! Zwischen den einzelnen Sitzen sind ca. 10 cm Platz für die sogenannte „Beinfreiheit“, was es uns einfach nicht ermöglicht gerade zu sitzen. Wenn dann natürlich so ein Combi im Feierabendverkehr schon voll besetzt ist, und man stehen muss, ist das nur möglich, indem man den Kopf und auch den Oberkörper so nach vorne beugt, dass man da stehend rein passt. Und so schießt man dann, völlig orientierungslos, über Schlaglöcher und andere Hindernisse, fast so als wären diese gar nicht vorhanden.

Aber auf irgendeine unerklärliche Weise sind diese Fahrten doch immer witzig =D

Weihnachten

Entgegen aller Erwartungen, ist es letztendlich auch hier Weihnachten geworden. Auch wenn ich noch nie so wenig in Weihnachtsstimmung war wie dieses Jahr. Wir probten zwar schon Wochen vorher fleißig peruanische Weihnachtslieder für die Messe ein, aber wenn man zu diesen Melodien keinen Bezug hat, helfen die auch nicht, in einem die Weihnachtsstimmung zu entflammen.

Schon Mitte Dezember haben wir dann hier im Heim Weihnachten gefeiert. Mit einer schönen Messe, Tänze der einzelnen Gruppen, Geschenke für die Kinder, Chocolate und jede Menge Panetón!!!

Auch waren wir an einem Sonntag in Miraflores auf einem Weihnachtsbasar, auf dem auch die Sachen verkauft wurden, die Javier (der Schreiner) mit den Kindern angefertigt hatte.

Am Heiligen Abend waren wir dann bei Luís eingeladen. Davor waren wir noch in einem Gottesdienst hier in Tablada und dieser war einfach so unbeschreiblich toll! Wie die Menschen sich von der Euphorie des Pfarrers mitreißen ließen war total schön.  Auch die Fragen des Pfarrers lautstark zu beantworten ist völlig normal genauso wie wenn mal ein Streuner durch die Kirche schlappt und sich unter einer Bank kurz ein Nickerchen macht. Die Gottesdienste werden hier im Allgemeinen viel lebhafter gefeiert und mir persönlich gefällt das sehr.

Ja auf jeden Fall sind wir nach diesem Gottesdienst zu Luís gegangen, wo es dann lecker Pavo (Truthahn) zum Essen gab. Um 12 Uhr nachts geht man dann raus auf die Straßen, um Böller und Raketen abzufeuern und um sich eine „Feliz Navidad“ zu wünschen. Da muss man als Europäer schon aufpassen, dass man sich nicht aus Versehen ein gutes neues Jahr wünscht. Erst danach gibt’s dann die Bescherung.

Es war auf jeden Fall toll, Weihnachten mal so komplett anders zu feiern, aber für mich war es halt leider irgendwie kein richtiges Weihnachten…mir fehlte die Kälte, die bekannten Melodien, Plätzchen und natürlich meine Familie!!!

Abschließend kann ich sagen, dass es mir hier in Tablada im Hogar sehr sehr gut gefällt! Ich fühle mich wohl umsorgt (was nicht zuletzt auch an meinen tollen Mit-Voluntarias liegt), gut behütet und ja einfach schon irgendwie zu Hause =)

So das war’s dann auch schon von meiner Seite.

Jetzt bleibt mir nur noch euch allen einen guten Rutsch und ein in jeder Hinsicht erfolgreiches Jahr 2012 zu wünschen!!!

Macht’s gut…bis die Tage =D

Eure Lucia

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